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Die Wunden der freien Welt Make America Vorbild Again

Joe Biden will die USA wieder wirklich "great" machen.

Joe Biden will die USA wieder wirklich "great" machen.

(Foto: AP)

Wenn der neue Präsident die Wunden der USA heilt, dann hätte auch Deutschland viel davon. Und könnte etwas lernen.

Joe Biden braucht keine neunmalklugen Ratschläge aus Deutschland. Zum Beginn seiner Amtszeit als US-Präsident braucht er ganz gewiss auch kein Aufbauprogramm für die Demokratie in Amerika, wie Bundesaußenminister Heiko Maas in kruder Selbstüberschätzung jüngst vorschlug. Das war peinlich.

Was sich viele Deutsche gleichwohl von Joe Biden versprechen und erhoffen ist dies: Dass er ihnen den Glauben an Amerika zurückgibt. Den Glauben an das Land der Freiheit und der Demokratie. An die Führungsmacht des freien Westens, an der man sich oft genug kritisch reiben kann oder muss. Die aber immer noch aus gutem Grund Sehnsuchtsort für die vielen ist, die in Unfreiheit und Unterdrückung leben müssen, ohne Hoffnung, aus eigener Kraft ihr Glück zu machen.

Vier Jahre Donald Trump ließen viel von dieser Strahlkraft verblassen und gaben jenen viel zu viele Argumente an die Hand, die Amerika und seinen way of life seit jeher verachten. Es waren alles in allem vier schlechte Jahre mit und unter Trump, auch für Deutschland. Vor Freude gelacht haben nur die Autokraten und Unrechtsregime, von Russland bis China. Das muss jetzt ein Ende haben.

Doch es gibt Grund zu hoffen, dass der neue US-Präsident auch die Wunden der freien Welt heilt, wenn er daran geht, die Wunden seines eigenen Landes zu heilen. Es gibt Grund zu hoffen, dass Joe Biden die USA an den Platz in der Welt zurückführt, an den sie gehören und an dem sie nach wie vor gebraucht werden: An die Spitze all jener Länder, die gemeinsam das Schicksal des Planeten zum Besseren wenden wollen, indem sie nach gemeinsam gesetzten Regeln zwar durchaus ihre nationalen Interessen verfolgen, aber letztlich zusammenarbeiten. Das gilt für den Klimaschutz, den wohlstandsbringenden Welthandel oder die Menschenrechte. Dazu gehört auch die Führung der NATO, ohne die es für Deutschland keinen Schutz vor militärischer oder politischer Aggression gibt.

Alle diese Gemeinsamkeiten und Gemeinschaften haben Schaden genommen während der vier Jahre unter Trump. Sie sollten den Deutschen eine Lehre sein: Die Sicherheit der NATO kann kein Freifahrtschein mehr sein. Viele Deutsche haben erkannt - sehr, sehr spät und die Tatsache ist immer noch umstritten -, dass gerade ihr wohlhabendes und weltoffenes Land mehr für die militärische Sicherheit Europas tun muss.

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Deutschland hat von Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg Demokratie gelernt und wird in der Amtszeit von Joe Biden hoffentlich noch etwas von den USA lernen können: wie aus einer Krise der Demokratie die richtigen Schlüsse zu ziehen sind. Die Wahl Donald Trumps hatte in vielerlei Hinsicht eine solche innere Krise der liberalen und sozialen Demokratie in den USA offengelegt. Aber auch in Deutschland wächst eine ähnliche Wut auf "die da oben" oder "die da in Berlin". Teils wird sie genährt von Desinformation und Hetze, teils aber fußt sie auf dem durchaus berechtigten Eindruck, dass einige gut gestellte Teile der Gesellschaft sich zur besserwisserischen Elite aufschwingen, die auf die anderen moralisch herabschauen möchte. Diesen Riss gilt es wieder zu schließen: zwischen "Oben und Unten", zwischen "Stadt und Dorf" sowie zwischen denen, die mit Zuversicht auf technischen Fortschritt oder gesellschaftliche Veränderung blicken, und jenen, die beides verunsichert, wenn nicht gar verängstigt.

Weil auch Deutschland entlang dieser Linien auseinanderdriftet, können die USA unter Präsident Joe Biden ein Beispiel geben, dass sich diese Zerrissenheit befrieden und überwinden lässt. Die freie Welt braucht Amerika als Vorbild. Sie braucht den Glauben an Amerika.

Quelle: ntv.de

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