Druck auf Bankenbranche Credit Suisse steht weiter im Sturm - Krisentreffen der EZB
17.03.2023, 17:01 Uhr
Inzwischen wird selbst über einen Zusammenschluss der Credit Suisse mit einer anderen Schweizer Großbank spekuliert.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Mit mehreren Rettungsaktionen versuchen Aufseher und Großbanken, die Branche in Europa und den USA zu stabilisieren. Doch das Vertrauen der Anleger kehrt zumindest bei den Problemkindern noch nicht zurück. Derweil bemühen sich Politik und Notenbanken, Vergleiche zur Finanzkrise im Keim zu ersticken.
Die Schweizer Großbank Credit Suisse steht trotz eines milliardenschweren Stützungspakets schon wieder unter Druck. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht trotz der Branchenturbulenzen aber keine Gefahr einer neuen großen Krise in Deutschland und Europa. Das Geldsystem sei nicht mehr so fragil, sagte er dem "Handelsblatt" und ergänzte, dass die Einlagen deutscher Sparer sicher seien. Die EZB-Bankenaufsicht traf sich zu einer Sondersitzung, um sich mit den Problemen zu befassen. Derweil bleibt die Lage auch in den USA nach einer konzertierten Hilfsaktion großer Geldhäuser für eine taumelnde Regionalbank angespannt.
In den USA erhielt die Regionalbank First Republic angesichts von Liquiditätssorgen und heftigen Kursverlusten eine insgesamt 30 Milliarden Dollar schwere Finanzspritze von den größten US-Geldhäusern, darunter JP Morgan Chase, Citigroup, Bank of America und Wells Fargo. Der Schritt sei "höchst willkommen" und demonstriere die Widerstandskraft des Bankensystems, hieß es in einer Mitteilung von Finanzministerium und Notenbank Federal Reserve. Die 1985 gegründete Regionalbank war im Zuge des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank (SVB) in Bedrängnis geraten. Die Bank ist nach Einlagen die Nummer 14 des Landes und kümmert sich um Privatkundengeschäfte und Vermögensverwaltung. Sie hat eine eher wohlhabende Kundschaft, die laut Experten ihr Geld womöglich lieber in großen und sicheren Banken anlegt, die als "too big to fail" eingestuft sind. Vorbörslich ging es für die First Republic Bank um weitere 20 Prozent nach unten.
Experte: Umfang der Abflüsse ist Schlüsselfrage
Übergeordnet bleibt an der Börse die Nervosität hoch: Die Aktien der Credit Suisse gingen erneut auf Talfahrt und rutschten zeitweise wieder zweistellig bis auf 1,767 Franken ab. Die Schweizerische Nationalbank hatte dem kriselnden Finanzkonzern ein Hilfspaket in Form von Krediten von bis zu 50 Milliarden Franken (knapp 51 Milliarden) zur Verfügung gestellt. Doch die Maßnahme sorgte bei Credit-Suisse-Aktionären nur vorübergehend für Beruhigung, auch wenn der Kurs noch etwas vom Rekordtief bei 1,55 Franken vom Mittwoch entfernt blieb.
"Das Grundproblem der Credit Suisse bleibt das mangelnde Vertrauen der Kunden", erklärte Analyst Daniel Bosshard von der Luzerner Kantonalbank. Allein am Dienstag und am Mittwoch zogen Kunden aus Fonds der Bank nach Daten von Morningstar Direct insgesamt mehr als 465 Millionen Dollar ab. "Ob die Einleger ausreichend beruhigt sind, um die Abflüsse in den nächsten Tagen einzudämmen, ist unserer Ansicht nach eine Schlüsselfrage", sagte Frédérique Carrier, Leiterin der Anlagestrategie bei RBC Wealth Management. Wenn sich die Lage nicht stabilisieren sollte, halten Experten Staatshilfen oder eine Übernahme für mögliche nächste Schritte.
Am Vortag hatte Bloomberg berichtet, dass Credit Suisse und die Schweizer Großbank UBS einen Zwangszusammenschluss ablehnten. Die UBS ziehe es vor, sich auf ihre bestehende Strategie zu konzentrieren und zögere, Risiken im Zusammenhang mit der krisengeplagten Credit Suisse einzugehen, hieß es mit Bezug auf Insider. Credit Suisse wolle sich Zeit lassen, die Wende aus eigener Kraft zu schaffen.
Für neuerliche Verunsicherung bei den Credit-Suisse -Anlegern sorgte unterdessen die Meldung, dass DBRS Morningstar als erste globale Ratingagentur das Rating der Bank auf "BBB" gesenkt hat. DBRS verwies auf eine Schwächung des Instituts durch anhaltende Fehltritte und Compliance-Verstöße. Man mache sich Sorgen, ob es Credit Suisse gelinge, "das Vertrauen der Stakeholder wiederherzustellen". In den USA sieht sich die Bank unterdessen mit einer Klage von Aktionären konfrontiert, die ihr vorwerfen, finanzielle Probleme verheimlicht zu haben.
EZB sieht offenbar kein Systemrisiko
Die Turbulenzen rufen derweil auch die EZB-Bankenaufseher auf den Plan. Einem Insider zufolge sehen sie die Stabilität der Branche in der Eurozone aber nicht beeinträchtigt. Die Einlagen bei den Instituten seien stabil geblieben, sagte der Insider nach einer Sondersitzung des Gremiums. Die Kontrolleure hätten keine Ansteckung von Geldhäusern des Währungsraums durch die jüngsten Börsenturbulenzen ausgemacht. Zudem seien die Aufseher informiert worden, dass die Risikopositionen der Banken gegenüber der Credit Suisse unwesentlich seien, sagte der Insider. Die Credit-Suisse-Aktien beschleunigten daraufhin ihre Talfahrt und notierten elf Prozent im Minus. Die EZB ist seit Herbst 2014 für die Kontrolle der großen Geldhäuser im Euroraum zuständig.
Wie angespannt die Situation im US-Bankensektor zuletzt war, hatte sich am Vortag an Daten der Notenbank gezeigt: In den sieben Tagen bis 15. März gab die Fed über ihr als Diskontfenster bezeichnetes Programm zur Notliquiditätsversorgung die Rekordsumme von fast 153 Milliarden Dollar an Finanzinstitute aus. Damit wurde der bisherige Höchstwert von 111 Milliarden Dollar aus der Finanzkrise 2008 übertroffen. Zum Vergleich: In der Vorwoche hatten die Banken lediglich knapp 4,6 Milliarden Dollar aus dem Diskontfenster beansprucht. Zusätzliche 11,9 Milliarden Dollar flossen aus dem am Sonntag von der Fed eingerichteten Notfallprogramm "Bank Term Funding Program", über das Banken anonym Kredite zu besonders günstigen Konditionen erhalten.
Seit Tagen bemüht sich die US-Regierung, die Lage zu entspannen - bislang hält sich der Erfolg in Grenzen. Nach dem Zusammenbruch der SVP hatte die US-Regierung am Wochenende mit einer weitreichenden Einlagengarantie versucht, die Nerven von Bankkunden im Land zu beruhigen. Am gestrigen Donnerstag betonte Finanzministerin Janet Yellen bei einer Kongressanhörung in Washington erneut, dass das Bankensystem stabil und sicher bleibe und kein Grund zur Sorge um Einlagen bestehe.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts/DJ