35 Jahre "Das Leben des Brian"Dieser Film ist keine Sünde

Der beste Witz aus "Das Leben des Brian"? Kann man nicht sagen, es sind zu viele. Bei seiner Premiere allerdings liefen Kritiker Sturm gegen den Film. Dabei war eine besonders umstrittene Szene mit einem jüdischen Hitler gar nicht zu sehen.
Der Film sei ein "abscheulicher und widerlicher Angriff auf religiöse Gefühle", hieß es. Er sei ein "Akt der Blasphemie" und wer ihn ansehe, begehe eine Sünde. Als vor genau 35 Jahren "Das Leben des Brian" in New York seine Uraufführung feierte, kochten die Emotionen einiger christlicher und jüdischer Gruppen über.
Sie fanden es skandalös, dass da ein Film das Leben Jesu persiflierte, dass die Bergpredigt veralbert wurde und ein Ex-Leprakranker sich über die Wundertaten des Messias beschwerte, weil sie ihm den Job als Bettler gekostet hatten. Jüdische Kritiker bemängelten dagegen die Verwendung eines Gebetsschals. All das und viel mehr wurde den britischen Komikern von Monty Python vorgeworfen, als sie den Streifen in die Kinos brachten.
Der Produzent war abgesprungen
Überraschend waren die Proteste, die den Erfolg des Streifens an den Kinokassen noch anheizten, nicht. Schließlich hatte der Film bereits im Vorfeld für Aufsehen gesorgt - der Produzent war sogar abgesprungen, weil ihm das Thema zu brisant erschien und konnte erst im letzten Moment durch Ex-Beatle George Harrison ersetzt werden. Und die Pythons hatten den Ort der Premiere bewusst in die USA verlegt, im Vertrauen auf die hier verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit.
Irritierend für die Filmemacher war wohl eher, dass viele Kritiker den Film absichtlich missverstanden. So sie den Film denn überhaupt gesehen hatten, weigerten sie sich, den Unterschied zwischen Jesus und Brian zu erkennen, auf den die Komiker immer wieder hinwiesen. Im Mittelpunkt des Streifens steht eben nicht Gottes Sohn. Vielmehr wird die Geschichte des Juden Brian erzählt, dessen Leben parallel zu dem von Jesus verläuft.
Auch wenn dies viele fundamentalistische Kritiker anders sahen: Den Briten ging es nie darum, sich über Jesus oder den Glauben an Gott lustig zu machen. Vielmehr nehmen sie anhand von Brian blinden Eifer und Dogmatismus aufs Korn.
Denn Brian will gar kein Messias sein. Doch so sehr er sich auch bemüht, er wird seine Anhänger nicht mehr los. "Ihr sollt niemandem folgen, ihr sollt selbstständig denken", ruft Brian ihnen vom Fenster aus zu - doch sie antworten im Chor. Zuvor war die Menge in blindem Glauben bereits seiner Sandale gefolgt und hatte über die richtige Interpretation des Schuhwerks gestritten - Terry Jones sagte über jene Szene, dass sie die Geschichte der Kirche in drei Minuten wiedergebe.
Gepriesen sind die Skifahrer
Auch die Darstellung der Bergpredigt zeigt, wie falsch die Kritiker vor 35 lagen. Man sieht Jesus, wie er zu einer großen Menge von der gegenseitigen Liebe spricht. Der Film jedoch konzentriert sich auf die Menschen, die weit entfernt zuhören - und seine Worte missverstehen. Gepriesen sind die Skifahrer? Gepriesen sind die Siechen? Nicht Gottes Sohn und seine Worte werden hier verulkt, sondern wie die Menschen Gottes Botschaft verdrehen. Der Film sei keine Blasphemie, sondern Ketzerei, also gegen die Kirche gerichtet, sagte Terry Jones ganz treffend.
Doch nicht nur die Kirche bekommt im Film ihr Fett ab. Selten wurden Zersplitterung, Dogmatismus und Debatteneifer linker Gruppen besser persifliert als mit der Konkurrenz zwischen Volkfront von Judäa und Judäischer Volksfront. Permanent wird diskutiert, protokolliert und abgestimmt - etwa darüber, ob Stan nun Loretta genannt werden soll. Man bekämpft sich gegenseitig, anstatt gegen den gemeinsamen Feind vorzugehen. Selbst als Brian schon längst am Kreuz hängt, spricht man lieber darüber, als etwas zu unternehmen.
Aber natürlich ist es nicht nur diese Gesellschaftssatire, die "Das Leben des Brian" so legendär gemacht hat. Es gibt auch Witze unter der Gürtellinie: Die Szene im Palast von Pontius Pilatus ("Werft den Purschen zu Poden!") oder jene mit dem lispelnden Schwanzus Longus sind alles andere als subtil. Es gibt unzählige weitere Szenen, die Fans auswendig nachsprechen können, sei es die Steinigung ("Ist hier etwa Weibsvolk anwesend?") oder die Kreuzigung ("Jeder nur ein Kreuz!"). Und es gibt den Abschlusssong "Always Look on the Bright Side of Life", der längst ein Eigenleben entwickelt hat.
Der letzte Höhepunkt ihres Schaffens
Ist es da ein Wunder, dass "Das Leben des Brian" als bester Film von Monty Python und ein letzter Höhepunkt ihres Schaffens gilt, bevor sie sich endgültig zerstritten? Das mag auch daran liegen, dass keiner ihrer anderen Filme dessen erzählerische Stringenz erreicht. Eine besonders umstrittene Szene (siehe Video rechts) allerdings wurde aus vermeintlich dramaturgischen Gründen herausgeschnitten. Oder war es doch die Angst vor weiteren Protesten?
Es geht um Otto, den Anführer des Selbstmordkommandos der Judäischen Volksfront. Er spricht Brian in jener geschnittenen Szene mit Hitlergruß und "Heil Führer" an. Dazu trägt er ein Hitlerbärtchen und einen Helm, auf dem ein Davidstern prangt, dessen Enden einem Hakenkreuz nachempfunden sind.
Dann erzählt Otto, dass er auf der Suche nach dem seit Jahrhunderten versprochenen Führer sei, der das Land vom "nichtjüdischen Abschaum" befreien und ein tausendjähriges jüdisches Reich errichten soll. Zum Beweis der eigenen Schlagkraft stellt er Brian das Selbstmordkommando vor, das sich auf Befehl vermeintlich selbst richtet.
Ein jüdischer Hitler-Verschnitt? Man mag sich kaum ausmalen, welchen Furor diese Szene ausgelöst hätte, wenn sie im Film verblieben wäre. Dabei passt sie eigentlich ganz gut zum Tenor, den die Pythons in dem Film anschlagen. Es geht nicht gegen eine Religion oder den Glauben. Es geht gegen Hass und Extremismus. Egal, woher er kommt.