Zwei Euro pro Stunde Karlsruhe beanstandet niedrige Löhne für Gefangene
20.06.2023, 10:19 Uhr Artikel anhören
Das Bundesverfassungsgericht stellt klar: Stundenlöhne von zwei Euro sind verfassungswidrig.
(Foto: Uli Deck/dpa)
Arbeiten für weniger als zwei Euro die Stunde - ist das rechtens? Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet nun: Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Die Bundesländer müssen nun nachbessern.
Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht gab zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen recht, die gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt hatten. Die Bundesländer müssen die entsprechenden Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, in Karlsruhe.
In den meisten Bundesländern herrscht für Strafgefangene Arbeitspflicht. Sie soll der Resozialisierung dienen. Deshalb gilt für die Gefangenen auch kein Mindestlohn. 2020 verdienten sie laut König etwa zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro pro Stunde.
Über die Höhe von Gefangenenvergütung hatten die Verfassungsrichter in Karlsruhe schon einmal geurteilt. 1998 hatten sie beanstandet, dass sie zu niedrig sei. Danach wurde die Berechnungsgrundlage von fünf auf neun Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgelts von allen gesetzlich Rentenversicherten angehoben. Seit rund zwanzig Jahren hat sich daran nichts mehr geändert.
Keine Unterstützung der Familie möglich
Das Problem für die Gefangenen ist den Klägern zufolge, dass sie mit so wenig Geld während der Haftzeit keine Schulden abbauen oder auch nicht ihre Familien unterstützen können. Außerdem werden sie nicht in die Rentenversicherung einbezogen und stünden daher vor finanziellen Problemen im Alter.
Manuel Matzke von der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), der früher selbst in Haft saß, forderte eine Vergütung nach Mindestlohn. Die Häftlinge wollten angemessen bezahlt und nicht ausgebeutet werden, sagte er. Externen Unternehmen warf er vor, die Gefängnisse als "Wirtschaftszone" für sich entdeckt zu haben. Auch Anstaltsleiter hatten sich in der Verhandlung im April vergangenen Jahres für eine höhere Vergütung ausgesprochen.
Vertreter der Länder verteidigten in Karlsruhe die schlechte Bezahlung. Gefangenenarbeit sei nicht wirtschaftlich. Ein Hafttag verursache hohe Kosten und die Gefangenen seien oft nicht entsprechend ausgebildet. Ein Vertreter des bayerischen Justizministeriums sagte, es gebe keinen Spielraum für Erhöhungen, und verwies auf die geringe Produktivität der Gefangenenarbeit.
In der mündlichen Verhandlung war es außerdem um den Stellenwert der Arbeit in den Resozialisierungskonzepten der einzelnen Bundesländer gegangen sowie die nicht monetären Bestandteile der Vergütung. In den zwölf Bundesländern, in denen eine Arbeitspflicht gilt, können sich die Gefangenen Freistellungstage erarbeiten. Diese können auch für eine frühere Entlassung angespart werden. Zusätzlich ist eine Art Urlaub vorgesehen. Laut den Anwälten der Gefangenen ist der Wert dieser Tage für die Betroffenen aber begrenzt.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa