
Dieser Teilnehmer einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen setzt lieber auf Aluhut als auf die Impfung.
(Foto: picture alliance / Daniel Kubirski)
Egal, ob Corona-Leugner oder Klimaskeptiker: Fake News finden enormen Anklang. Aber bei wem? Einige Menschen sind anfälliger für den Glauben an krude Theorien als andere, wie eine neue Studie zeigt. Entscheidend sind demnach bestimmte Persönlichkeitsmerkmale.
Meldungen wie "Corona-Impfstoffe machen unfruchtbar" und "Wer Bleichmittel trinkt, tötet die Viren" sind in der Pandemie über hunderttausende Bildschirme geflimmert. Ebenso viele Zuschauer erreicht ein Youtuber, der Bill Gates unterstellt, die Menschheit mithilfe von Biowaffen aus der Ukraine minimieren zu wollen. In der Kommentarspalte wird er dafür gefeiert - von Zweifeln keine Spur.
Dabei braucht es nur ein paar Klicks, um festzustellen, dass an diesen Beiträgen nichts dran ist. Dass sie längst wissenschaftlich oder behördlich widerlegt sind. Bei einigen genügt gar der reine Verstand - etwa, wenn Angela Merkel als Reptiloid mit Weltmachtsfantasien bezeichnet wird. Doch statt als reine Lüge enttarnt zu werden, werden diese Desinformationen tausendfach geteilt. Fake News finden einen enormen Anklang. Aber bei wem?
Mit dieser Frage haben sich Jan Philipp Rudloff und Markus Appel von der Universität Würzburg in einer neuen Studie beschäftigt. "Natürlich gibt es nicht den einen Typ Mensch, der zwangsläufig an Fake News glaubt", erklärt der Psychologe Rudloff im Gespräch mit ntv.de. Allerdings gibt es Merkmale, die Menschen anfälliger für den Glauben an Falschmeldungen machen, wie Rudloff herausfand. Entscheidend ist das individuelle Verständnis davon, was Wissen und Fakten eigentlich sind - man spricht auch von sogenannten epistemischen Überzeugungen.
Fakten-Ignoranz macht anfällig
So bewerten Menschen die Richtigkeit von Informationen auf unterschiedliche Weise. Während einige viel Wert auf stichhaltige Beweise legen, hat bei anderen die Intuition Vorrang. Sie haben nicht das Bedürfnis, ihr Bauchgefühl mit Beweisen abzusichern - Meinung und Fakten sind für sie gleichwertig. Auch gibt es verschiedene Ansichten darüber, ob es objektive Fakten gibt oder diese lediglich von Politikern zum eigenen Nutzen geschaffen wurden. "Wir wollten wissen, wie diese Eigenschaften mit der Fähigkeit, zwischen wahren und falschen Schlagzeilen zu unterscheiden, zusammenhängen", erklärt Rudloff die Forschungsfrage.
Um das herauszufinden, legten sie 600 Probanden und Probandinnen aus den USA verschiedene Meldungen vor. Alle Nachrichten kursierten bereits in den Medien wie etwa "In den ersten drei Jahren unter Trump wurden 1,5 Millionen weniger Jobs geschaffen als in den letzten drei Jahren von Obamas Amtszeit". Die Teilnehmer sollten nun den Wahrheitsgehalt dieser Nachrichten bewerten und anschließend angeben, wie stark sie bei der Beantwortung auf ihr Bauchgefühl vertraut haben und wie viel Wert sie auf Beweise legten. Das Ergebnis: Menschen, die sich stark auf ihre Intuition verlassen, wenig Wert auf Beweise legen und die glauben, Fakten werden von den Mächtigen geschaffen, sind anfälliger für Fake News. "Wer ohnehin nicht an Fakten glaubt, hat auch Schwierigkeiten, falsche von wahren Meldungen zu unterscheiden", fasst es Rudloff zusammen.
Das ist jedoch nicht die einzige Eigenschaft, die für Fake News anfällige Menschen verbindet. Die Forscher stießen auf ein weiteres Merkmal: die dunkle Persönlichkeit. Dunkle Persönlichkeitsmerkmale gibt es viele. "Die bekanntesten drei sind allerdings Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie", erklärt Rudloff. "Man nennt sie auch die dunkle Triade." Während sich narzisstische Menschen überlegen fühlen und gerne im Mittelpunkt stehen, streben machiavellistischen Personen nach Macht und Status. Psychopathie Züge zeichnen sich hingegen besonders durch impulsives und angstfreies Verhalten aus. Diese Merkmale haben einen gemeinsamen Kern, sagt der Psychologe. "Menschen mit starkem Dunklen Faktor der Persönlichkeit sind ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht - ohne Rücksicht auf andere zu nehmen."
Fake News kommen dunklen Persönlichkeiten gelegen
Auf diesen gemeinsamen Nenner konzentrierte sich die Studie. So mussten die Befragten auch beantworten, wie wichtig ihnen die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen ist. Notfalls auf Kosten ihrer Mitmenschen. Die Forscher konnten so bestimmen, wie stark die dunklen Persönlichkeitsmerkmale der Teilnehmer ausgeprägt sind. Das Ergebnis bestätigt die Theorie der Forscher: Je stärker der Dunkle Faktor der Persönlichkeit der Versuchspersonen war, desto stärker bezweifelten sie, dass es einen Unterschied zwischen Fakten und Meinung gibt. Rudloff erklärt den Zusammenhang so: "Wer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, versucht sich die Wirklichkeit so zu Recht zu biegen, dass sie in das eigene Weltbild passt." Fake News kommen da oft gelegen.
Welche Konsequenzen das hat, zeigte sich zuletzt in der Pandemie. Denn wer mit der entsprechenden epistemischen Überzeugung glaubte, das Coronavirus sei ungefährlich, hielt es auch nicht für notwendig, sich impfen zu lassen. Kamen dann noch dunkle Persönlichkeitsmerkmale hinzu, tat man es auch nicht für andere. Die Meldung "Impfen macht unfruchtbar" passte somit ganz hervorragend ins eigene Weltbild.
Auch Fehlinformationen zum Klimawandel
Ähnliches könnte nun im Kampf gegen die Klimakrise geschehen, fürchtet die internationale Klimaschutzorganisation IPCC. So haben Fehlinformationen über den Klimawandel "und das vorsätzliche Untergraben der Wissenschaft zu einem falschen Bild des wissenschaftlichen Konsenses" geführt, wie es in einem Bericht der Organisation vom Februar heißt. Die Folge: "Unwissenheit, Missachtung von Risiken und Dringlichkeit der Krisen und Meinungsverschiedenheiten."
Wenn allerdings 97 Prozent der Klimaforscherinnen und Klimaforscher zu der Erkenntnis kommen, dass der Klimawandel menschengemacht ist, könne man dazu keine zweite Meinung haben, sagt Rudloff. Denn ab einer gewissen Menge von Beweisen spreche man von einem Fakt. "Diesen Weg gehen manche Menschen aber nicht - für sie sind alle Meinungen gleichwertig."
Der Psychologe plädiert daher dafür, den Umgang mit Wissen, Fakten und Meinungen schon Kindern und Jugendlichen beizubringen. "Denn in genau dieser Phase entstehen unsere epistemischen Überzeugungen." Was in der Schule noch zu vermitteln sei, sei im Erwachsenenalter kaum noch möglich. Auch, weil epistemische Überzeugungen ein guter Schutz vor der Argumentation anderer sein können. "Wer einmal zu der vermeintlichen Erkenntnis gekommen ist, dass Meinungen gleichwertig sind, dem kann man noch so viele Fakten vorlegen", sagt Rudloff. "Sie oder er wird diese immer abblocken."
Quelle: ntv.de