Weltbild ist endgültig pleite Aufstieg und Fall des unzüchtigen Buchimperiums der katholischen Kirche
01.09.2024, 10:24 Uhr Artikel anhören
Das Spannungsfeld zwischen katholischer Tradition und Kommerz ließ sich bei Weltbild nicht auflösen.
(Foto: imago stock&people)
In diesen Tagen schließen die letzten Filialen der Buchhandelskette Weltbild. Sie waren einst Teil eines milliardenschweren Konzerns, der seinem Besitzer, der katholischen Kirche, so peinlich war, dass diese ihn schließlich loswerden wollte.
Es ist ein Machtwort des Papstes, das der rasanten Expansion des katholischen Bücher-Imperiums in Deutschland ein Ende setzt. 2011 verlangt Benedikt XVI. von den deutschen Bischöfen "die Verbreitung von Material erotischen oder pornografischen Inhalts, gerade auch über das Internet" unverzüglich zu beenden. Gemeint ist damit, das Angebot des Weltbild-Konzerns. Der ist zu der Zeit zweitgrößter Buchhändler des Landes mit mehr als 400 Filialen und dem zeitweise führenden Versand- und Internetangebot der Branche. Besitzer des Unternehmens sind die deutsche Bischofskonferenz, mehrere einzelne Bistümer sowie die katholische Soldatenseelsorge.
Diesen Gesellschaftern ist es hochnotpeinlich, als etwa im Fachmagazin "Buchreport" berichtet wird, dass die Suche nach dem Stichwort "Erotik" nicht weniger als 2500 Treffer im Weltbild-Angebot ausspuckt. Versuche, dieses Unternehmertum im 21. Jahrhundert mit den Wertvorstellungen Benedikts und anderer konservativer Kirchenvertreter in Einklang zu bringen, scheitern ebenso wie der Versuch, den Konzern zu verkaufen. Erst als Weltbild 2014 in die Pleite rutscht, werden die Bischöfe ihr unzüchtiges Tochterunternehmen los. Ein neuer Eigner übernimmt einen Teil der Filialen und den Onlinehandel, die nun nach einer weiteren Insolvenz endgültig abgewickelt werden.
Mit einer Zeitschrift fing alles an
Gegründet wird der spätere Konzern 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gibt unter Beteiligung des katholischen Männerwerks zunächst eine einzelne Zeitschrift namens "Mann in der Zeit" heraus. Diese wird später in "Weltbild" umbenannt und, während sich aus dem kleinen Verlag ein Konzern entwickelt, zum Namen für das ganze Unternehmen. Richtig Fahrt nimmt die Expansion auf, nachdem 1975 der Niederländer Carel Halff die Geschäftsführung übernimmt. Als er seinen Posten antritt, setzen der streng katholische Verlag und der inzwischen dazugehörende Bücher-Versand 600.000 Mark um pro Jahr. Als Halff knapp 40 Jahre später das Unternehmen - nicht zuletzt wegen des ungelösten Konflikts zwischen Kommerz und katholischen Wertvorstellungen - verlässt, beträgt der Jahresumsatz 1,6 Milliarden Euro.
Durch Zukäufe, Beteiligungen und Kooperationen hat Halff ein kaum überschaubares Konglomerat erschaffen. Online und in stationären Filialen werden neben Büchern und Zeitschriften unter anderem auch Werkzeuge, Gartenbedarf und Babymode vertrieben. Marken wie Tausendkind, Joker und buecher.de gehören zu der Gruppe. Auch der Verlag bekommt mehrere Tochtergesellschaften. Der Konzern expandiert nach Polen, die Niederlande und nach Russland. Viele dieser Aktivitäten sind Partnerschaften etwa mit dem Buchhändler Hugendubel, der Verlagsgruppe Holtzbrinck, Burda oder der Deutschen Telekom.
In Medienberichten wird später auch eine fehlende "Fokussierung" auf einen Markenkern als ein Grund für den Niedergang von Weltbild genannt. Der beginnt mit ersten Schwierigkeiten in der Weltfinanzkrise 2008. Gleichzeitig tritt Amazon als immer mächtigerer Wettbewerber auf. Während die Geschäfte schlechter laufen, wird die kirchliche Kritik an dem eigenen Unternehmen lauter. "Es geht nicht, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen", sagt etwa der damalige Kölner Kardinal Joachim Meisner. Taten folgen diesem Unmut zunächst nicht - bis der Papst sich persönlich einschaltet.
"Sex sells" auch bei Weltbild
Alle anstößigen Titel einfach aus dem Weltbild-Angebot zu entfernen, erweist sich allerdings als nicht praktikabel. Zum einen kann ein Buchhändler in dieser Zeit kaum auf Umsatzbringer wie Charlotte Roches "Feuchtgebiete" oder den US-Bestseller "Fifty Shades of Grey" verzichten, zum anderen sind es Teile des Weltbilds-Programms, etwa online vertriebene Zeitschriften und E-Books, Partnerschaften mit weltlichen Unternehmen, die weiter auch am Verkauf erotischer Titel verdienen möchten. Die Bischöfe wollen die Unternehmensgruppe, deren finanzielle Schwierigkeiten gleichzeitig immer größer werden, schließlich loswerden. Da sich ein passender Käufer nicht finden lässt, soll Weltbild in eine unabhängige Stiftung umgewandelt werden.
Doch bevor dieser Plan umgesetzt werden kann, muss Weltbild Anfang 2014 Insolvenz anmelden. Zwar sind die Bischöfe ihr Problemunternehmen nun los, nicht aber den Ärger damit. Betriebsrat und Gewerkschaften werfen den Gottesmännern vor, sich aus ihrer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gestohlen zu haben, indem sie der unliebsamen Firma "den Stecker gezogen" hätten. Die Entscheidung, die vom Insolvenzverwalter für eine Sanierung veranschlagten 120 Millionen Euro an zusätzlichem Kapitalbedarf nicht aus Bistumsmitteln zuzuschießen, begründete der damalige Münchener Erzbischof mit seiner "Verantwortung für die Kirchensteuerzahler".
Für einen Großteil der Unternehmensgruppe und der mehr als 6000 Mitarbeiter ist damit Schluss. Einige, damals noch profitable Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie der Onlinehandel übernimmt Dienstleistungskonzern Droege. Zehn Jahre lang bleibt die Marke Weltbild noch erhalten, bis auch der neue Eigner den Kampf gegen Einzelhandelskrise und Amazon aufgeben muss.
Im Zuge der zweiten Insolvenz werden derzeit die letzten Reste, des einstigen Verlags- und Buchhandelsriesen, abgewickelt. Der Internet-Handel ist bereits nicht mehr erreichbar. In diesen Tagen sollen die allerletzten Weltbild-Lieferungen bei den Bestellern eintreffen. Einige Filialen wickeln noch Räumungsverkäufe ab - dann wird die Marke Weltbild aus den deutschen Innenstädten verschwunden sein. Die letzten rund 440 Mitarbeiter sollen im September ihre Kündigung erhalten. Eine "dauerhafte und nachhaltige Betriebsfortführung" sei nicht möglich, heißt es von der Geschäftsführung. "Immense Kostensteigerungen" und ein durch "neue aggressive Anbieter" verschärfter Wettbewerb werden als Gründe für das endgültige Aus angeführt.
Quelle: ntv.de