Der Zweck heiligt den Zoll Trumps Handelskrieg hat drei Eskalationsstufen
11.02.2025, 17:24 Uhr Artikel anhören
Trump behauptet immer wieder, Importzölle würden vom Ausland bezahlt. Er liebäugelt damit, die Einnahmen, für die tatsächlich US-Unternehmen und Verbraucher aufkommen, dauerhaft für einen Systemwechsel in der Steuerpolitik zu nutzen.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Erst Zölle gegen Mexiko und Kanada, dann China und nun auf Aluminium und Stahl aus der ganzen Welt: Mit jedem Schritt will US-Präsident Trump verschiedene Ziele erreichen. Manche Handelshürden lassen sich daher per Telefon beseitigen. Doch die meisten sind wohl auf Dauer angelegt.
Unvorhersehbar zu sein, ist das Markenzeichen von Donald Trump. Dass der Beginn seiner zweiten Amtszeit chaotisch und ruckelig werden könnte, hatten daher viele erwartet. Aber die Kehrtwenden, die der neue US-Präsident bei der lange erwarteten Eröffnungssalve seines globalen Wirtschaftskriegs hinlegte, überraschten dann doch sowohl Märkte als auch Regierungen auf der ganzen Welt.
Mit viel Tamtam kündigte Trump erst Zölle von 25 Prozent auf alle Importe aus Mexiko und Kanada und zehn Prozent für Einfuhren aus China an. Doch nach kurzfristigen Telefonaten mit Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum und Kanadas Premierminister Justin Trudeau legte der US-Präsident die geplanten Strafmaßnahmen vorerst für 30 Tage auf Eis - wenige Stunden bevor sie in Kraft treten sollten. Die beiden engsten Verbündeten der USA gelobten, die Sicherheit an ihren Grenzen zum Nachbarn zu verbessern - und damit war "der dümmste Handelskrieg der Geschichte", wie ihn das "Wall Street Journal" getauft hatte, gleich wieder vorbei, noch bevor er überhaupt begonnen hatte.
Nun legt Trump nach. Am Montag hat er mit sofortiger Wirkung Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium aus der ganzen Welt in Kraft gesetzt - das hatte er schon in seiner ersten Amtszeit getan. Zudem will er im Laufe der Woche "Gegenzölle" auf Produkte aus anderen Ländern erheben, die ihrerseits US-Waren in gleicher Höhe belasten. Es wird immer klarer, dass diese Maßnahmen einem anderen Zweck dienen als die bisherigen Drohgebärden gegenüber Mexico-City und Ottawa. Die kommenden Eskalationen werden sich daher vermutlich nicht mehr einfach mit einem Anruf erledigen lassen. Trumps Zollkrieg folgt einem Stufenplan, mit dem er drei verschiedene strategische Ziele verfolgt.
"Eskalation zur De-Eskalation"
Für Trumps Rückzieher im Konflikt mit Mexiko und Kanada gibt es viele gute Gründe. Zum einen würde Trump mit dem Handelskrieg gegen die direkten Nachbarn seine eigene Glaubwürdigkeit untergraben: Schließlich war er es, der das Mexiko-Kanada-Abkommen in seiner ersten Amtszeit selbst verhandelt hat, gegen das er mit den neuen Zöllen nun verstoßen würde. Doch es ist offensichtlich, dass die Drohungen von Anfang an dazu dienten, politische Ziele zu erreichen, die mit Handel und Wirtschaftspolitik gar nichts zu tun haben.
Trump wollte erreichen, dass Mexiko und Kanada mehr dafür tun, die illegale Migration und den Fentanylschmuggel einzudämmen. Die Zölle sind nur eine Taktik auf dem Weg dahin: eine Drohgebärde, mit der Trump strategische Ungewissheit erzeugt, also bewusst mehrgleisig fährt, um Verhandlungsgegner zu verwirren und zu verunsichern. "Eskalation zur De-Eskalation", um Zugeständnisse von den Handelspartnern zu erpressen - so nennt diesen Hebel der neue US-Finanzminister und Hedgefonds-Milliardär Scott Bessent.
Die nun verhängten Stahlzölle und auch die grundsätzlichen "Gegenzölle" gegen US-Handelspartner und Alliierte fallen dagegen in eine zweite Kategorie: strukturelle, langfristige Maßnahmen. Hier versucht Trump, tatsächliche Wettbewerbsverzerrungen oder gefühlte Ungerechtigkeiten auszugleichen, wie etwa ausländische, staatliche Subventionen für die Auto- oder Solarindustrie, Patentklau in China, die Wettbewerbsbenachteiligung von US-Firmen, das dauerhafte US-Handelsdefizit in vielen Branchen oder Strafmaßnahmen gegen US-Tech-Giganten wie X, Meta oder Google aus Brüssel.
Auch hier gibt es zwar Raum für Deals: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen trifft schon am heutigen Dienstag US-Vizepräsident J.D. Vance zu einem ersten Gespräch am Rande des internationalen KI-Gipfels in Paris. Doch wenn sie einmal verhängt sind, werden sich diese Zölle viel schwerer beseitigen lassen. Das Gezerre um die Stahlzölle aus Trumps erster Amtszeit etwa dauerte mehrere Jahre. Aufgehoben hat sie 2021 in einem Abkommen mit der EU erst Trumps Nachfolger Joe Biden.
Finanzmasse für Steuergeschenke an Superreiche
Zudem verfolgt Trump mit den Einfuhrsteuern auf breiter Front womöglich noch einen dritten Zweck: Staatseinnahmen zu erzielen, um damit seine angekündigten Steuersenkungen für Superreiche zu finanzieren. Schon im Wahlkampf hat er mit der Idee geliebäugelt, eine Sondersteuer von 10-20 Prozent auf alle Importe einzuführen, um so genug Geld für die entsprechende Senkung der Einkommensteuer zusammenzubekommen. Bis zu einer Billion Dollar sind dafür im Gespräch.
Zölle dieser Größenordnung wären keine Handelsmaßnahme mehr, sondern ein dauerhafter Systemwechsel. Sollte Trump sie tatsächlich einführen, würden sie daher wohl auf unbestimmte Zeit gelten. Und egal auf welcher der drei Stufen Trump ansetzt: Für Deutschland dürfte es mittelfristig sehr ungemütlich werden. "Ich glaube, Europa muss sich auf einen massiven Handelskrieg gefasst machen", zitiert das "Wall Street Journal" Trumps ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Robert O’Brien.
Quelle: ntv.de