"Industrielles Kronjuwel" Bund will angeschlagene Meyer Werft retten
22.08.2024, 13:56 Uhr Artikel anhören
"Wenn alle mitziehen - und daran habe ich keinen Zweifel - dann trägt der Bund seinen Teil zur Lösung bei", sagt Bundeskanzler Scholz.
(Foto: dpa)
Die Meyer Werft in Papenburg hat volle Auftragsbücher - und kämpft dennoch ums Überleben. Bund, Land und Eigentümer ringen um eine Lösung. Vor der Belegschaft sichert Kanzler Scholz nun Staatshilfe zu. Allerdings müssen auch andere ihren Beitrag leisten.
Der Bund wird die um ihre Existenz kämpfenden Meyer Werft retten."Wenn alle mitziehen - und daran habe ich keinen Zweifel - dann trägt der Bund seinen Teil zur Lösung bei", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Betriebsversammlung in Papenburg. Es seien noch Details zu klären, weil noch die Zustimmung des Bundestages und der EU-Kommission fehlten. "Aber der Bund trägt einen Teil der Lösung mit", versicherte der SPD-Politiker. Die Werft beschäftigt rund 3300 Menschen, über Zulieferbetriebe sind mehrere tausend weitere Arbeitsplätze indirekt von dem Unternehmen abhängig.
Der Bund, das Land Niedersachsen und die Eigentümer hätten in den vergangenen Wochen mit den Banken verhandelt, sagte der Kanzler. "Wir lassen die Meyer Werft nicht allein." Die Werft sei nicht irgendein Unternehmen, sondern ein "industrielles Kronjuwel", dessen Problem auch nicht in der Qualität seiner Produkte liege. Scholz bezeichnete die Werft zudem als systemrelevant für die maritime Wirtschaft in Deutschland. Dies gilt als eine Voraussetzung dafür, dass die EU-Kommission den staatlichen Beihilfen zustimmt. "Ich bin sicher: Es geht weiter mit der Meyer Werft hier in Papenburg. Meine Unterstützung habt Ihr", betonte der Kanzler.
Zuvor hatte sich schon Wirtschaftsminister Robert Habeck optimistisch gezeigt, dass die Werft gerettet werden kann. Die staatliche Rettung sei "in greifbarer Nähe". Es sei in den vergangenen Wochen "intensiv an Lösungen gearbeitet" worden, sagte er nach Angaben seines Ministeriums am Rande einer Veranstaltung. "Und Lösungen sind möglich."
Bund und Länder werden nach Angaben von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mit Sicherheiten und Eigenkapital helfen. "Der Ball ist noch nicht im Tor", sagte der SPD-Politiker bei der Betriebsversammlung. Aber es werde hart an der finalen Lösung gearbeitet.
"Wir planen ein massives Engagement", sagte er mit Bezug auf Niedersachsen, nannte aber keine Zahlen. Es handele sich um das größte Engagement, dass das Land Niedersachsen jemals für die Rettung eines Unternehmens übernommen habe. "Wir stehen an der Seite der Meyer Werft", betonte der Ministerpräsident. Das Konzept zur Rettung sei gut.
Größter Auftrag der Unternehmensgeschichte
Die Werft habe eine "ganz starke Zukunft", sagte Weil und verwies auf die vollen Auftragsbücher von elf Milliarden Euro. Erst vor wenigen Tagen wurde der größte Auftrag der Unternehmensgeschichte über vier Kreuzfahrtschiffe für den US-amerikanischen Disney-Konzern abgeschlossen. Kürzlich wurde auch mit dem Bau von Konvertern begonnen, die für die Weiterleitung des auf hoher See erzeugten Windstroms auf das Land notwendig sind.
Der SPD-Politiker sprach sich dafür aus, dass auch Firmenpatriarch Bernard Meyer an Bord bleiben sollte. Das Unternehmen zahle jährlich eine halbe Milliarde Euro an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und sei von entscheidender Bedeutung für das ganze Emsland. "Ich habe kein schlechtes Gewissen, ein solches Unternehmen zu retten", sagte Weil. Ein Aus der Werft wäre für die Region und auch darüber hinaus gravierend. Bis zu 18.000 Beschäftigte sind früher veröffentlichten Zahlen zufolge direkt und indirekt von der Werft abhängig.
Wegen des weltweit zusammengebrochenen Tourismus-Marktes während der Pandemie hatte die Werft in Absprache mit ihren Kunden bestehende Aufträge zeitlich gestreckt. Allerdings sehen die Verträge keine Preisanpassungen an die inzwischen drastisch gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise vor. Wegen der Verluste war aus Sicht der Banken die Kreditwürdigkeit des Unternehmens nicht mehr gegeben. Im Schiffsbau werden 80 Prozent des Kaufpreises erst bei Ablieferung des Schiffes bezahlt. Den Bau muss die Werft daher zwischenfinanzieren. Bis 2027 benötigt die Werft fast 2,8 Milliarden Euro.
Die Gewerkschaft IG Metall begrüßte den Einsatz der Bundes- und Landesregierung als "vorbildliche Industriepolitik, die wichtige Teile des Schiffbaus in Deutschland sichert". Berlin und Hannover "geben der Werft und seinen Beschäftigten eine riesige Chance für einen Neuanfang, die nun genutzt werden muss", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa/AFP