Wirtschaft

Zulasten der Schuldenbremse Habeck will Industrie mit Staatsgeld in Deutschland halten

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Vor allem energieintensive Betriebe überlegen, wegen der hohen Energiepreise die Produktion ins Ausland zu verlagern. Wirtschaftsminister Habeck möchte daher viel Geld in die Hand nehmen, um die Industrie im Land zu halten. Kanzler Scholz und die FDP fremdeln mit manchen Ideen. Von Verbänden kommt Lob.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plant eine stark auf staatliche Unterstützung ausgerichtete Industriepolitik und will dafür die Schuldenbremse lockern. "Wir wollen Deutschland als starken Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten", erklärte Habeck zur Vorstellung eines Strategiepapiers seines Ministeriums. Auch etwa die energieintensive Grundstoffindustrie solle weiterhin präsent sein. Die Industrie sei nicht nur wirtschaftlich bedeutend, sondern trage auch "entscheidend zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei und auch zu ihrer demokratischen Stabilität", führte Habeck aus. Sie sei Teil der Identität des Landes.

Das Konzeptpapier verweist auf die Veränderungen insbesondere durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriff auf die Ukraine: Lieferketten wie die nach China erwiesen sich als instabil, Abhängigkeiten von einzelnen Akteuren wie Russland in Energiefragen als große Nachteile. "Wenn wir Wertschöpfungsketten diversifizieren und gleichzeitig Wertschöpfung in Deutschland und Europa erhalten und neu aufbauen, macht uns das unabhängiger von Autokratien in einer immer unsichereren Welt", argumentiert Habeck.

Es müsse daher viel Geld in die Hand genommen werden: für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Wasserstoffindustrie, die Sanierung von Schienen, Brücken und Straßen und steuerliche Anreize für Investitionen. Die Strategie nennt auch neue Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2, die in großen Teilen seiner eigenen Partei sehr kritisch gesehen werden.

Scholz anderer Meinung bei Industriestrompreis

Das Wirtschaftsministerium spricht sich in seiner Strategie erneut für einen "Brückenstrompreis" aus: Für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, solle der Strompreis staatlich subventioniert werden, bis die Strompreise wegen ausreichender Produktion aus erneuerbaren Quellen wieder gesunken seien. Der Koalitionspartner FDP lehnt dies ab, auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist skeptisch. Er betonte in einer Rede bei einem Auftritt bei der IG Metall, dass die Bundesregierung vielmehr versuchen werde, mit anderen Maßnahmen eine Schließung von energieintensiven Betrieben zu vermeiden. "Die Kombination vieler Einzelmaßnahmen wird es sein", sagte Scholz. Habeck erhielt erst kürzlich Rückendeckung von der IG Metall beim Thema Industriestrompreis.

Der Grünen-Politiker erteilt denjenigen eine Absage, die im Zuge der Debatte um diesen Vorschlag dafür plädieren, ernergieintensive Branchen nicht künstlich in Deutschland zu halten. Dem Papier zufolge soll auch langfristig in Deutschland etwa Glas, Zement und Papier produziert werden, auch wenn die Voraussetzungen zur Produktion von günstigem Strom verhältnismäßig schlecht sind.

Habeck stellt Schuldenbremse infrage

Auch bei der Frage der Finanzierung ist ein Konflikt mit dem Koalitionspartner FDP bereits absehbar, denn Habeck stellt die Schuldenbremse infrage, auf deren Einhaltung insbesondere Liberalen-Chef Christian Lindner pocht. Für die laufende Legislaturperiode gelte der Koalitionsvertrag "inklusive der Schuldenbremse", sagte Habeck zwar. "Trotzdem müssen wir nachdenken, ob die Regeln, die wir uns in einer anderen Zeit der ewig lächelnden globalen Globalisierung, des freundlichen Miteinanders, des billigen russischen Gases gegeben haben, für die neue Zeit passen. Ich meine, Sie passen nur bedingt."

Der Industrieverband BDI lobte das "klare Bekenntnis des Wirtschaftsministers zur Industrie". Auch etwa die Pharma-, Elektro- und Digital- oder die Chemieindustrie begrüßten die Initiative. Die Strategie bestehe hauptsächlich aus "leeren Ankündigungen", kritisierte hingegen der Mittelstandsvertreter Christoph Ahlhaus. "Wir brauchen keine Ankündigungsweltmeisterei, sondern einen Herbst des Handelns", sagte er der "Rheinischen Post".

Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft bescheinigte Habeck, "dass er die Sorgen der Unternehmen in Deutschland versteht und ernst nimmt". "Und dennoch scheint sich der Vizekanzler, vom Koalitionsstreit zermürbt, vor konkreten Schritten zu scheuen."

Quelle: ntv.de, rog/AFP

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