German Mut statt German Angst "Wir sollten Weltmarktführer feiern wie Fußball-Weltmeister"
13.02.2024, 12:29 Uhr
Aus "Made in Germany" "Make it in Germany" zu machen, ist Verena Pausder ein Anliegen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland ist nicht mehr zu retten? Von wegen! "Wir brauchen ein Gegen-Narrativ zu 'Deutschland schafft sich ab'." Das sagt Verena Pausder, die neue Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands. Sie hat das Amt in einer Zeit übernommen, die gerade alles andere als einfach ist für die deutsche Gründerszene. Investoren sind vorsichtiger geworden, die Zinsen gestiegen und die geopolitische Lage tut ihr Übriges. Viele Startups gehen pleite. Nur zu meckern hilft aber nicht, sagt Pausder. Sie pocht auf German Mut statt German Angst und würde es gerne sehen, wenn wir in Deutschland Weltmarktführer-Unternehmen genauso feiern würden wie eine gewonnene Fußball-Weltmeisterschaft. Wie das funktionieren soll, ob sie irgendwann in die Politik gehen möchte und wie eine Elterngeldpetition zu ihrer härtesten beruflichen Prüfung wurde, verrät sie im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich".
ntv.de: Ihren neuen Job als Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands sind Sie angetreten mit dem Motto: "Wir brauchen ein Gegen-Narrativ zu: 'Deutschland schafft sich ab'." Warum ist Ihnen das so wichtig?

Die Unternehmerin Verena Pausder ist seit Dezember 2023 Vorstandsvorsitzende des deutschen Startup-Verbands. Außerdem ist sie Co-Gründerin des Fußballclubs FC Viktoria Berlin.
(Foto: Patrycia Lukas)
Verena Pausder: Gerade jetzt schafft sich Deutschland nicht ab, sondern wir schauen: Wie verhindern wir diesen massiven Rechtsruck? Das hätten wir uns zwar schon auch vor Wochen fragen können, aber durch die Correctiv-Recherche ist es hochgekommen. Viele gehen auf die Straße, zeigen Haltung und sagen, dass sie dagegen sind. Deswegen braucht es einfach in diesem Jahr so viele Menschen wie möglich, die sagen, wofür sie stehen. Die sagen, was sie vorhaben, wie sie es umsetzen wollen, die die Menschen mitnehmen, im Idealfall mitreißen, damit wir nicht in so eine Lethargie verfallen. Statt zu sagen: "Wir können doch eh nichts tun, die sind nun mal so stark, wie sie sind" müssen wir uns dieses Jahr trauen, auch mal ordentlich einen auf den Deckel zu bekommen. Es ist wichtig in einer Demokratie, dass auch die reden, die für Dinge sind und nicht nur gegen Dinge.
Wie attraktiv sind wir als Standort Deutschland überhaupt? Vor allem für Startups? 2023 sind knapp sechs Milliarden Euro Wagniskapital an deutsche Gründerinnen und Gründer geflossen. Ein Rückgang von fast 40 Prozent. Das zweite Jahr in Folge geht's nach unten.
Die Zahlen, die wir jetzt sehen, sind ein Effekt von den Jahren davor. Wir hatten eine Kapitalschwemme, die zuallererst angefacht wurde durch niedrige Zinsen und natürlich dadurch, dass digitale Geschäftsmodelle in einem Lockdown besonders gut funktioniert haben. Ob das jetzt im Homeschooling war oder Medikamente nach Hause zu bringen. Jetzt haben diese zwei Jahre dazu geführt, dass eben nicht neun von zehn Startups pleitegegangen sind, weil alles weiter finanziert wurde und auch einiges, was vielleicht keinen Sinn ergeben hat. Und dafür haben wir jetzt ein bisschen die Quittung gekriegt. Ich glaube aber, dass das die Talsohle war. Jetzt geht es eher darum, wie wir es schaffen, dass die erfolgreichen deutschen Startups deutsch oder europäisch bleiben und nicht nur außereuropäisches Geld bekommen, um weiter wachsen zu können.
Wie wird Deutschland wieder mutiger, Frau Pausder?
Wir erzählen ganz viel über Erben, die es angeblich leicht hatten und Menschen, die es nicht geschafft haben. Aber die, die einfach eine Idee hatten, sie finanziert bekommen und sie groß gemacht haben, deren Geschichten mögen wir immer nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn sie dann zu erfolgreich werden und zu groß und zu viele Millionen haben, dann denken wir wieder: Das ist jetzt doch zu viel. So funktioniert Unternehmertum aber nicht. Deswegen hoffe ich, dass wir diese Geschichten mehr erzählen und wir auch einfach stolz darauf sind. Ich würde gerne Weltmarktführer genauso feiern, wie wenn wir Fußball- oder Basketballweltmeister werden. Wenn wir hier eine Innovation entwickeln, von der die ganze Welt spricht, dann ist Deutschland mal wieder Talk of Town und dann ist Made in Germany nicht so ein Narrativ der Vergangenheit.
Und wie kriegen wir das ganz konkret hin?
Indem wir erstens aus "Made in Germany" - "Make it in Germany" machen. Du kannst es hier schaffen, du kannst hier einwandern und schnell in Arbeit kommen. Du kannst hier gründen und groß werden. Hier ist Kapital, hier sind attraktive Rahmenbedingungen. Hier in Europa ist es so lebenswert, mit all seiner Kultur, seiner Vielfalt, seiner Geschichte. Und das Zweite ist, sich anzuschauen: Was hindert uns da im Moment alles dran? Zum Beispiel die Bürokratie, die eher immer größer und größer wird, wie wir in der Bildung nicht vom Fleck kommen, seit Jahrzehnten bei der Digitalisierung über die gleichen Themen reden. Da sind wir so langsam und so rückständig und ich hoffe, dass wir vom Startup-Verband unseren Beitrag leisten können. Denn da geht auf jeden Fall noch was.
Warum gehen Sie nicht in die Politik?
Vielleicht mal irgendwann. Aber dadurch wird es ja auch nicht besser, weil es ja nicht eine Frage von einzelnen Menschen ist, sondern vom System. Die Verwaltung muss beispielsweise einfach digitaler werden. Wir müssen uns wirklich mal wieder trauen, zu sagen: Wir haben da echt ein tolles Land mit einer tollen Wirtschaft, haben einen Wohlstand kreiert. Und was ist jetzt ab jetzt unser Sprungbrett, von dem wir abspringen wollen? Wie bauen wir das neu und das heißt dann eventuell auch mal, dass wir Dinge anders machen, dass wir Ministerien noch mal überdenken, ob die so groß sein müssen, ob die in so großen Gebäuden sitzen müssen, die immer noch größer werden. Warum da eigentlich kein Remote Work oder hybrides Arbeiten Einzug erhält? Und ob wir nicht auch ran müssen an die Reform der Bildung und der Verwaltung, damit das Ganze überhaupt funktionieren kann.
Mit Verena Pausder sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.
"Startup - jetzt ganz ehrlich" - der Podcast mit Janna Linke. Auf RTL+ und überall, wo es Podcasts gibt: Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed
Quelle: ntv.de, cam