Wirtschaft

Verbandschef über Heizungsstreit"Die Wärmepumpe ist zum meistverkauften Heizsystem geworden"

28.11.2025, 16:25 Uhr DSC8670-Edit-3-7Christian Herrmann
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Die Wärmepumpe ist deutsche Wertarbeit. Und zum Heizen längst keine Ausnahme mehr: Allein in diesem Jahr werden ungefähr 300.000 Geräte verkauft. Nächstes Jahr wahrscheinlich noch einmal deutlich mehr. (Foto: picture alliance / imageBROKER)

Die Ansage der Union ist eindeutig: Das Heizungsgesetz wird abgeschafft. So steht es im Koalitionsvertrag. Nach sechs Monaten Schwarz-Rot verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass der große Zankapfel der Ampel funktioniert. "Die Heizungsbauer sind gegen die Abschaffung. Die Handwerker auch", sagt Martin Sabel vom Bundesverband Wärmepumpe im "Klima-Labor" von ntv. Die Erklärung ist einleuchtend: Die Absatzzahlen steigen. Die Menschen kaufen Wärmepumpen. Die Talsohle scheint durchschritten. Mit der Wärmepumpe schafft "deutsche Ingenieurskunst" Wertschöpfung und Arbeitsplätze. "Es gibt keinen Grund, das Gesetz abzuschaffen", sagt der BWP-Chef. "Man muss sich wirklich fragen, wem die Politik damit einen Gefallen tun will."

ntv.de: Das Heizungsgesetz ist in seiner jetzigen Form seit Anfang 2024 in Kraft. Ist es ein Erfolg oder ein Misserfolg?

Martin Sabel: Beides. Kommunikativ war es ein Misserfolg. Es wurden Fehler gemacht und unnötig Porzellan zerschlagen. An sich ist das Gesetz aber eine richtige und erfolgreiche Maßnahme. Es wird vom Handwerk angenommen, die Industrie richtet sich daran aus. Letztlich ist die Wärmepumpe durch dieses Gesetz zum meistverkauften Heizsystem geworden.

Spüren Sie im privaten Umfeld noch Aufregung oder hat man dort ebenfalls Frieden mit den Vorgaben gemacht?

Ich lebe als Verbandsmitarbeiter in einer Blase, aber ich bilde mir ein, dass das Thema angekommen ist. Teilweise wurde polemisiert und viel Falsches gesagt. Als Branche hatten wir große Mühe, die Fakten geradezurücken. Letztlich war die Diskussion aber nicht verkehrt. Immerhin wissen jetzt alle, was eine Wärmepumpe ist: eine neue Heizform. Hightech. Deshalb auch etwas teurer als die Alternativen. Und wenn man eine neue Heizung braucht, wird gefragt, ob nicht auch eine Wärmepumpe infrage käme. Das ist ein Riesenfortschritt.

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Martin Sabel, Geschäftsführer vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP), äußert sich bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum zweiten Wärmepumpengipfel. Nach einem ersten Treffen im Sommer 2022 beraten beim zweiten Wärmepumpengipfel wieder Vertreterinnen und Vertreter der Branche und der Politik, wie Produktion und Installation von Wärmepumpen vorangetrieben werden können. (Foto: picture alliance/dpa)

Was ist das Absurdeste, was Sie im Verlauf dieser Debatte gehört haben?

Es gab so viele Falschdarstellungen … zwischenzeitlich hieß es, dass selbst funktionierende Heizungen ersetzt werden müssten. Das war nie Bestandteil des Gesetzes. Aber am absurdesten waren wahrscheinlich die Summen, die für einen Einbau genannt wurden. Da wurde die komplette Sanierung des Gebäudes erfasst. Das war besonders ärgerlich, weil es von Politikern kam, die es besser hätten wissen müssen.

Weil sie selbst eine Wärmepumpe hatten?

Teilweise. Die wussten auch, dass Wärmepumpen bei niedrigen Temperaturen funktionieren. Das wurde ebenfalls angezweifelt, obwohl in den nordischen Ländern 90 Prozent der Menschen eine Wärmepumpe nutzen. Das war schwer zu ertragen.

Wie ist die Lage jetzt? Wie ist die Stimmung in der Branche?

Wir hatten eine Hochlaufphase, in der Industrie und Handwerk all-in gegangen sind und investiert haben. Es wurden neue Produktionsstätten gebaut. Teilweise musste man bis zu einem Jahr auf eine neue Wärmepumpe warten, weil Installateure fehlten. Dieser Hochlauf ist durch die unnötige Diskussion ins Stocken geraten. Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt oder entlassen. Diese Talsohle ist durchschritten, wir arbeiten uns langsam wieder hoch: In diesem Jahr ist die Wärmepumpe das meistverkaufte System. Wir werden ungefähr 300.000 absetzen, nächstes Jahr sind 500.000 möglich. Dann wäre das Ziel von Robert Habeck erreicht.

Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Union einen erneuten Einbruch verursacht? Sie hat mit der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart: "Wir schaffen das Heizungsgesetz ab und reformieren das Gebäudeenergiegesetz."

Das ist verwirrend, weil Heizungsgesetz und GEG eigentlich dasselbe sind, aber man kann es wahrscheinlich so übersetzen: Mit dem Heizungsgesetz ist Paragraf 71 des GEG gemeint. Der beschreibt, dass eine neue Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien einbinden muss.

Das war die Habeck-Neuerung.

Ja, das hat die Ampel ins Gebäudeenergiegesetz geschrieben. Das war angesichts der schlechten Leistung des Gebäudesektors beim Klimaschutz auch absolut notwendig. Die Union möchte dieses 65-Prozent-Gebot abschaffen, aber das wird schwierig: Juristen sagen, das wäre europarechtlich nicht zulässig, weil damit eine Klimaschutzmaßnahme zurückgedreht würde. Man kann diese Regelung nur durch eine ähnlich ambitionierte ersetzen. Bisher hat die Union keine Alternative präsentiert.

Die berühmte Quadratur des Kreises …

Zumindest eine Zwickmühle. Die Union hat sich im Wahlkampf weit aus dem Fenster gelehnt und die Abschaffung versprochen, weil sie dachte, dass sie den Menschen damit einen Gefallen tut. Inzwischen weiß man: Die Heizungsbauer sind gegen die Abschaffung. Die Handwerker auch. Wärmepumpen schaffen Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Die Menschen kaufen die Geräte. Wärmepumpen machen uns unabhängig: Erneuerbaren Strom können wir in Deutschland produzieren. Für fossile Brennstoffe müssen wir 70 Milliarden Euro ins Ausland überweisen.

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Sind das Ihre Argumente für Wirtschaftsministerin Reiche? Die hält nicht damit hinter dem Berg, dass sie andere Prioritäten als Klimaschutz hat: Sie möchte der Industrie helfen und Kosten senken.

Dieser vermeintliche Konflikt zwischen Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Wohlstand ist absurd. Grüne Technologien sind Zukunftstechnologien und weltweit auf dem Vormarsch. Glauben Politiker ernsthaft, sie helfen der Industrie, wenn wir länger Verbrenner fahren und mit Gas heizen? Das ist ein fataler Irrglaube. Wir werden rechts und links überholt. Das ist uns bei der Solarindustrie passiert, bei der E-Mobilität auch fast. Soll uns das bei der Heizungstechnologie passieren? Noch gibt es die Wärmepumpe "Made in Germany". Das ist deutsche Ingenieurskunst. Hightech. Wir sind vorn dabei. Aber wenn wir uns verzetteln und drei Schritte rückwärts machen, profitieren andere von diesem globalen Megatrend. Deshalb ist das Gebäudeenergiegesetz so wichtig.

Inwiefern?

Das ist eine Orientierungshilfe. Es zeigt an, was zukunftsfähige Heizsysteme sind und verhindert, dass die Menschen mit einer neuen Gas- oder Ölheizung in eine Falle laufen und durch die steigenden CO2-Preise ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können.

Wäre es am besten, wenn die Union das Thema einfach vergisst und nichts tut?

Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren, weil sich die Union zu sehr exponiert hat. Aber man kann Gesetze immer verbessern, entschlacken und optimieren, sodass alle Seiten ihre Wahlversprechen halten können.

Ist das realistisch? CSU-Chef Söder hat letztens noch einmal klargestellt: Das Heizungsgesetz wird abgeschafft.

Das Heizungsgesetz gibt es offiziell nicht, insofern hat er sein Ziel bereits erreicht … das neue Wirtschaftsministerium hat ein Eckpunktepapier angekündigt, wie das GEG geändert werden soll. Es ist unklar, wann das Papier kommt, aber von Abschaffen redet niemand. Es geht um eine Überarbeitung des GEG. Die steht sowieso an, weil alle EU-Staaten bis Mai die europäische Gebäuderichtlinie EPBD umsetzen müssen.

Was wäre beim Entschlacken denkbar? Was kann man aus Paragraf 71 GEG streichen?

Bestimmte Vorgaben und Auflagen für einige der Erfüllungsoptionen. Das Wirtschaftsministerium hat sich unter Robert Habeck etwa bei hybriden Anlagen - das ist eine Kombination aus fossilem Kessel und Wärmepumpe - schon sehr detailliert ausgelassen. Das kann man praktikabler gestalten, ohne am 65-Prozent-Ziel zu rütteln.

Aus der Richtung von Katherina Reiche hört man allerdings, dass sie rütteln möchte …

Meinetwegen wären 64 Prozent auch okay. Wichtig ist, dass die Politik nicht zu Mogelpackungen zurückkehrt und eine Gasheizung mit etwas Solarthermie als "erneuerbare" Option verkauft. Im Gebäudebereich liegt der Anteil der Erneuerbaren derzeit bei 18 Prozent. Jetzt kommen wir ins europäische Effort-Sharing-System (ESR) rein. Es drohen Strafzahlungen, wenn wir nicht vorankommen. Das kann richtig teuer werden. Und wie erwähnt: Wir haben Technik, Handwerker und Industrie, um diese Vorgabe zu erfüllen. Es gibt keinen Grund, sie abzuschaffen. Man muss sich wirklich fragen, wem die Politik damit einen Gefallen tun will …

Wären Sie denn einverstanden, wenn die schwarz-rote Koalition an die Förderung rangeht? Das ist der zweite große Kritikpunkt: Die Union ist überzeugt, dass die Wärmepumpe "überdimensioniert finanziert" wird.

Die Wärmepumpe konkurriert mit der Gasheizung und den Gaspreisen. Bei Privathaushalten entscheidet bei der Wahl am Ende ein Dreiklang: Was kosten die Energie, also Gas oder Strom? Wie sieht die Förderlandschaft aus? Welche Vorgaben macht das Ordnungsrecht, also das GEG? Dort fällt auf, dass die Politik bei den Energiepreisen ihre Hausaufgaben nicht erledigt hat: Gas ist zu günstig, Strom zu teuer. Das Verhältnis liegt bei 1:3, obwohl Strom Primärenergie werden wird. Das macht elektrische Anwendungen beim Heizen unattraktiv. In vielen anderen europäischen Ländern kostet Strom doppelt so viel wie Gas. Hätten wir dasselbe Verhältnis, bräuchten wir die Förderung nicht, weil sich die Wärmepumpe so schnell über die Betriebskosten amortisieren würde, dass die Leute von selbst umsteigen würden.

Schwarz-Rot hätte lieber die Stromsteuer senken sollen, als die Gasumlage abzuschaffen?

Ja. Das war ein fatales Signal. Im Koalitionsvertrag wurde klar angekündigt: Der Strompreis wird für alle um 0,05 Euro pro Kilowattstunde gesenkt. Stattdessen hören die Menschen, dass Gas günstiger wird. Das ist das Gegenteil von dem, was wir benötigen.

Sollten wir die Förderung trotzdem kürzen und nur sozial schwächeren Haushalten gewähren?

Es gibt mit Sicherheit Menschen, die ihren Beitrag leisten sollten und sich die Wärmepumpe ohne Förderung leisten können. Aber bei welchem Einkommen zieht man die Grenze? Abgesehen davon ist die Förderung gut investiertes Geld. Das fließt an Handwerker, das reizt Sanierungen und einen modernen Gebäudebestand an, das schafft Wertschöpfung.

Alternativ würden günstigere Geräte helfen. Wo bleibt denn die 5000-Euro-Wärmepumpe?

Es gibt viele unterschiedliche Wärmepumpen für viele verschiedene Einsatzbereiche. Wir kennen die Geschichten vom 5000-Euro-Gerät aus dem Ausland. Schaut man genau hin, stellt man fest, dass es um eine Luft-Luft-Wärmepumpe in Südfrankreich geht, die überwiegend kühlt und nur im Winter ein wenig heizen muss. Bekommt dasselbe Gerät ein deutsches Zweifamilienhaus bei minus zehn Grad warm? Leise und effizient? Und sieht dabei gut aus? Ich bin skeptisch.

Uns fehlt der südfranzösische Winter?

Auch. Die Wärmepumpe soll natürlich langlebig sein. In Deutschland gibt es Anforderungen wie Einzelraumregelung, die man in anderen Ländern nicht kennt. Unsere Systeme bewegen sich schon auf einem Topniveau und müssen gerade wegen der hohen Strompreise auch top verbaut werden. Wer daran spart, wird später nicht glücklich.

Die Preise sinken aber? In 10 oder 15 Jahren kostet eine Wärmepumpe weniger als heute?

Auf jeden Fall. Wenn die Rahmenbedingungen stabil bleiben und die Industrie in wirklich große Stückzahlen kommt, werden die Produktionskosten sinken. Das Handwerk wird auch zunehmend Routine entwickeln, dann geht der Einbau einfacher und schneller. Bei den Preisen ist einiges möglich. Wir beziffern das Potenzial für sinkende Kosten auf ungefähr zweieinhalb Prozent pro Jahr.

Mit Martin Sabel sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Funktioniert Klimaschutz auch ohne Job-Abbau und wütende Bevölkerung? Das "Klima-Labor" ist der ntv-Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen der unterschiedlichsten Akteure auf Herz und Nieren prüfen.

Ist Deutschland ein Strombettler? Rechnen wir uns die Energiewende schön? Vernichten erneuerbare Energien Arbeitsplätze oder schaffen sie welche? Warum wählen Städte wie Gartz die AfD - und gleichzeitig einen jungen Windkraft-Bürgermeister?

Das Klima-Labor von ntv: Jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert, Spaß macht und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

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Quelle: ntv.de

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