Person der Woche

Person der Woche Xi Jinping - Der China-Kracher

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Chinas Börsenkrach erschüttert nicht nur die Weltwirtschaft. Wenn der Ausverkauf nicht bald stoppt, dann wird es auch für die kommunistische Partei und ihren Staatspräsidenten eng. Denn der hat sein Volk in den Aktienkauf getrieben.

Der Börsenkrach in China nimmt dramatische Dimensionen an. Zum Wochenauftakt wurde ein Kapitalwert vernichtet, der der gesamten Wirtschaftsleistung Portugals, Irlands und Griechenlands zusammen entspricht. An nur einem Tag hat sich der Wert dreier kompletter Volkswirtschaften in Luft aufgelöst. Die Erschütterungen des Crashs sind rund um den Erdball zu spüren, überall zittern Anleger, China-Exporteure bangen um ihre Aufträge, die Rohstoffpreise sacken ab. Der Bloomberg Rohstoffindex ist auf den tiefsten Stand seit 2002 gestürzt. Schlagartig wird klar, wie klein die monatelangen Probleme Griechenlands doch waren im Vergleich zu dem, was sich in Fernost für die Weltkonjunktur zusammen braut. Denn Chinas Wirtschaft war jahrelang die Lokomotive der Weltwirtschaft, insbesondere deutsche Exporteure haben glänzend verdient. Doch nun scheint die große Party vorbei. Auslöser des Kursrutsches waren schlechte Konjunkturnachrichten am Freitag: Die Stimmung chinesischer Produzenten war laut einer Umfrage auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren gefallen.

Xi Jinping wurde 1953 in Peking geboren. Seit 2013 ist er Staatspräsident der Volksrepublik China.

Xi Jinping wurde 1953 in Peking geboren. Seit 2013 ist er Staatspräsident der Volksrepublik China.

(Foto: AP)

Für Chinas Politik wird der Börsenkrach brandgefährlich. Die alles bestimmende kommunistische Partei wirkt erschüttert - allen voran ihr Chef und Staatspräsident Xi Jinping. Denn es waren just Partei und Regierung, die die Chinesen massenhaft in Aktien getrieben haben. Die politische Führung wollte die Konjunktur ankurbeln und Vermögensbildung betreiben. Die Parteizeitung der Kommunisten "People's Daily" erklärte noch im April, dass der "Bullenmarkt erst begonnen" habe. Jeder Aktionär sei "Mitinhaber des chinesischen Traums". Mit solcher Propaganda entbrannte ein kollektives Spekulationsfieber, das von der Partei ausdrücklich befeuert wurde. Millionen von chinesischen Kleinverdienern investierten ihre Ersparnisse, nahmen obendrein Kredite auf und stiegen in der Börse ein. Nun verlieren sie alles. Kurzum: Die Partei schickte die kleinen Leute ins Verderben. Das könnte nun eine politische Krise auslösen - mit Staats- und Parteichef Xi Jinping im Zentrum.

Xi Jinping hatte sich zum Amtsantritt als Anwalt einer ehrlichen, soliden Politik ohne Korruptionen dargestellt. Im Juli 2013 proklamierte er ausgerechnet, dass "Chinas Wohlstand auf der Realwirtschaft basieren sollte, und nicht auf Blasen". Nun ist just eine von ihm selbst ausgelöste Blase sein Hauptproblem. Denn das Börsenfieber seit 2013 hieß unter Anlegern "Uncle Xi bull market."

Damit hängt nun das politische Schicksal des Präsidenten und seiner Parteien-Oligarchie an den Börsenkursen. Immer stärker greift darum die Führung in Peking mit Stützungsmaßnahmen in das Marktgeschehen ein. Im vergangenen Monat beschloss die Regierung ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um dem Kursverfall Einhalt zu gebieten. So wurden die Notierungen von 1400 Unternehmen kurzerhand vom Handel ausgesetzt. Es soll schlichtweg niemand mehr Aktien verkaufen dürfen. Gleichzeitig zapfte die Parteiführung die milliardenschweren Devisenreserven an, um damit an den Börsen in Shanghai und Shenzen Aktien zu kaufen, neue Kredite zu gewähren und die Kurse zu stützen. Onkel Xi musste den Tiger wieder einfangen, den er selbst zu reiten versucht hatte und von dem er schließlich abgeworfen wurde. 

Die Interventionen zeigten zunächst Wirkung. Doch nun droht ein weiterer Rückschlag. Dabei zeigt sich, dass just die politisch motivierten Interventionen den Börsenkrach eher noch verschlimmern. Denn mit den Staatseingriffen verlieren immer mehr Anleger das Vertrauen in das manipulierte Marktgeschehen - zumal die Regierung auch mit massiver Zensur kritische Berichte über das Börsengeschehen verhindern will. "Ein Markt, der geschlossen wird, wenn man verkaufen will, den der Staat mit Käufen manipuliert und über den man nicht frei reden und schreiben kann, ist einfach kein Markt. Das führt dazu, dass viele ausländische Investoren jetzt erst Recht ihr Kapital abziehen", erklärt ein hochrangiger Investmentstratege einer Großbank in Hongkong.

Vorwurf der persönlichen Bereicherung

Aus Sicht des früheren US-Finanzministers Henry Paulson steht China am Rande einer großen finanziellen und wirtschaftlichen Krise – und mahnt Reformen in Peking ein. Die Wirtschaft sei gewachsen und gereift, die Kapitalmärkte hinkten jedoch dieser Entwicklung deutlich hinterher. China werde die Krise nicht nur einen Rückfall in Staatsreglementierung überwinden, sondern dadurch die Probleme nur größer machen. 

Für Xi ist es mittlerweile eine politische Überlebensfrage, denn er droht das Vertrauen der Bevölkerung weithin zu verlieren. Seine Sicherheitsorgane reagieren bereits nervös. Eine Verhaftungswelle gegen Bürgerrechtsanwälte ist dafür ein Indiz. Die Schließung von Internetportalen ebenso. Das freilich untergräbt das Vertrauen in Markt und Recht weiter. Offenbar entfacht hinter den Kulissen ein Machtkampf zwischen liberalen Reformern und Falken, die die Macht der Partei wieder ausweiten wollen. Der Börsencrash beschädigt so oder so den Nimbus der kommunistischen Partei als Kümmerer und Aufschwunggaranten. Das politische System gerät damit aus der Balance, denn vor allem die aufstrebende Mittelschicht war den Rufen der Partei an die Börse gefolgt (häufig mit Krediten) und steht nun vor der Exitenzbedrohung. 

Die persönliche Glaubwürdigkeit des Präsidenten wird obendrein dadurch erschüttert, dass offenbar seine eigene Familie bei Börsengeschäften reichlich aktiv ist. 2012 veröffentlichte die Nachrichtenagentur Bloomberg eine Meldung, nach der die Familie Xi Jinpings durch Ausnutzung ihrer politischen Beziehungen ein Vermögen von mehreren hundert Millionen Dollar erworben habe. Vor einem Jahr wurde zudem bekannt, dass ein Schwager Xi Jinpings über Offshore-Unternehmen Gelder sogar ins Ausland verlagert habe. Alle Online-Seiten mit diesen Nachrichten, auch die entsprechende Internet-Site von Bloomberg, sind in China mittlerweile gesperrt. Er versucht eben rundherum, alles per Staatsmacht unter seine Kontrolle zu bringen. Doch die Börse macht da einfach nicht mit. Die fallenden Kurse sind inzwischen zum Jinping-Akzeptanzbarometer geworden.

Quelle: ntv.de

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