Sport

Jahrhundertvertrag fürs Einhorn Unbekanntester Superstar der Welt sprengt alle Rekorde

Shohei Otani ist ein "Einhorn".

Shohei Otani ist ein "Einhorn".

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Haben Sie schon einmal von Shohei Ohtani gehört? Nicht! Dann machen Sie sich keine Sorgen. Der 29-jährige Japaner ist der unbekannteste Superstar der Welt. Sein Wechsel von den Los Angeles Angels zu den Los Angeles Dodgers ist einer für die Geschichtsbücher des Sports. Aber wie geht das?

Vergangene Woche spielte die Baseball-Welt verrückt. Es war Freitag. Das MLB Network verkündete: Der nächste Arbeitgeber von Shohei Ohtani stehe kurz bevor. Wohin würde es gehen? Die Gerüchte waberten durch die Welt. Die Toronto Blue Jays, das einzige kanadische Team der MLB, hieß es, habe sehr gute Chancen, Ohtani unter Vertrag nehmen zu können. Es passierte das, was immer passiert: Baseballfans in der ganzen Welt wurden aufmerksam. Flugpläne wurden studiert. Alles hatte Bedeutung.

Eine angebliche Restaurantreservierung eines japanischen Spielers bei den Blue Jays in Toronto erhöhte den Blutdruck der Fans weiter. Und dann noch das: Ein Flugzeug machte sich auf den Weg von Los Angeles nach Toronto. Kein Halten mehr jetzt. Auch die amerikanischen Baseball-Journalisten ließen sich anstecken. Jon Morosi, ein im Allgemeinen sehr gut vernetzter Sportjournalist, bestätigte, dass sich Ohtani auf dem Weg nach Toronto befinde. Deal done?

Extrablatt! Extrablatt! In Japan dominierte Ohtanis Mega-Deal die Schlagzeilen.

Extrablatt! Extrablatt! In Japan dominierte Ohtanis Mega-Deal die Schlagzeilen.

(Foto: IMAGO/Kyodo News)

Ausgerechnet Toronto? Die Blue Jays? Ein Team, das in den vergangenen Jahren nicht auffällig geworden war, die prominentesten Spieler über die Grenze zu lotsen, sollte sich die Dienste des "Einhorns" sichern? Also des Spielers, der Leistungen bringt, die man in den vergangenen 100 Jahren nicht gesehen hat? Wer sollte das denn glauben?

700 Millionen im Baseball? Wie soll das denn gehen?

Nichtmal der Spieler selbst! Denn am Samstagabend verkündete Ohtani, der Most Valuable Player des Jahres 2023, auf seinem Instagram-Account sein neues Franchise. Die Los Angeles Dodgers! Die Stadt wird er nicht verlassen müssen, lief er doch in den letzten sechs Jahren für den Lokalrivalen, die Angels, auf.

700 Millionen Dollar lassen sich die Dodgers dieses Engagement für die nächsten zehn Jahre kosten. Der bisher höchste Vertrag, der in den vier großen Profi-Sportarten - Football, Eishockey, Basketball und Baseball - in den USA vergeben worden ist. Höher auch als der Betrag, den Golf-Profi Jon Rahm für seinen so umstrittenen Wechsel in die saudi-arabische Golfliga LIV bekommen hatte.

Wie kann es sein, dass solch ein Vertrag in der MLB, der Major League Baseball, möglich ist? Im Baseball, einem Sport, der doch, so unken es die Kritiker, im Sterben liegt. Weil er zu lang, zu uninteressant, zu actionarm ist. Einem Sport, der nach wie vor auf seine Tradition pocht, der wenig am Spiel verändert hat. Baseball ist kein Sport, der weltweit Beachtung findet. In den USA, in Mittelamerika, auch in Japan oder Südkorea sieht das anders aus. Aber fragen Sie mal in Europa nach. Niemand dort, außer ein paar Nerds, interessiert sich für diesen Sport.

Kein Salary Cap, dafür garantierte 81 Heimspiele

Die amerikanische Profiliga umfasst 30 Teams, 162 Spiele umfasst allein die reguläre Saison. Das bedeutet für jedes Team 81 Heimspiele. Jedes MLB-Team kann seine TV-Verträge selbst aushandeln. Die Los Angeles Dodgers, Ohtanis neues Team, haben 2013 einen 25-Jahres-Vertrag abgeschlossen, der ihnen eine Gesamtsumme von 8,5 Milliarden Dollar bringen wird. Im Jahr 2022 betrug der Umsatz der Dodgers 581 Millionen Dollar, in etwa 540 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der FC Bayern München machte im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 854,2 Millionen Euro.

So stolz ist Japan wirklich. Hier zelebriert das Land den MVP der abgelaufenen MLB-Saison.

So stolz ist Japan wirklich. Hier zelebriert das Land den MVP der abgelaufenen MLB-Saison.

(Foto: IMAGO/AFLOSPORT)

Dazu leistet sich die Liga den Verzicht auf eine Gehaltsobergrenze, wie sie in den anderen Top-Ligen der USA - namentlich der NHL, NBA und der NFL - üblich ist. Teams müssen eine Steuer, die sogenannte "Luxury Tax", bezahlen, wenn sie eine bestimmte Summe überschreiten. Doch sportliche Konsequenzen hat das nicht. Jede Diskussion über eine mögliche Obergrenze wird auch von der Spielergewerkschaft im Keim erstickt. Dessen Vorsitzender Tony Clark bekräftigte während der letzten Verhandlungen zum neuen Tarifvertrag, dem "Collective bargaining agreement", dass es mit ihm diese Grenze nicht geben würde. "Wir werden einem Salary Cap niemals zustimmen. Baseball geht es gut."

Entgegen jeglicher Horrorszenarien vom sterbenden Baseball entwickelt der Sport sich in der Tat recht günstig. Die Zuschauerzahlen im Jahr 2023 lagen 9,1 % höher als 2022. Auch wenn sie bei den Dodgers, dem Team mit den meisten Zuschauern bei etwas über 47.000 Zuschauern pro Spiel etwas zurückgingen. Warum aber kommen mehr Fans?

Bisheriger Rekord pulverisiert

Weil die Liga doch aktiv war. Sie hat die Regeln etwas justiert. Das Spiel wurde insgesamt schneller. Das durchschnittliche Spiel in der MLB war 2023 nach 2:40 Stunden zu Ende, 23 Minuten schneller als noch 2022 und unter der magischen Drei-Stunden-Marke, die von der NFL nicht erreicht wird. Dort dauert ein durchschnittliches Spiel etwas über drei Studen. "Americas favourite pastime" Amerikas liebster Zeitvertreib, ist für die Menschen wieder attraktiver geworden.

Das Trikot muss nun angepasst werden.

Das Trikot muss nun angepasst werden.

(Foto: IMAGO/AFLO)

Kritiker argumentieren, dass bei einem Verzicht auf eine Gehaltsobergrenze in der Liga wenig Parität entsteht, die reichsten Klubs also automatisch die Meisterschaft unter sich ausmachen. Der Fußball-Ansatz also mit der ewigen Falle der auseinandergehenden Scheren. Dagegen spricht, dass der Titel, die World Series, seit 2000 nicht mehr verteidigt wurde. Auch Teams aus kleineren Märkten wie die Kansas City Royals gewannen die Meisterschaft.

Der Vertrag von Ohtani ist trotz all dieser Faktoren für den Baseballsport mehr als ungewöhnlich. Den bisher höchstdotierten Vertrag hatte 2019 Mike Trout bei den Los Angeles Angels unterschrieben, Ohtanis bisherigem Team. Der 12-Jahres-Vertrag, der noch bis 2030 gilt, bringt Trout 426 Millionen Dollar ein, mehr als 270 Millionen Dollar weniger als der für Ohtani. Aber warum zahlen die Dodgers diese außergewöhnliche Summe an Shohei Ohtani?

Ohtani ist ein Jahrhundertspieler

Sie zahlen das Geld, weil die MLB einen Spieler wie Ohtani seit 100 Jahren nicht mehr gesehen hat. Seit dem legendären Babe Ruth, um genau zu sein. Ohtani kann sowohl in der Offensive als auch als Werfer eingesetzt werden. Und das gleichermaßen gut. Seine Statistiken gehören sowohl bei den Schlagmännern als auch bei den Pitchern zur Ligaspitze. In der nächsten Saison, der ersten seines neuen Monstervertrags, wird er das nicht beweisen können.

Babe Ruth in seiner letzten Saison bei den Boston Red Sox.

Babe Ruth in seiner letzten Saison bei den Boston Red Sox.

(Foto: imago/UIG)

Eine Ellbogen-Verletzung wird ihn dann daran hindern, als Werfer auf den Platz gehen zu können. Und doch ist sein Wert für die Marke Dodgers, für den Baseball an sich, kaum zu beziffern. Die Vergleiche mit Michael Jordan oder LeBron James sind nicht übertrieben. Das Ohtani-Jersey war das bestverkaufte der Liga 2022.

Ob sich die Summe für einen Spieler wie Ohtani lohnen wird, ist wohl keine Frage. Die Einschaltquoten in Japan waren während der letzten Saison sogar dann sehr gut, wenn Ohtani wie im September verletzt nicht spielen konnte. Bei den Angels war Werbung für japanische Firmen und Produkte allgegenwärtig. TV-Verträge mit Sendeanstalten außerhalb der USA werden im Übrigen nicht von den Teams ausgehandelt, sondern von der Liga direkt. Die profitiert von diesem Deal gleichermaßen.

Wer wirklich im Flieger nach Toronto saß

Ein Kniff sorgt dafür, dass die Dodgers nicht zehn Jahre lang 70 Millionen Dollar jährlich zahlen müssen. Große Teile des Gehalts werden auf die Zeit nach Vertragsende geschoben. So zahlt der Klub jetzt ein niedrigeres Gehalt, von "nur" 40 bis 50 Millionen Dollar im Jahr ist die Rede. Somit bleiben die Dodgers bei anderen Spielern handlungsfähig, müssen Ohtani aber noch weit nach dessen Karriereende jedes Jahr eine Summe zahlen. Eine ordentliche Summe. Derartige Verträge, in denen Gehälter aufgeschoben werden, sind nichts Neues. Das berühmteste Beispiel findet sich in New York.

Bobby Bonilla verdient immer noch sehr gutes Geld.

Bobby Bonilla verdient immer noch sehr gutes Geld.

(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

Jedes Jahr am 1. Juli feiern Fans des amerikanischen Baseballs im Allgemeinen und die der New York Mets im Speziellen den "Bobby Bonilla Day". Bonilla war Spieler der New York Mets, doch dachten die sich vor der Saison 2000, dass sie seine Dienste nicht mehr benötigen und entließen ihn. Da Verträge in der MLB aber garantiert sind, schuldeten sie ihm noch das Gehalt für das Jahr 2000, 5,9 Millionen Dollar. Die Mets und Bonilla verständigten sich darauf, dass sie das Gehalt mit 8 % Zinsen aufschieben. Ab 2011 wurden jedes Jahr knapp 1,2 Millionen Dollar an Bonilla überwiesen. Bis 2035 gilt die Vereinbarung. Bonilla wird dann 72 Jahre alt sein.

Im Flugzeug, das von Los Angeles nach Toronto aufgebrochen war, saß übrigens der kanadische Geschäftsmann Robert Herjavec, bekannt durch seine Teilnahme an der US-Serie Shark Tank, dem "Höhle der Löwen"-Ableger aus den USA. Er bedankte sich auf Instagram scherzhaft bei den Blue Jays für seinen neuen Vertrag. Die Welt hatte verrückt gespielt und herausgekommen war der größte Vertrag der Welt für den unbekanntesten Superstar der Welt.

Quelle: ntv.de

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