Wirtschaft

Digitalsteuer für Online-Riesen?Merz' Attacke auf die Tech-Giganten ist eine Kampfansage an Trump

21.11.2025, 16:35 Uhr imageHannes Vogel
techriesen
Der US-Präsident hat klargemacht, dass er das wirtschaftliche Erpressungspotenzial der USA einsetzen wird, um den Tech-Konzernen den Weg zu ebnen. (Foto: REUTERS)

Der Kanzler öffnet zaghaft die Tür für eine mögliche Abgabe für Tech-Riesen. Wie ernst es ihm ist, wird sich zeigen: Die Reaktion aus Washington wird heftig. Donald Trump hat gelobt, jeden Angriff aus Europa auf Amazon, Apple und Google im Keim zu ersticken.

Friedrich Merz hat in dieser Woche eine Idee wiederbelebt, die in Deutschland eigentlich schon lange beerdigt war. Seit mehr als 15 Jahren ist es ein offenes Geheimnis, dass Apple, Google, Amazon und Co. in Europa Milliardenumsätze machen, aber auf dem Kontinent darauf faktisch keine Steuern zahlen. Doch anders als in Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Polen, Dänemark, Portugal und selbst Großbritannien, wo sie in der einen oder anderen Form schon seit Jahren in Kraft ist, gilt bisher weder in Deutschland noch insgesamt auf europäischer Ebene eine Digitalsteuer für Tech-Riesen.

Auf dem deutsch-französischen Gipfel für Europäische Digitale Souveränität übte Merz nun den Schulterschluss mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Und öffnete erstmals seit Langem wieder zaghaft die Tür für die längst totgeglaubte Idee: "Die Diskussion in der Bundesregierung über eine solche Abgabe ist noch nicht abgeschlossen", raunte Merz zur Verwunderung der versammelten Hauptstadtpresse. Ihm sei klar, dass mit einer Reaktion aus den USA zu rechnen sei. "Ich bin da aber selbstbewusst genug zu sagen, dass entscheiden zunächst einmal wir selbst."

Das neue Selbstvertrauen kommt nicht von ungefähr. Weil Deutschland und Europa in der globalen Systemrivalität zwischen einem immer autoritärer agierenden Amerika und den Machtambitionen Chinas technologisch und politisch zerrieben zu werden drohen, drängen Merz und Macron nun auf größere digitale Souveränität. Man müsse "in vereinter Kraftanstrengung einen eigenen digitalen Weg gehen" bekräftigte Merz. Nicht umsonst wurden auf dem Digitalgipfel auch eine Reihe weitreichender Kooperationen, darunter zwischen Europas größtem Tech-Gigant SAP aus Deutschland und dem französischen KI-Champion Mistral aus der Taufe gehoben.

Ein zentrales Schlachtfeld im Kampf um mehr digitale Souveränität ist zweifellos die Besteuerung der Internetgiganten. Dass der Kanzler sie nun offenbar vorsichtig in Betracht zieht, ist bemerkenswert. Doch ob es der Anfang einer echten Kehrtwende ist, muss sich zeigen. Falls Merz es ernst meint, wäre es eine Kampfansage an die USA. Die Gegenreaktion wird heftig werden.

Donald Trump hat klargemacht, dass er das wirtschaftliche Erpressungspotential der USA einsetzen wird, um den Tech-Konzernen den Weg zu ebnen. Selbst US-Alliierte, die sich bereits in Handelsfragen weitgehend unterworfen haben wie die EU, sind nicht sicher. Auch der vermeintliche Zoll-Deal zwischen Washington und Brüssel schützt Europa nicht.

"Als Präsident der Vereinigten Staaten werde ich mich gegen Länder stellen, die unsere unglaublichen amerikanischen Tech-Unternehmen angreifen. Digitalsteuern, Gesetze, Regeln oder Vorschriften sind allesamt darauf ausgelegt, amerikanischer Technologie zu schaden", warnte Trump schon vor Monaten. "Falls diese diskriminierenden Maßnahmen nicht zurückgenommen werden, werde ich weitere massive Zölle oder Exportbeschränkungen für unsere streng geschützte Technologie und Chips verhängen."

Trump belässt es nicht bei Drohungen. Er hat diese digitale Kanonenbootpolitik schon kurz nach seinem Amtsantritt zur offiziellen Außenpolitik erhoben. Per Dekret hat er angeordnet, mit der ganzen Macht der US-Regierung den EU-Markt weiter für die Tech-Riesen aufzubrechen: "Wo eine ausländische Regierung mit ihrem Steuer- oder Regelwerk diskriminierende, unverhältnismäßige oder gezielt abschöpfende Abgaben, Steuern oder Strafen gegen US-Unternehmen verhängt, wird meine Regierung einschreiten - und Zölle erheben."

Ausdrücklich nennt das Dekret dabei "die Digitalsteuern in Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, der Türkei und in Großbritannien". Und auch Kanada nahm Trump ins Visier. Die Episode ist ein Vorgeschmack auf das, was Friedrich Merz blühen könnte, falls er Ernst mit einer Digitalabgabe machen sollte. Im Zollkrieg mit Washington hat Kanadas Premier Mark Carney seine Digitalsteuer in vorauseilendem Gehorsam kassiert, um Trump zu besänftigen.

Dass Washington solchen Druck macht, verwundert nicht: Schließlich wäre eine einheitliche Digitalsteuer der vielleicht größte wirtschaftliche Hebel, den Europa im Handelskrieg ansetzen könnte. Die Geldbörse ist die empfindlichste Stelle, an der Brüssel die Tech-Riesen treffen kann: Bei jedem der sieben größten US-Internetkonzerne (Alphabet, Apple, Amazon, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) kommen zwischen 20 und 30 Prozent der gesamten Umsätze aus Europa. Der Kontinent ist für sie nach den USA der zweitwichtigste und lukrativste Markt: 450 Millionen Menschen mit hoher Kaufbereitschaft und gutem Einkommen.

Der Brüsseler Thinktank CEPS schätzt, dass eine Digitalsteuer von 5 Prozent der Tech-Umsätze fast 38 Milliarden Euro Einnahmen bringen könnte - soviel wie etwa ein Fünftel des gesamten EU-Budgets und gut 8 Prozent aller Unternehmenssteuern in der EU. Geld, dass Europa gut gebrauchen könnte: für gemeinsame Verteidigung, die Unterstützung der Ukraine und die Stärkung des eigenen KI-Ausbaus.

Aus genau diesem Grund wollte die EU-Kommission schon 2018 eine Digitalsteuer von 3 Prozent auf EU-Ebene einführen - und scheiterte nicht nur an den EU-Niedrigsteuerländern Irland und Niederlande, sondern auch am Widerstand aus Deutschland. Die Finanzbeamten unter Olaf Scholz warnten damals laut Bild-Zeitung vor einer "Dämonisierung der großen Digitalunternehmen". Nur deshalb führten Italien, Frankreich und Co. sie im Alleingang ein.

Dass sich nun ausgerechnet der deutsche Kanzler Merz womöglich für eine neue Digitalsteuer stark macht, ist daher fast ein historischer Treppenwitz. Und auch dass Trump Europas Digitalsteuern aufs Korn nimmt, entbehrt keiner Ironie: Eigentlich waren die OECD-Länder auf gutem Weg, eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für multinationale Konzerne zu verabschieden . Dann brach Trump die Verhandlungen schon in seiner ersten Amtszeit ab - und lieferte den EU-Ländern damit den Grund, auf eigene Faust aktiv zu werden.

Inzwischen hat sich Europas Lage weiter verschärft: Nicht nur Trump versucht offensiv, jegliche Regulierung der Tech-Riesen aus Brüssel im Keim zu ersticken. Auch China schottet seinen Markt und seine nationalen Champions schon lange ab. Man könnte Merz also kaum vorwerfen, unfair zu diskriminieren, falls er Pläne für eine Digitalsteuer vorantreiben oder sogar auf EU-Ebene in Schwung bringen sollte. Auf einen Versuch käme es an.

Quelle: ntv.de

DigitalwirtschaftDonald TrumpTechnologiekonzerneSteuerpolitikFriedrich Merz