Wirtschaft

Milliarden für Werk in Dresden Lohnen sich die üppigen TSMC-Subventionen?

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Die Chips, die ab 2027 das Werk in Dresden verlassen sollen, sind vor allem auf die Bedürfnisse der Automobil-Branche zugeschnitten.

Die Chips, die ab 2027 das Werk in Dresden verlassen sollen, sind vor allem auf die Bedürfnisse der Automobil-Branche zugeschnitten.

(Foto: IMAGO/NurPhoto)

Der Chiphersteller TSMC aus Taiwan siedelt sich in Dresden an. Möglich wird der Deal auch durch hohe Subventionen. Im Interview erzählt Halbleiter-Experte Fintl, ob der Branchenriese auch ohne die finanzielle Unterstützung nach Deutschland gekommen wäre und wie viel teurer die Chips aus Dresden werden.

ntv.de: Was zieht TSMC nach Dresden?

Peter Fintl: Die Halbleiterindustrie hat schon in den vergangenen Jahren ihr Interesse an Europa entdeckt. Viele Firmen wollen mit Fabriken außerhalb Chinas ihre Produktion diversifizieren. Für TSMC ist gerade Dresden so interessant, weil die Stadt ein sehr traditionsreicher Halbleiterstandort ist. Bereits zu DDR-Zeiten hat sich im Umkreis der Stadt ein ganzes Ökosystem entwickelt, welches neben Forschung etwa auch Dienstleistungen erbringt und Vorprodukte fertigt. Das sind ganz wesentliche Standortfaktoren.

Die Bundesregierung subventioniert den Bau der Fabrik allerdings auch mit satten fünf Milliarden Euro. Wäre TSMC auch ohne die finanzielle Unterstützung nach Deutschland gekommen?

Peter Fintl ist Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini.

Peter Fintl ist Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini.

Wie so oft gilt auch hier: Den Wettbewerb gewinnt das Land mit dem attraktivsten Angebot. Dazu gehören Fachkräfte, sichere Umgebungsbedingungen, günstige Energiepreise, eine gute Logistikanbindung und eben das entsprechende Finanzpaket. Die Diskussion um die Subventionen wird oft sehr dogmatisch und leider auch verkürzt geführt. Europa und auch die USA haben im Vergleich zu Asien eindeutige Standortnachteile. Das betrifft speziell Kosten, Standards und Bürokratie. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Subventionen, zu denen die USA und Europa jetzt greifen, gleichen in gewissem Maße die Standortnachteile aus. Um mit Asien mitzuhalten, müssen entweder langfristig bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden oder man muss eben die entsprechenden Nachteile direkt mit Subventionen kompensieren.

Ist die Milliardeninvestition der Bundesregierung denn gut angelegtes Geld?

Ich glaube schon. Vielfach wird darüber diskutiert, warum man einerseits so viel Geld für diese Technologie ausgibt und andererseits europäische Firmen nicht davon profitieren. Wichtig zu verstehen ist aber: Die Halbleiterindustrie beschäftigt ja nicht nur die Menschen in den Fabriken. Sie beschäftigt vielmehr ein ganzes Ökosystem drumherum, das gemeinsam Produkte herstellt, auf die unsere moderne Gesellschaft angewiesen ist. Sicher, es macht keinen Sinn, eine einzige Firma oder eine einzige Technologie zu fördern. Aber diese Gefahr sehe ich nicht. Was Europa braucht, ist ein ganzer Mix, eine ganze Bandbreite an Technologien, die man auf den Kontinent holt. Wir müssen aber bedenken: Natürlich will Europa mit Firmen kooperieren, die in ihrem Bereich führend sind und von denen man etwas lernen kann. Es fließt nicht immer nur Technologiewissen aus Europa ab. Mit TSMC kommt es auch nach Europa zurück. Und insofern macht es schon Sinn, neue Partner, die in ihrem Bereich spitze sind, ins Land zu holen.

TSMC will vor allem Chips für die Automobilindustrie produzieren. Welche Rolle spielt das Unternehmen im Aufbau eines Halbleiter-Ökosystems in Deutschland?

TSMC
TSMC 90,20

Deutschland beziehungsweise Europa haben bereits ein funktionierendes Halbleiter-Ökosystem. In bestimmten Technologien spielt Europa und die europäischen Halbleiterhersteller schon heute eine bedeutende Rolle. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Europa im Bereich Produktionskapazitäten für feinste Chipstrukturen, wie sie etwa in Prozessoren für Computer oder Smartphones eingesetzt werden, derzeit noch nichts vorzuweisen hat. Ein Alleingang Europas ist hier finanziell und zeitlich nicht sinnvoll. Jetzt gilt es herauszufinden, wie man in diesen Technologienischen mit Partnern arbeiten kann, um von diesen zu lernen.

Inwiefern werden Infineon, Intel und TSMC der Halbleiter-Knappheit entgegenwirken können? Machen die Unternehmen uns unabhängig von China und den USA?

Die Halbleiterindustrie ist generell eine sehr vernetzte Branche. Viele Chips sehen im Laufe ihres Herstellungsprozesses mehrere Kontinente. Auch die Rohstoffe und Vorprodukte kommen von Lieferanten aus der ganzen Welt. Das ändert sich nicht über Nacht. Aber jedes Werk zählt – denn deren Aufbau ist äußerst kostenintensiv und langwierig. Jeder Schritt hin zur verbesserten Resilienz ist wichtig.

Wie viel teurer werden die Dresdner Chips verglichen mit denen aus Taiwan oder China?

Hohe Lohn- und Energiekosten sorgen in Europa natürlich für einige Standortnachteile. Wie hoch am Ende der Euro-Aufschlag für die Halbleiter ausfällt, muss sich erst noch zeigen. Warum? Es gibt mehrere Stellschrauben, um die Kosten zu optimieren. Etwa in der Fertigungstechnologie, der Energieeffizienz oder beim Einsatz der Produktionsressourcen. Auch hier hat es der Gesetzgeber in der Hand, in den nächsten Jahren stabile und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu setzen.

Der Konzern aus Taiwan hat zuletzt Sorgen geäußert, es könnte am Standort Dresden an Fachkräften mangeln. Sind die Bedenken berechtigt?

Der Fachkräftemangel zieht sich ohne Zweifel durch viele Branchen in Deutschland, vielleicht sogar Europa. Einen kurzzeitigen Engpass wird es vermutlich geben. Dresden als traditionsreicher Halbleiterstandort ist aber in der Lage, Fachkräfte schnell auszubilden und somit den Expertenpool wachsen zu lassen. Mittelfristig hat Deutschland gute Chancen, der Nachfrage an qualifizierten Fachkräften gerecht zu werden.

Zuletzt hatte der US-Konzern Intel nach langen Verhandlungen den Zuschlag für den Bau einer Chipfabrik in Magdeburg gegeben. Werden in Zukunft noch mehr Unternehmen ihren Weg nach Deutschland finden?

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Das ist für den Standort Deutschland zu hoffen. In Wirklichkeit ist es aber ein Spiel auf europäischer Ebene. Einerseits hat die EU mit dem Chips Act aus meiner Sicht ein mächtiges Instrument geschaffen, um Firmen nach Europa zu locken. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der Chips Act ist sehr umfangreich und mächtig, kann aber für sich allein nicht alle Vorhaben von europäischer Seite aus finanzieren. Das heißt: Es braucht auch noch eine gehörige Portion Geld und Einsatz der jeweiligen Nationalstaaten. Und man muss es auch sagen: Diese Projekte sind sehr umfangreich. Das heißt, am Ende werden die großen EU-Länder das Rennen um die neuen Standorte für Halbleiterfabriken unter sich ausmachen.

Mit Peter Fintl sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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