Wirtschaft

Riskantes Spiel Hat Athen doch einen Plan?

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.

(Foto: AP)

Griechenlands Regierung gelingt es immer wieder, gerade noch rechtzeitig Geld aufzutreiben. Was an Chaos-Verwaltung erinnert, hat durchaus System.

Es ist wohl die derzeit in Europa am häufigsten gestellte Frage: Weiß die griechische Regierung eigentlich, was sie tut? So chaotisch Athen auch agieren mag, Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis haben womöglich ganz klare Vorstellungen von dem, was sie erreichen wollen. Ihr Problem: Das kann tatsächlich funktionieren, muss es aber nicht. Und einen Plan B scheinen die beiden nicht in der Schublade zu haben.

Und wie sieht Plan A aus? Die Regierung will keinen Deal mit den Gläubigern, der auf dem aktuellen verlängerten Hilfsprogramm basiert, das im Juni ausläuft. Die griechische Seite lehnt die bisherige Rettungslogik ab: Sie will keine Kredite bekommen, mit denen im Grunde nur alte Schulden bedient werden. Vor allem dann nicht, wenn sie sich im Gegenzug zu Sparmaßnahmen und Reformen verpflichten muss, die sie als sozial ungerecht empfindet. Zudem sieht Tsipras in dem von den Gläubigern verordneten Kurs die Ursache für Rezession und hohe Arbeitslosigkeit.

Vor diesem Hintergrund lautet eine Interpretation der griechischen Verhandlungsstrategie: Athen spielt auf Zeit und will bis zum Ende des laufenden Programms durchhalten, ohne sich auf neue Maßnahmen zu verpflichten, Im Juni will sie dann neue Hilfen aushandeln, die an weniger strenge Bedingungen gekoppelt und in erster Linie an Wachstum ausgerichtet sind.

Das würde auch erklären, warum Athen sich beharrlich weigert, die geforderte Liste mit verbindlichen Reform- und Sparzusagen vorzulegen. Die Gläubigergruppe aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds will ohne die Maßnahmen die letzten 7,2 Milliarden Euro aus den beiden insgesamt 240 Milliarden schweren Hilfspaketen nicht überweisen.

Tsipras und Varoufakis sind mit dieser Haltung nur konsequent. Schließlich ist das die Position, die Syriza bereits im Wahlkampf vertreten hat. Und damit zeigt sich auch das größte Problem in diesem Konzept: Die griechische Regierung hat sich bisher mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen können. Warum sollte ihr das später gelingen?

Zumal Tsipras und Varoufakis noch immer einen neuen Schuldenerlass verlangen. Diese Forderung hat sie schon nach ihrem Wahlsieg viel Unterstützung gekostet: Denn ein Schuldenschnitt würde dieses Mal nicht die privaten, sondern die öffentlichen Gläubiger treffen – und damit in erster Linie Europas Steuerzahler. Das ist nicht nur in Deutschland unpopulär, sondern in allen Ländern, die für griechische Schulden bürgen.

Die nächsten Zahlungen stehen an

Zudem hat die griechische Regierung viel Vertrauen zerstört. Selbst bei denjenigen, die ihr wohlgesonnen sind, wächst die Frustration. Statt wie angekündigt Bürokratie, Steuerhinterziehung und Klientelismus zu bekämpfen, ist lediglich der Ruf nach möglichst bedingungsloser Hilfe zu vernehmen. Drohungen mit Flüchtlingsströmen oder die Forderung nach deutschen Reparationen haben das Klima weiter verschlechtert. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich die Haltung der Eurozone zu Griechenland in den nächsten Wochen deutlich verändert.

Dazu kommt, dass Griechenland in Zahlungsschwierigkeiten steckt. Im Mai muss Athen dem IWF etwa 770 Millionen Euro überweisen, im Juni rund 1,5 Milliarden Euro. Dazu müssen fällig werdende Staatsanleihen im Volumen von 1,4 Milliarden Euro refinanziert werden. Außerdem werden am Monatsende Gehälter für Staatsbedienstet sowie Pensionen fällig. Bisher hat die griechische Regierung das Geld immer zusammenbekommen, unter anderem durch einen beherzten Griff in die Sozialkassen. Offensichtlich setzt sie darauf, dass sie auch die kommenden Wochen durchhalten kann. Im Juli und August stehen dann große Zahlungen an, die EZB wartet insgesamt auf 6,7 Milliarden Euro. Daher muss der Deal wohl vorher stehen.

Syriza scheint jedoch noch immer davon auszugehen, den europäischen Rettungsmechanismus umgehen zu können. Sie will Hilfen nicht an Sparprogramme, Kontrollen und Strukturreformen wie Arbeitsmarktliberalisierung koppeln. Die Gläubiger beharren dagegen auf dem institutionalisierten Weg und halten an ihren Forderungen fest. Sie sind davon überzeugt, dass sich nachhaltiges Wachstum nur durch Strukturreformen und nicht durch kurzfristige Impulse erreichen lässt.

Die Verhandlungsposition Griechenlands wird zudem dadurch geschwächt, dass die Folgen einer Pleite des Landes und ein möglicher "Grexit" für den Rest der Eurozone mittlerweile von vielen Regierungen als verkraftbar eingeschätzt werden. Die Gefahr von Ansteckungen sehen sie als gebannt an.

Tsipras und Varoufakis sind allerdings offenbar trotzdem überzeugt davon, dass die Eurozone sie nicht fallenlassen wird. Sie setzen darauf, dass die Partner aus Angst vor den sozialen, wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen einer Pleite letztendlich abwenden werden. Die Rechnung in Athen: Die Kosten wären viel höher als die eines dritten Hilfspakets zwischen 30 und 50 Milliarden Euro. Es ist allerdings möglich, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Und die Folgen wären für Griechenland härter als die Auswirkungen eines jeden Sparpakets.

Quelle: ntv.de

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