Die Welt ist nicht genug Die Erfolgsgeheimnisse von Tesla
23.04.2022, 12:37 Uhr
Visionär, Tausendsassa, erfolgreich: Elon Musk, Gründer und Chef von Tesla.
(Foto: picture alliance/AP Photo)
Sein Name ist Musk, Elon Musk. Er ist Elektroauto-Pionier und reichster Mann der Welt. Er ist nur einer der Erfolgsfaktoren von Tesla – wenn wohl auch der entscheidende.
Hätte, hätte, Fahrradkette, aber: Hätte man um die Jahrtausendwende einen altgedienten Automobil-Ökonomen gefragt, ob er es für möglich halte, dass eine völlig neue Automarke samt neuartigem Antriebskonzept innerhalb von lediglich 20 Jahren zum elektromobilen Branchenprimus und zum mit Abstand wertvollsten Autokonzern der Welt wird, die Antwort wäre eindeutig ausgefallen. Ein klares Nein. Aber die Geschichte zeigt: Genauso ist es geschehen. Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich.
Der Macher hinter dem Ganzen ist gerade einmal 50 Jahre alt, in Südafrika zur Welt gekommen und heißt Elon Musk. Was die Frage nach den Erfolgsgeheimnissen aufwirft. Rückblickend gibt es derer drei: Zum einen die Person Musk selber als treibende Kraft hinter der Tesla-Geschichte. Zum zweiten ein komplett neuer Technikansatz beim Automobil als Transport- und Beförderungsmittel, klimafreundlich auf Elektrobasis und nur mit Batteriestrom betrieben. Und zum dritten eine völlig neue Definition der automobilen Wertschöpfungskette.
Es begann mit Paypal
Bevor Musk sich der Elektrifizierung und dem Bau von Automobilen zuwandte, hatte er beruflich zu diesem mehr als 100 Jahre lang auf fossiler Verbrennung und Gesetzen der Mechanik beruhenden Gefährt ein Verhältnis wie Gasthof zu Gustav, nämlich keines. Musk war von frühester Jugend an Elektronik- und IT-Freak. Er packte als Erster die Möglichkeiten der elektronischen Speicherung und Datenübertragung in kommerzfähige Dienstleistungssysteme - und er vermarktete sie auch erfolgreich. Die Entwicklung und der spätere Verkauf des Bezahlsystems Paypal sind dafür der Beweis. Der Verkauf Paypals 2002 war der erste Schritt auf Musks Weg zum Milliardär.
Dass Musk ein ungewöhnliches Talent dafür hat, mit seinen profunden IT- und Elektronik-Kenntnissen zur richtigen Zeit und mit einer richtigen Idee bahnbrechende Veränderungen anzustoßen, beweist er mit dem Einstieg ins Automobilgeschäft. Folgend dem James-Bond-Motto "Die Welt ist nicht genug" gründete er darauf rastlos und umtriebig die Raumfahrtfirma SpaceX, die inzwischen erfolgreich den Bau der ersten wiederverwertbaren Weltraumraketen betreibt. Dazu kommt die Tiefbaufirma The Boring Company, die Tunnelsysteme unter Städten wie Las Vegas bauen soll. Dann ist da noch die Firma Neuralink, deren Forschung Behinderten helfen soll, mit Chips im Kopf Gehirnströme in Computerbefehle umzuwandeln, um so Prothesen zu steuern. Daneben widmet sich Musk der Entwicklung hyperschneller Beförderungsmittel durch Röhren - und der Spekulation in und mit Kryptowährungen.
Visionär - mit genug Geld
So gesehen ist Musk ein technologischer Visionär, vergleichbar mit historischen Gestalten wie Leonardo Da Vinci oder Jules Verne, die sich ständig etwas Neues für die Menschheit ausdachten. Nur mit dem Unterschied, dass Musk, gestützt auf seine Eigenmittel und ein völlig anderes technologisches Spektrum und Umfeld, immer wieder Aktionäre als Geldgeber fand. Musks Visionen wurden so Wirklichkeit.
Der jüngste Coup: die geplante Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter. Musk will sich das "eigene" soziale Netzwerk aktuell bis zu 43 Milliarden Dollar kosten lassen.
Kein Daniel Düsentrieb
In Summe ist die Person Elon Musk für Medien, Konkurrenten und Fans ein Rätsel und nicht leicht zu dechiffrieren. Er selbst hat zugegeben, dass er an einer seltenen Krankheit - dem Asperger-Syndrom - leidet, einer Art "hochfunktionierender Autismus". Ob das ihn als Milliardär dazu bringt, bei ernsthaften Problemen beim Anlauf neuer, Gigafactories genannter Werke auf den Dächern seiner Baustellen tagelang zu nächtigen, ist offen. Bei Männern aus der Führungselite der "alten" Autoindustrie ist dies bis zum heutigen Tage eine kaum denkbare Vorstellung.
Musk ist kein Erfinder im klassischen Sinne, neudeutsch könnte man ihn als "Innovator" bezeichnen, als Neuerer. Gegenüber Erfindern in der Menschheitsgeschichte besteht ein wesentlicher Unterschied: Musk hat weder die Elektrizität noch den Elektro- oder Raketenantrieb oder die Batterie als Speichermedium erfunden. Er setzt vielmehr die neuartigen elektronischen Mittel und Möglichkeiten und Materialien ein, um Dienstleistungen oder Industriegüter neu zu definieren. Musk ist ein "evolutionärer Anwender" neuer technischer Möglichkeiten und Verfahren. Er ist ein "schöpferischer Zerstörer" im Sinne Joseph Schumpeters. Sein Elektroauto Tesla ist Kind dieser Einstellung.
Prima Klima?
Musk hat mit Tesla das Automobil als Kommunikationsinstrument auf vier Rädern zwar völlig neu gedacht und gebaut. Allerdings: Ohne die aufkommende öffentliche Diskussion um die Klimakrise und den schädlichen CO2-Ausstoß der globalen Verbrennerflotte wäre es trotz allem nicht zum Erfolgszug der Elektromobilität und der Pionier-Marke Tesla gekommen. Das drohende Verbot von Verbrennerautos in allen Industriestaaten hat für gewaltigen Rückenwind gesorgt.
Musk selbst hat wiederholt auf seine Umweltvision der Klimarettung als treibende Kraft für die "Erfindung" seines Tesla-Elektroautos hingewiesen. Aber so ganz glaubhaft ist das nicht. Denn er hat sich weder um die Bereitstellung von "grünem" Strom für seine Elektroautos gekümmert noch um die Umwelt- und Schürfschäden, die mit dem massenhaften Abbau der notwendigen Batterierohstoffe, meistens selten und häufig unsozial, entstehen, noch um ein umweltfreundliches "grünes" Recycling der ausgedienten Batterien.
Musk hat nicht nur das klassische Automobil revolutioniert, er hat auch die automobile Wertschöpfungskette neu gedacht. Für ihn fängt die Wertschöpfungskette nicht beim Zulieferer XYZ an und hört nicht beim Handel oder beim Verkäufer auf. Musk denkt in "System-Wirkungsketten": Auf der Verkaufsseite hat Tesla ein eigenes Tankstellennetz zu Schnellladung der Kunden-Elektroautos von vornherein mit eingeplant. Ob der Strom dabei "grün" oder "schmutzig" ist, spielt keine Rolle, Hauptsache, die Tesla-Kunden haben Strom und können schnell laden. Auf der Produktionsseite hat Musk die Beschaffung ganz weit vorangetrieben und sich nicht nur um klassische Zuliefer-Bauteile gekümmert, sondern auch um die Bereitstellung notweniger Elektronik-spezifischer Bauteile in Form von Speicherchips oder um seltene Rohstoffe für den Bau seiner Hochleistungsbatterien. Umtriebig hat er sich stets um eine sichere langfristige Versorgung seiner Giga-Fabriken (auch in Grünheide) mit den notwendigen Rohstoffen Nickel, Kobalt et cetera gekümmert.
So kaufte Tesla im Herbst 2021 zehntausende Tonnen Nickel aus der Community-Mine in Neukaledonien. Aus China, dem wichtigsten Absatzmarkt Teslas, kommen ebenfalls Rohstoffe: Tesla sichert sich tausende Tonnen Akku-Nickel durch ein Projekt in Minnesota mit der Firma Talon Metals. Tesla hat den Kauf von 75.000 Tonnen zugesagt und zudem ein Vorkaufsrecht auf darüber hinausgehende Mengen.
Aus der bisherigen Vorgehensweise Musks könnte man den Schluss ziehen, dass die Versorgung seiner Fabriken durch Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen vorerst nicht nachhaltig behindert ist - im Gegensatz zu den deutschen Wettbewerbern, die zusätzlich unter dem anhaltenden Chipmangel leiden. Allerdings: Wie das aktuelle Lockdown-Beispiel in Shanghai zeigt, ist auch Musk gegen Schließung seiner Fabrik auf behördliche Anweisung nicht gefeit.
Quelle: ntv.de