
Ab sofort gilt für Frauen in Afghanistan die Pflicht zum Tragen der Burka, wenn sie das Haus verlassen. Dass die radikalen Islamisten mit dieser weiteren Einschränkung der Frauenrechte durchkommen, liegt auch an den Afghanen selbst.
Die Taliban regieren seit der Machtübernahme im Sommer 2021 nach dem Gesetz der Stärke, in den letzten Monaten haben sie die Grenzen ihrer Macht ausgetestet. Wer ihr Treiben beobachtet hat, konnte sehen: Sie kommen in der Bevölkerung so gut wie mit allem durch. Die Hausdurchsuchungen in Kabul beispielsweise lösten erstaunlich wenig Protest seitens der Bewohner aus. Auch das Schulverbot für Mädchen bewirkte lediglich einen Protest in den sozialen Medien, nicht aber im großen Stil auf den Straßen der afghanischen Städte. Wo waren die Väter und Brüder dieser Mädchen, um sich für das im Islam verankerte Recht auf Bildung einzusetzen? Wo sind jetzt die Väter, Brüder und Ehemänner, um ihren Frauen, Töchtern und Schwestern eine Vollverschleierung zu ersparen, die der Islam in dieser Form ebenfalls gar nicht vorsieht? Die Taliban wissen, dass sie kaum Widerstand zu erwarten haben und sie nutzen es aus.
Ich habe dieses Jahr mehrere Wochen in Afghanistan verbracht, habe in Kabul gelebt und bin in die Provinzen gereist. Dass die radikalen Islamisten ihre fundamentalistische Weltanschauung den Frauen aufzwingen können, liegt auch an der Bevölkerung: Sie wehrt sich nicht. Man darf nicht vergessen, dass die rund 80.0000 Kämpfer umfassende Taliban-Bewegung ohne größere Widerstände die Macht in einem Land übernehmen konnte, das 40 Millionen Einwohner hat. Dafür gibt es einen Grund: Ein überraschend großer Anteil der Afghanen begrüßt die Herrschaft der Taliban unterm Strich.
Vor allem im paschtunischen Landesteil, welcher immerhin rund 42 Prozent der Bevölkerung ausmacht und damit die größte Ethnie im Vielvölkerstaat ist, ernten die Taliban und ihre Auslegung des Islams durchaus Zustimmung. Die Rechte der Frauen konnten in diesen Gebieten auch in den vergangenen zwanzig Jahren kaum gestärkt werden. Die Machtübernahme der Taliban hat das Leben der Frauen dort kaum verändert. Bereits davor hatten sie ihr Leben größtenteils hinter den Mauern ihrer Höfe und Häuser verbracht, auf der Straße trugen sie eine Burka.
Gleichzeitig konnten wir erleben, was passiert, wenn sich große Teile der Bevölkerung den Taliban widersetzen und sich auf ihre Freiheit berufen. In Herat, nahe der iranischen Grenze im Westen des Landes gelegen, wurden die Hausdurchsuchungen der Taliban relativ schnell wieder eingestellt, weil sich die Bevölkerung gewehrt hat. Dort tragen Männer auch acht Monate nach der Machtübernahme oft noch westliche Kleidung und rasieren sich - beides ein absolutes No-Go in Kandahar oder Kabul. Auch arbeiten Männer und Frauen im Herater Krankenhaus nach wie vor zusammen, obwohl die Taliban das eigentlich verboten haben. Auf die Frage, warum sie sich der Anordnung widersetzen, antwortete der Stationsarzt, dass man den Taliban erklärt habe, dass es eben anders nicht gehe und dass die das auch verstanden hätten.
Druck aus der Mitte der Gesellschaft hätte Einfluss auf die Taliban-Bewegung haben können - schließlich rekrutieren sie ihre Kämpfer von dort.
Quelle: ntv.de