Wirtschaft

Merkwürdige Transaktion Russen reichen Gazprom-Tochter an DJ weiter

DJ Five ist in Moskauer Clubs unterwegs.

DJ Five ist in Moskauer Clubs unterwegs.

(Foto: vk.com)

Als Gazprom überraschend ankündigt, sich von der deutschen Tochter zu trennen, ist die Bundesregierung alarmiert. Denn die neuen Besitzverhältnisse sind völlig unklar. Nun stellt sich heraus: Die Russen wollten die Kontrolle offiziell an einen Moskauer DJ übertragen.

Die Bundesregierung hat das Deutschland-Geschäft des russischen Gaskonzerns Gazprom unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt. Die Begründung für diesen bisher nie dagewesenen Schritt: Die Übertragung der Anteile sei nicht genehmigt worden, außerdem seien die Besitzverhältnisse "unklar". Es sieht so aus, als sei das eine sehr zurückhaltende Formulierung. Denn die BBC hat herausgefunden, dass der Energie-Riese Gazprom die Kontrolle seiner deutschen Tochter offiziell einem Moskauer übertragen hat, der seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Auto-Tuning und als DJ in Clubs verdient.

Das ist alleine deshalb bemerkenswert, weil Gazprom Germania 2020 - das sind die derzeit aktuellsten Zahlen - einen Umsatz von 12,7 Milliarden Euro erzielt und unter dem Strich rund 277 Millionen Euro verdient hat. Das Unternehmen hatte inklusive seiner Töchter 1543 Mitarbeiter, darunter 339 in Berlin. Die 1990 gegründete Gesellschaft verfügt über ihre Tochter Astora über Gasspeicher in Deutschland und Österreich mit einer Kapazität von insgesamt sechs Milliarden Kubikmetern. Sie ist Eigentümerin weiterer wichtiger Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft, darunter der Gashändler Wingas, der Stadtwerke beliefert.

Dmitry Tseplyaev, so heißt der von Gazprom ausgewählte Mann, ist bisher nicht als Manager in Erscheinung getreten. Seinem beim russischen Facebook-Konkurrenten VK erstellten Profil zufolge wurde er im November 1973 geboren. Er hat dort 58 Abonnenten und legte laut BBC noch am 20. März unter dem Namen DJ-Five in einem der Clubs der russischen Hauptstadt auf. Die Briten fragten ihn per Whatsapp, wie der Einstieg ins Energie-Geschäft zu erklären sei. Bisher haben sie darauf keine Antwort erhalten.

Der vom russischen Staat kontrollierte Gazprom-Konzern hatte am vergangenen Freitag überraschend angekündigt, das deutsche Geschäft aufzugeben und dabei keine Details genannt. Später wurde bekannt, dass die Russen die deutsche Tochter an zwei Unternehmen übertragen haben: an Gazprom Export Business Services LLC und an JSC Palmary.

Wer hinter diesen Unternehmen steckt, ist völlig unklar. Gazprom Export Business Services LLC hat seinen Sitz in St. Petersburg und gehörte bis Ende März offenbar einer Gazprom-Holding. Der neue Besitzer ist nicht bekannt. Merkwürdigerweise war die Firma bereits bis Ende März Eigentümer von Gazprom Germania. Der alte Eigentümer von Gazprom Germania ist also identisch mit dem neuen Eigentümer - muss somit die Anteile an sich selbst übertragen haben. Ob das tatsächlich so ist und ob das überhaupt rechtlich möglich ist, ist unklar.

Habeck kündigt "geordnete Verhältnisse" an

Hinzu kommt, dass Gazprom Export Business Services zwar 99,9 Prozent der Anteile besitzt, aber Gazprom Germania dennoch nicht kontrolliert. Das macht JSC Palmary. Ihr gehören nur 0,1 Prozent der Anteile, aber Gazprom Export Business Services hat ihr die kompletten Stimmrechte übertragen. Palmary wurde erst im vergangenen Oktober in Moskau registriert. Seit dem 30. März, also einen Tag vor der Ausstiegs-Ankündigung, ist Tseplyaev dort offiziell Geschäftsführer.

Darüber hinaus haben laut Bundeswirtschaftsministerium die Eigentümer von Gazprom Germania die Liquidierung angeordnet, also das Unternehmen abzuwickeln und dann den Geschäftsbetrieb einzustellen.

Dazu wird es allerdings zunächst nicht kommen. Die Bundesnetzagentur ist bis Ende September vorübergehend Treuhänderin. Sie "wird die Zeit nutzen, um Ordnung in die Verhältnisse zu bringen", so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Dass Strohmänner eingesetzt werden, um die wirklichen Besitzverhältnisse zu verschleiern, ist in Russland durchaus üblich. Die "Süddeutsche Zeitung" stieß in den "Panama Papers" beispielsweise auf Sergej Roldugin. Er ist Cellist und leitet eine von ihm gegründete Musikschule in St. Petersburg. Er gilt als ein enger Freund Wladimir Putins und ist Taufpate einer Tochter des russischen Präsidenten. Über seine Briefkastenfirmen sind den Recherchen zufolge innerhalb weniger Jahre rund zwei Milliarden Dollar geflossen. Roldugin gehörten demnach zumindest zeitweise mehr als drei Prozent der Anteile der Bank Rossija. Das Geldhaus aus Sankt Petersburg gilt als die Bank des inneren Machtzirkels um Putin.

Quelle: ntv.de

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