Kommentare

CDU fordert Anstand in Berlin Selbst Verlierer dürfen regieren

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Klaus Lederer (Linke), Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne): Laut Meinungsforschern finden 38 Prozent der Befragten, dass ein rot-grün-rotes Bündnis eine "gute Koalition" sei.

Klaus Lederer (Linke), Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne): Laut Meinungsforschern finden 38 Prozent der Befragten, dass ein rot-grün-rotes Bündnis eine "gute Koalition" sei.

(Foto: IMAGO/Jens Schicke)

Die CDU triumphiert in Berlin und erhebt den Anspruch, deshalb den künftigen Regierenden Bürgermeister zu stellen. Doch Rot-Grün-Rot könnte trotz des erlittenen Wahldebakels weiter regieren. Unanständig ist das nicht.

Die Wahl in Berlin hat einen eindeutigen Sieger: die CDU. Die rot-grün-rote Regierung hat eine krachende Niederlage erlitten - und will dennoch weitermachen. Die CDU hält das für eine ganz schlechte Idee und fordert: Eine Koalition der Verlierer dürfe es nicht geben. Ihr Problem: Doch, selbstverständlich darf es eine solche Koalition geben.

Es ist in Deutschland schon mehrmals vorgekommen, dass die stärkste Fraktion nicht den Regierungschef oder die Regierungschefin stellt. Etwa in Bremen ist das derzeit der Fall. Dort regiert Rot-Grün-Rot, obwohl die CDU die meisten Sitze in der Bürgerschaft hat. In Hamburg bildete CDU-Mann Ole von Beust 2001 ein Bündnis mit FDP und der rechten Schill-Partei und wurde so Erster Bürgermeister, obwohl die SPD die stärkste Kraft war. Auch im Bund kam das schon vor - bei den SPD-Kanzlern Helmut Schmidt und Willy Brandt.

Dass die CDU jetzt die Moralkeule schwingt und eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot in Berlin als unanständig kritisiert, ist nachvollziehbar. Angesichts des Wahldebakels müssen sich die bisherigen Koalitionäre durchaus fragen, ob sie wirklich so weitermachen wollen wie bisher. Mit der Arbeit des Senats sind die meisten Berlinerinnen und Berliner unzufrieden.

Aber in einer parlamentarischen Demokratie geht es darum, für Mehrheiten zu sorgen und Koalitionen zu organisieren. Im Berliner Abgeordnetenhaus werden Sozialdemokraten, Grüne und Linke weiterhin eine Regierung bilden können. So bitter das für die CDU auch ist: In Berlin gibt es eine linke strukturelle Mehrheit.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wird versuchen, entweder mit den Sozialdemokraten oder mit den Grünen eine Koalition zu bilden. Aber wenn die SPD weiter die Regierung anführen kann, warum sollte sie dann Juniorpartner der CDU werden wollen? Und was die Grünen angeht: Der Wahlkampf hat die Gräben zur CDU noch tiefer gemacht, als sie ohnehin schon sind. Eine Koalition dürfte im linken Berliner Landesverband der Grünen kaum zu vermitteln sein. Und auch in der CDU dürfte sich die Begeisterung für ein solches Bündnis in Grenzen halten.

Mehr zum Thema

Von den drei möglichen Koalitionen trifft bei den Berlinerinnen und Berlinern keine auf große Gegenliebe - aber die bisherige Koalition ist die am wenigsten unbeliebte Konstellation. In Zahlen ausgedrückt: Laut den Meinungsforschern von Infratest dimap finden immerhin 38 Prozent der Befragten, dass ein rot-grün-rotes Bündnis eine "gute Koalition" sei. Schwarz-Rot kommt auf 30 Prozent, Schwarz-Grün nur auf 16 Prozent.

Das heißt nicht, dass die bisherige Koalition die beste Lösung für die Hauptstadt sein muss. Während in der Innenstadt die Grünen besonders stark sind, werden die Außenbezirke von der CDU dominiert. Vielleicht wäre Schwarz-Grün tatsächlich ein Experiment, das sich in Berlin lohnen würde. Aber Politik ist nun einmal die Kunst des Machbaren.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen