Wirtschaft

Für Gas aus Russland Wieso will Putin nur noch Rubel akzeptieren?

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Gaslieferungen von Russland in westliche Länder sind mit langfristigen Verträgen geregelt, zu zahlen ist der Rohstoff dabei meist in Euro oder Dollar. Genau das will Russlands Präsident Wladimir Putin nun kurzerhand ändern. Die genauen Details der Umsetzung will die Regierung und Notenbank in Moskau innerhalb einer Woche klären. Der Energiekonzern Gazprom ist angehalten, die Verträge entsprechend zu ändern.

Warum macht Putin das?

Eine ganze Reihe von Staaten hat gegen Russland wegen des Einmarsches in die Ukraine Sanktionen verhängt - etwa gegen die Zentralbank, einzelne Personen, Organisationen, den Finanzsektor und Unternehmen. Die USA, Großbritannien und Kanada haben Energieimporte verboten. Durch die Forderung Putins wird Nachfrage am Weltmarkt nach Rubel geschaffen. Unternehmen und Staaten, die russisches Gas kaufen, müssten sich mit der russischen Währung eindecken, um weiterhin Geschäfte machen zu können. "Das bedeutet, die Verkäufer von Rubel können höhere Preise verlangen, sodass der Marktpreis, also der Wechselkurs, steigt", sagt Tobias Heidland vom Kiel Institut für Weltwirtschaft ntv.de. Die Forderung dient somit einerseits der Stabilisierung des Rubels. "Für Russland und viele andere Schwellenländer ist der Wechselkurs ein wichtiger Indikator, auf den auch die Bevölkerung schaut, da viele Preise von Gütern davon abhängen", sagt Heidland.

Andererseits soll mit der Forderung verhindert werden, dass der russische Staat für seine Gasexporte Fremdwährungen wie Euro und Dollar erhält, von denen er dann ausgeschlossen werden könnte. "Gaslieferungen werden ja nicht in Bargeld bezahlt, das physisch im LKW nach Russland gefahren wird. Es handelt sich vielmehr um elektronische Guthaben, zu denen russische Staatsunternehmen ihren Zugang verlieren können", sagt Heidland. Große Teile der im Ausland befindlichen Währungsreserven wurden bereits eingefroren.

Wie reagiert der Rubel auf die Ankündigung?

Der Rubel profitiert von der Anweisung des russischen Präsidenten. Am Vormittag kostete ein Dollar rund 96 Rubel. Vor der Forderung Putins hatte ein Dollar noch mehr als 100 Rubel gekostet. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine war der Kurs drastisch abgestürzt. Für einen Dollar mussten zeitweise fast 160 Rubel gezahlt werden. Normalerweise würde eine Zentralbank eingreifen und die eigene Währung stützen, sagt ntv-Börsenexpertin Sabrina Marggraf. Die russische Zentralbank könne das aber nicht, weil ihr durch die Sanktionen die Hände gebunden sind. Wie kann Putin also den Rubel stützen? "Indem er für Nachfrage nach der Landeswährung sorgt. Das tut er eben, indem er Länder beispielsweise dazu zwingt, Gasrechnungen in Rubel zu begleichen", sagt Marggraf.

Rubel / US-Dollar
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Darüber, inwieweit die Maßnahme zur Stärkung des Rubels beitragen wird, sind sich Experten allerdings uneinig. Einige sehen in der Forderung eher den Versuch, die EU trotz der Sanktionen zu einer Interaktion mit dem russischen Finanzsektor zu zwingen. Der Markt für Rubel ist laut Heidland bei weitem nicht so liquide wie der für Euro, Dollar oder Yen. "Wenn der Markt für Rubel leergefegt ist, steigen nicht nur die Preise. Die 'unfreundlichen Staaten' müssen ihre Rubel auch direkt von der unter Sanktionen stehenden russischen Zentralbank oder zumindest von russischen Geschäftsbanken kaufen", sagt Heidland ntv.de. Somit würde zumindest der Sinn eigener Sanktionen unterlaufen.

Wie beeinflusst Putins Forderung den Energiemarkt?

Ähnlich wie der Rubel zogen auch die Energiepreise direkt nach der Verkündung von Putins Plan an. Der europäische Erdgas-Future verteuert sich zeitweise um bis zu 31 Prozent auf 130 Euro je Megawattstunde. Auch heute steigen die Preise weiter.

Hat das Auswirkungen auf den Gaspreis in Deutschland?

Das muss laut ntv-Börsenexpertin Marggraf nicht zwingend sein. "Noch sind keine Details bekannt und ist es überhaupt offen, ob die Forderung von Putin in die Realität umgesetzt wird." Der Gaspreis würde dann von dem Wechselkurs zum Zeitpunkt des Kaufs abhängig sein und den könne man aktuell nicht voraussagen. Welche Auswirkungen Putins Forderung haben wird, kann auch der Gasverband deutsche Gaswirtschaft zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. "Es macht allerdings den Eindruck, dass die Sanktionen wirken und Putin zunehmend unter Druck gerät."

Gazprom soll seine Verträge ändern.

Gazprom soll seine Verträge ändern.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Werden Energiekonzerne der Forderung nachkommen?

Es ist unklar, ob europäische Unternehmen einer Umstellung auf den Rubel zustimmen werden - auch wenn sie momentan nicht auf russisches Gas verzichten können. Der österreichische Energiekonzern OMV will es darauf ankommen lassen: Für das russische Gas gebe es weiterhin nur Euro. "Ich dürfte so etwas gar nicht", sagte OMV-Chef Alfred Stern dem TV-Sender Puls 24. Laut Vertrag seien die Rechnungen nämlich in Euro zu begleichen. Bislang sei die russische Seite noch nicht wegen dieser Angelegenheit auf die OMV zugekommen. Claudio Galimberti von dem Beratungsunternehmen Rystad hält es allerdings für möglich, dass Russland neue Verträge aufsetzt für Zahlungen in Rubel.

Kann Russland den Plan umsetzen?

Dass Russland die bestehenden Verträge einseitig ändern kann, halten Rechtsexperten allerdings für unwahrscheinlich. "Verträge werden zwischen zwei Parteien geschlossen, und sie lauten in der Regel auf US-Dollar oder Euro. Wenn also eine Partei einseitig sagt: 'Nein, Sie werden in dieser Währung zahlen', dann gibt es keinen Vertrag", sagt Tim Harcourt, Volkswirt an der University of Technology in Sydney. Susan Sakmar, Juraprofessorin und Beraterin für Flüssiggasgeschäfte, betont, es sei nicht klar, wie ernsthaft diese Forderungen seien. Zudem würde die Umsetzung lange dauern.

Analysten der Dekabank bewerten den Schritt Russlands außerdem als ökonomisch wenig sinnvoll. Sie meinen: Er dürfte letztlich ein Versuch sein, die EU zu zwingen, die eigenen Sanktionen zu unterlaufen. "Denn aktuell wären solche Zahlungen sanktionsbedingt kaum umsetzbar." Westliche Länder haben im Ausland lagernde russische Devisenreserven weitgehend blockiert. Zudem sind zahlreiche russische Geschäftsbanken von dem für internationale Zahlungen wichtigen Informationssystem Swift ausgeschlossen worden.

Devisenfachmann Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank gibt allerdings zu bedenken, dass nicht alle russischen Banken von Swift ausgeschlossen seien. Der Erwerb von Rubel, um damit die Gasrechnung zu bezahlen, sei also durchaus möglich. "Um Rubel zu erwerben, muss niemand die Sanktionen gegen die russische Zentralbank brechen." Der Schritt Putins dürfte seiner Meinung nach darauf abzielen, den taumelnden Rubel zu stützen.

Was bedeutet Putins Forderung für die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland?

Die Umstellung der Zahlungsmethode entspricht einem Top-Ökonomen zufolge einer Zuspitzung des ökonomischen Konfliktes mit dem Westen. "Das ist eine Eskalation des Wirtschaftskrieges", sagte Jens Südekum, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums. "Diese Breitseite haben nicht viele erwartet." Für Südekum stellt dies einen klaren Vertragsbruch dar. "Für Gaslieferungen gibt es langfristige Verträge, die auf Dollar lauten", sagte der Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Wenn Putin nun erklärt, er akzeptiere nur noch Rubel, bricht er diese Verträge." In irgendeiner Form werde der Westen nun reagieren müssen.

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Wenn Unternehmen trotzdem weiterhin in Dollar und Euro bezahlen, dreht Russland dann den Gashahn zu?

Die Bundesregierung steht vor einem Dilemma: Geht sie auf die Forderungen Putins ein, unterläuft sie die eigenen Sanktionen womöglich. Tut sie es nicht, könnte Putin den Gashahn zudrehen. Dieses Szenario hält Heidland vom Kiel Institut für Weltwirtschaft allerdings für unwahrscheinlich, denn damit würde Russland ein großes Faustpfand aus der Hand geben. "Aktuell ist Putin in der Lage, die EU beim Thema Gaslieferung und Finanzflüsse nach Russland zu spalten. Käme es zum Zudrehen des Gashahns, so wäre die westliche Welt noch geeinter und es wäre sozusagen eine wichtige Schachfigur vom Feld genommen", sagt Heidland ntv.de. Aber allein, dass Putin zu dieser Forderung bereit ist, zeige auch, dass er auf die Deviseneinnahmen nicht so stark angewiesen zu sein scheint.

Quelle: ntv.de, mit dpa/rts

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