Fußball

"Kein Qualitätsmerkmal" Jugendwahn greift auf Bundesligatrainer über

Hannes Wolf ist in Stuttgart beliebt und erfolgreich. Mit 36 Jahren führte er den VfB zurück in die Bundesliga.

Hannes Wolf ist in Stuttgart beliebt und erfolgreich. Mit 36 Jahren führte er den VfB zurück in die Bundesliga.

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Nicht nur die Spieler, auch die Trainer in der Fußball-Bundesliga werden zunehmend jünger. Die Garde der alten Traditionstrainer hat offenbar langsam ausgedient. Doch der Trend sorgt auch für Kritik - vor allem beim ebenfalls bereits gereiften Peter Neururer.

Trend oder Zufall? Die Trainer in der Fußball-Bundesliga werden immer jünger. Die aufstrebende Garde steht bei den Klubs hoch im Kurs. Beispiele: Der 29-jährige Julian Nagelsmann von 1899 Hoffenheim, der nur zwei Jahre ältere Domenico Tedesco, der gerade beim FC Schalke angeheuert hat, und Hannes Wolf - mit 36 Jahren Aufstiegs-Trainer beim VfB Stuttgart.

Doch der Kult um die Newcomer sorgt auch für Unmut. "Aus den zwei, drei Fällen einen Jugendwahn zu machen, ist absoluter Schwachsinn. Genauso sind jetzt nicht alle Nagelsmänner", sagte der langjährige Bundesliga-Trainer Peter Neururer: "Jung zu sein, ist allein zunächst kein Qualitätsmerkmal."

Für den langjährigen Bundesliga-Coach Winfried Schäfer ist ohnehin die Rückendeckung im Klub am wichtigsten. "Helmut Grashoff (einstiger Manager von Borussia Mönchengladbach, d.Red.) hat immer gesagt: Ein Trainer ist nur so stark, wie ihn der Verein macht. In Gladbach hat es nie abwertende Worte über den Coach gegeben", betonte der 67-Jährige.

Youngster bedienen sich anderer Sprache

Neururer selbst wartet derweil seit seiner Demission beim Zweitligisten VfL Bochum vor drei Jahren auf ein neues Angebot. Für die erfahrenen Trainer wie Bruno Labbadia, Armin Veh, Thomas Schaaf oder auch Neururer wird es in Zeiten des Jugendwahns immer schwieriger, in den Job zurückzukehren.

Jürgen Klopp, gefeierter Coach beim FC Liverpool, spürt eine deutliche Veränderung in der Branche. "In den 1990er-Jahren gab es eine relativ kleine Gruppe von Trainern, die das große Glück hatten, sich die Bundesligavereine untereinander aufteilen zu dürfen", sagte Klopp den "Kicker": "Das ist heute definitiv anders." Die junge Gilde der "Laptop-Trainer" oder "Matchplan-Enthusiasten" verfügt in der Regel über ein enormes taktisches Vermögen. Nicht selten stellen die Youngster ihre Systeme während einer Partie drei- oder viermal um. Auch wird ihre Sprache häufig als klarer wahrgenommen. "Keine Phrasen, alles hat Tiefe", sagte Schalkes Manager Christian Heidel nach den ersten Gesprächen mit Tedesco.

"Ich kenne Tedesco nicht"

Doch an der Personalie Tedesco scheiden sich die Geister. Neururer hat so seine Zweifel. Die Schalker präsentierten den Deutsch-Italiener am Freitag als Nachfolger von Markus Weinzierl. "Das Neue an dem Fall Tedesco ist doch, dass da jemand ohne ausführlichen Arbeitsnachweis bei einem anderen Verein sofort zum Cheftrainer befördert wird", meinte Neururer. Tedesco arbeitete erst seit März in Aue als Chefcoach, rettete die Sachsen aber noch sensationell vor dem Abstieg in die 3. Liga. Zuvor war er beim VfB Stuttgart und 1899 Hoffenheim als Jugendtrainer aktiv. "Ich kenne Tedesco nicht, er hat zweifelsohne in Aue erfolgreiche Arbeit abgeliefert, aber wie will Manager Christian Heidel seine Qualität richtig einschätzen?", so Neururer.

An Heidel ließ Neururer eh kein gutes Haar. "Erst stellt er sich hin und sagt, Markus Weinzierl ist mein Wunschtrainer. Ein Jahr später entlässt er ihn ziemlich niveaulos und sagt, Tedesco wollte ich unbedingt haben. Da muss sich der Manager auch mal hinterfragen", forderte der 62-Jährige, von 1989 bis 1990 selbst Trainer der Königsblauen und seit vielen Jahren Mitglied im Klub. Günstiger sei es, so Neururer, wenn sich ein Trainer in einem Klub entwickeln könne, dort erst als Jugend- und Co-Trainer arbeitet, um später zum Cheftrainer aufzusteigen. In Bremen sei Alexander Nouri einen solchen Weg gegangen. "Das wusste man im Verein, wie er tickt."

Neururer betonte, dass der Jugendwahn in den Klubs auch kein neues Phänomen sei. "Dass 30-Jährige in den Beruf reinstoßen, gab es immer schon. Das war zu meiner Zeit bei Helmut Schulte, Christoph Daum und mir auch so", sagte Neururer und merkte süffisant an: "Die Frage ist, ob man in zehn Jahren auch noch drüber spricht."

Quelle: ntv.de, Nikolaj Stobbe, sid

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