Wirtschaft

Sinnlose Appelle an Verbraucher Der Konsument kann den Bauern nicht helfen

Aus dem Verkauf kommen die meisten Arbeitslosen. Foto: Jens Büttner

Wieviel der Käufer im Laden auch bezahlt, die Erzeugerpreise werden anderswo ausgehandelt.

(Foto: dpa)

Nicht nur der Milchmarkt ist aus den Fugen geraten. Für günstige Produkte in deutschen Läden müssen oft Menschen am anderen Ende der Produktionskette leiden - Textilarbeiter in Bangladesch etwa. Die Käufer können das nicht einfach ändern.

Einfach mal zur "teureren Milch" im Regal greifen, ein paar Cent mehr ausgeben und damit den Milchbauern aus ihrer Misere helfen. Diese Forderung wird auch in der politischen Diskussion um die niedrigen Milchpreise wieder erhoben. Der Verbraucher, der einfach das billigste Produkt wähle, trage eine Mitschuld, so die Logik. "Wenn man sich ein Smartphone leisten kann, dann kann man sich auch einen Liter Milch leisten, der vielleicht 10, 20 Cent teurer ist", argumentierte etwa die Lebensgefährtin unseres Bundespräsidenten, Daniela Schadt, anlässlich eines Bauernhofbesuchs in einem WDR-Interview. Auch Verbraucher könnten so ihren Teil dazu beitragen, dass sich die schwierige Situation der Milchbauern verbessere. Können sie eben nicht!

Die Idee, dass der Verbraucher verantwortlich ist, wenn jemand am anderen Ende einer Produktionskette unter niedrigen Preisen eines bestimmten Produktes leidet, ist ebenso alt wie irreführend. Sie wird bei Milch, bei Supermarktfleisch aus Massentierhaltung und seit Jahren bei Kleidung, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in armen Ländern produziert wird, vorgebracht. In allen Fällen ist sie falsch, denn sie lässt die grundlegende Funktionsweise der Marktwirtschaft außer Acht.

Der Verbraucher kann die Erzeugerpreise für ein Produkt - beispielweise einen Liter herkömmlich erzeugte deutsche Milch -  nicht durch sein Kaufverhalten beeinflussen. Greift der Konsument statt zur billigsten zu einer der zahlreichen Marken-Milchtüten und zahlt dafür deutlich mehr, tut er dem Handel und den Molkereien einen Gefallen. Doch die haben in einer Marktwirtschaft keinen Anreiz dafür, ihre höheren Einnahmen an ihre Lieferanten weiterzugeben - für ein Produkt, dass ihnen im Überfluss angeboten wird. Wirtschaftlich viel lohnender ist es, das Geld in Marketing und andere Investitionen zu stecken, um das eigene Wachstum voranzutreiben.

Nicht immer gibt es ethische Alternativen

Genauso funktioniert auch der Textilmarkt. Mehrfach haben Nichtregierungsorganisationen nachgewiesen, dass teure Marken-Kleidung weitgehend unter denselben Bedingungen produziert werden wie die Billig-Klamotten der vielgescholtenen Discounter Primark oder Kik.

Der Verbraucher kann durch die Wahl zwischen teuer und billig im Geschäft die Erzeugerpreise nicht beeinflussen. Er kann höchstens, sofern es eine Alternative gibt, entscheiden, dass er ein Produkt aus Gewissensgründen gar nicht mehr kaufen möchte. Bei Kleidung gibt bisher kaum Alternativen. Statt herkömmlicher Milch könnte ein verantwortungsbewusster Verbraucher etwa auf die etwas teurere Biomilch umsteigen - ein anderes Produkt von anderen Erzeugern, die zuletzt allerdings auch unter Preisdruck geraten sind. Mit seinem Boykott der herkömmlichen Milch würde der Konsument zunächst die notleidenden Bauern, denen er ja helfen will, in die Pleite treiben. Langfristig jedoch könnte er ihnen eine Alternative für ihr unwirtschaftliches Geschäftsmodell schaffen. Den von Frau Schadt, Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und anderen erhofften Effekt, den "zu niedrigen" Preis für das derzeitige Problemprodukt Milch anzuheben, erzielt ein verantwortungsbewusster Verbraucher mit seiner Mehrausgabe für Biomilch jedenfalls nicht.

Die Milchpreise ebenso wie die Löhne in den Textilfabriken in Bangladesch und anderen Entwicklungsländern entstehen durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zwischen Bauern, Milchindustrie und Handel beziehungsweise auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt. Es spricht viel dafür, dass dieses Märkte versagen und ein politisches Eingreifen notwendig ist. Der deutsche Verbraucher kann das nicht leisten.

Quelle: ntv.de

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