Wirtschaftsexperten uneins Sozialverband fordert Mindestlohn von mehr als 14 Euro
25.06.2023, 12:04 Uhr Artikel anhören
Viele Beschäftigte hoffen auf eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach der Politik sind wieder die Sozialpartner dran: Die Mindestlohn-Kommission legt am Montag ihren Vorschlag für eine Erhöhung vor. Der Sozialverband VdK erhofft sich mindestens 14 Euro, unter Wirtschaftsexperten herrscht keine Einigkeit.
Der Sozialverband VdK fordert eine deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit 12 Euro auf mindestens 14 Euro. "Die Inflation, die noch immer bei über sechs Prozent liegt, frisst die letzte Mindestlohnerhöhung aus dem Oktober 2022 schon heute wieder auf", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Ein Mindestlohn von mindestens 14 Euro hilft, Einkommensarmut einzudämmen."
Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern will am Montag in Berlin ihren Vorschlag für die neue Höhe des gesetzlichen Mindestlohns vorlegen. Von der letzten Erhöhung waren laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes 5,8 Millionen oder jeder siebte Beschäftigte in Deutschland betroffen. Bentele forderte die Mindestlohn-Kommission auf, zu klotzen und nicht zu kleckern: "Wir erwarten von der Mindestlohn-Kommission, dass sie einen armutsfesten Lohn für die untersten Einkommensgruppen auf den Weg bringt."
Die Kommission will an diesem Sonntag die entsprechende Empfehlung ausarbeiten. In früheren Jahren hatte sie eine mehrstufige Erhöhung empfohlen. Der Beschluss ist zwar für die Bundesregierung nicht bindend, aber die Empfehlungen waren bisher stets per Verordnung des Bundesarbeitsministeriums umgesetzt worden. Die Kommission aus je drei Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern, zwei beratenden Wissenschaftlern und der Vorsitzenden Christiane Schönefeld steht vor heiklen Beratungen. Bei der Entscheidung soll sie sich laut Gesetz für einen "angemessenen Mindestschutz" an der Tariflohnentwicklung orientieren, aber auch die Sicherung von Beschäftigung im Blick haben.
Wirtschaftsexperten sind sich auch uneins
Noch nie seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 gab es so hohe Inflationsraten wie 2022 und 2023. Zugleich könnten sich manche Branchen angesichts der flauen Konjunktur von einer deutlichen Erhöhung überfordert sehen. Zuletzt war der Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 von 10,45 Euro auf 12,00 Euro erhöht worden. Die Anhebung war per Gesetz verfügt worden. Darauf hatte sich die Ampel aus SPD, Grünen und FDP in den Koalitionsverhandlungen 2021 verständigt. Die Kommission wurde damals übergangen. Sie hatte zuletzt vor drei Jahren eine Empfehlung für eine vierstufige Erhöhung bis auf 10,45 Euro vorgeschlagen. Eigentlich soll sie alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns entscheiden.
Wie groß die Erhöhung diesmal ausfallen sollte, darüber sind auch Wirtschaftsexperten uneins. Das Münchner Ifo-Institut hat für Zurückhaltung plädiert. Grundsätzlich habe die Mindestlohn-Kommission den Auftrag, sich bei ihrer Empfehlung für die Erhöhung daran zu orientieren, wie die Tariflöhne insgesamt sich entwickelten, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest der Funke Mediengruppe. "Im ersten Quartal 2023 lagen die Tariflöhne knapp drei Prozent höher als ein Jahr zuvor, bis Oktober könnte die Steigerung etwas höher liegen. Sinn dieser Regel ist, dass die Mindestlöhne den allgemeinen Tariflöhnen folgen sollten, sie die Lohnentwicklung aber nicht bestimmen sollen."
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte hingegen, dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro gesamtwirtschaftlich gesehen positive Effekte hätte. "Denn es würde die Kaufkraft vieler Menschen stützen und somit auch einen Nachfrageimpuls setzen und zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen", sagte er. Nach Einschätzung der Vorsitzenden des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, müsste der Mindestlohn auf mindestens 14,13 Euro erhöht werden, um die Inflation auszugleichen. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali forderte eine Anhebung auf mindestens 13,53 Euro.
Quelle: ntv.de, ses/dpa/rts