Zahlen schwächer als bei anderen Ratingagentur Fitch blickt kritischer auf Paris
29.04.2023, 13:09 Uhr Artikel anhören
Fitch nimmt Frankreichs Staatsschulden zum Anlass für eine Herabstufung der Bewertung.
(Foto: REUTERS)
Frankreichs Staatsverschuldung kostet das Land nun eine Stufe seiner Bewertung bei Fitch. Den Ausblick beurteilt die Agentur weiter als stabil. Wirtschaftsminister Le Maire hält den Schritt für ungerechtfertigt. Er verweist auf die positiven Effekte der Rentenreform und anstehende Grundsatzentscheidungen.
Die Ratingagentur Fitch hat Frankreich aufgrund hoher Staatsverschuldung in ihrer Bewertung herabgestuft. "Die Finanzkennzahlen sind schwächer als bei Mitbewerbern", teilte Fitch mit und setzte Frankreich von der Bewertung AA um eine Stufe auf AA- herab. Die Ratingagentur beurteilte den Ausblick für das Land dennoch als stabil. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire erklärte, Frankreich werde Strukturreformen durchsetzen. Im März hatte sich Frankreichs Rechnungshof besorgt über die Finanzlage des Landes geäußert und eine Konsolidierung der Staatsfinanzen angemahnt.
Ein politischer Patt und zum Teil gewalttätige soziale Bewegungen stellten ein Risiko für die Reformpläne von Präsident Emmanuel Macron dar, erklärte die Ratingagentur weiter. Sie warnte, dass "geringere Wachstumsaussichten und eine geschwächte Wettbewerbsfähigkeit" zu einer weiteren Herabstufung führen könnten. Präsident Emmanuel Macron hat ungeachtet massiven Widerstands seine Rentenreform durchgesetzt, die unter anderem eine Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre vorsieht. Der Staatschef verweist darauf, dass die Änderungen notwendig sind, damit das Rentensystem überlebensfähig bleibt.
Finanzminister Le Maire erklärte, Fitchs "pessimistische" Bewertung unterschätze die Konsequenzen der Reformen. Er bekräftigte die "vollkommene Entschlossenheit" der Regierung, das Staatsdefizit und die Verschuldung zu senken. "Ich glaube, die Fakten sprechen gegen die Einstufung durch Fitch. Wir können Strukturreformen umsetzen und werden das auch weiter für das Land tun", sagte Le Maire am Rande des EU-Finanzministertreffens in Stockholm.
"Wir haben eine ganze Reihe von Reformen vor uns, die die Umwandlung des französischen Wirtschaftsmodells beschleunigen werden", erklärte Le Maire weiter und verwies in diesem Zusammenhang auf einen Gesetzentwurf für "Grüne Industrien". Dieser soll in wenigen Tagen vorgelegt werden.
Finanzlage erlaubt keinen Sanierungsaufschub
Laut Rechnungshof wird die Lage der öffentlichen Finanzen Frankreichs auch in diesem Jahr zu den schlechtesten in der Eurozone gehören. Die EU-Kommission schätze die Risiken für die mittelfristige Tragfähigkeit der französischen Staatsverschuldung als hoch ein, hatte die Behörde Anfang März erklärt. Nötig sei eine Strategie, die eine entschlossene Sanierung der öffentlichen Finanzen mit dem Schutz des mittelfristigen Wachstumspotenzials verbinde.
Während im vergangenen Jahr eigentlich eine Senkung der Staatsausgaben nach der Corona-Krise geplant gewesen sei, habe die Regierung von Präsident Macron angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs zu weiteren Unterstützungsmaßnahmen gegriffen. Dies lasse ein öffentliches Defizit von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwarten, wodurch sich die Senkung der Defizit- und Schuldenquote Frankreichs verschiebe. Nun erwartet die Behörde einen öffentlichen Schuldenstand von 111,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts, was 14 Punkte über dem Vorkrisenniveau wäre.
Die aktuelle Finanzlage Frankreichs erlaube es nicht mehr, eine Sanierung aufzuschieben, betonte der Rechnungshof. Nötig seien Ausgabendisziplin, selektives Vorgehen bei Steuersenkungen sowie ehrgeizige Reformen in Schlüsselbereichen.
Für das erste Quartal wies die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft Europas trotz wochenlanger Streiks und Protestaktionen gegen die Rentenreform ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Im laufenden Jahr peilt Paris ein Wachstum von einem Prozent und ein Defizit von 4,9 Prozent an. Für das kommenden Jahr rechnet die Regierung mit 1,6 Prozent, bis 2027 sollen 1,8 Prozent Wachstum erreicht werden. Bis dahin plant Frankreich auch, seinen Schuldenstand von zuletzt 112 auf 108 und das Defizit von jüngst 4,7 auf 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa/DJ