Das alte Fieber"Schimanski" kehrt zurück

Haarfärbemittel hin, Schonhaltung her - bei Schimanski kribbelt es auch mit 75. Dabei hätte der Bulle im Unruhestand ein stimmigeres Skript verdient gehabt. Doch schon bald könnte es heißen: "Tschüssikowsky, Schimanski".
Gangsterboss Kaijewski ist verzweifelt. Seine Tochter Jessica, das Ergebnis eines One-Night-Stands, ist verschwunden. Die ist 14 Jahre alt, mag Plastik-Einhörner und den feschen Nils. Was ihr erst nach und nach dämmert: Nils ist ein "Loverboy", eine Art Makler für Zuhälter und Puffs. Sein Auftrag lautet, die Girls gefügig machen, zu isolieren und sie fürs horizontale Gewerbe zu präparieren. Gott sei Dank hat Kaijewski noch gute Kontakte zur Polizei, besser gesagt, zu einem Ehemaligen: Horst Schimanski. Der schickt sich nun an, die vom Weg abgekommene Teenagerin wieder nach Hause zu ihrer Mutter zu bringen.
Schimmis Ex-Kollege Hänschen, frisch zum Ritter geschlagen, sucht derweil den Mörder des 20-jährigen Daan, der mit einer Kugel in der Brust vor einer Disco aufgefunden wurde. Das hat erst einmal wenig miteinander zu tun, irgendwann, man ahnt es früh, werden die Fäden der beiden Fälle natürlich miteinander verknüpft.
Beinah drei Jahre musste man auf einen neuen "Schimanski" warten, sein letzter Fall "Schuld und Sühne" datiert vom 30. Januar 2011. Und ja, auch die 17. Ausgabe um den Pöbelbullen in der Knitterjacke löst immer noch ein nostalgisches Kribbeln aus. Apropos Jacke - charmant, wie Schimanski in einem Altkleider-Karton aus seinem obersten Schrankfach nach einer Joppe sucht, ein Exemplar mit Einschussloch beiseitelegt, sich für ein anderes, unbeschädigtes Exemplar entscheidet: "Die ist noch gut!"
Fluchen erlaubt
Überhaupt geht es auch in einem Schimanski-Krimi anno 2013 nicht ohne das übliche Repertoire aus dem Stilköcher des Bullen, der den Rentnerstatus einfach nicht begreifen will. Schimmi pöbelt und flucht (lediglich dreimal "Scheiße"), geht keiner Prügelei aus dem Weg und flüchtet per Hechtsprung vor heranbretternden Autos. Sagt nein zu Rotwein (zumindest nach dem dritten Glas auf Ex), ja zu Bier. Und auch das proto-realistische Résumé made in Duisburg darf nicht fehlen: "Der Pott heißt jetzt iPod. Uns vermisst niemand", konstatiert Schimanski in der verräucherten Zelle von Kaijewski. Das klingt platter als es letztlich ist: George schafft es tatsächlich, auf dem schmalen Grat zwischen Selbstreferenz und Zitatquatsch nicht abzustürzen.
Dass George sich aus dem selben Haartönungstöpfchen wie gewisse Altkanzler bedient, steckt man ebenso weg wie die alberne Szene, als er sein Handy falsch herum hält. Das Problem an diesem Fall ist vielmehr alles außer Schimanski. Vladimir Burlakov liefert nicht einen Hinweis darauf, warum Jessica (Muriel Wimmer) ihrem Loverboy verfällt. Jessicas Eltern (Nina Kronjäger und Thomas Lawinky) wirken wie Fremdkörper in ihrer Motorradwerkstadt und ihren Biker-T-Shirts, von denen die Requisite ihnen ruhig mehr als jeweils nur eines zur Verfügung hätte stellen können. Gangsterboss Kaijewski, wenn auch in schicker Adidas-Couture, wäre bei Peter Thorwarth ("Bäng Boom Bäng) sicher nicht durchgegangen und wenn Schimanski schon ein Fall für die Rente ist, dann gehört Hänschen (Chiem van Houweninge) längst in eine Rommé-Runde im Altenstift.
Unschön auch, wie einem hier alles erzählt, erklärt, beigepult wird. Dass Schimmi im Paternoster nicht wegen eines etwaigen Blowjobs von Dauerfreundin Marie-Claire (Denise Virieux) ächzt, sondern weil er die enge Hose nicht zubekommt. Oder der leidige Off-Monolog von Gemüsehändlerin (und letztendlich auch Mörderin) Susanne Mellert (Anna Loos) über die Loverboys, damit der Zuschauer auch ja die Fakten im Block geliefert bekommt und bloß nicht nachdenken muss.
"Tschüssikowsky, Schimanski"?
Dabei ist dieser Schimanski-Fall in jenen seltenen Fällen stark, da er sich auf seine Bilder, seine wunderbare Kulisse Duisburg, den simplen Gang der Dinge konzentriert: Jene klassische Kamerafahrt etwa, wie Schimanski unter dem Gejohle und Bechergeklopfe der Knackis majestätisch den Gefängnisflur hinunterschreitet. Die tiefstehende, rostrote Sonne hinter den Silhouetten der alten Zechen oder jene Sequenz, als Schimanski die Tatwaffe von Susanne Mellert in der Glut eines riesigen Hochofens verschwinden lässt. Hier ist der Pott, ist Schimmi wieder ganz bei sich selbst. Auch nach 32 Jahren noch.
Im Vorfeld dieses Krimis soll es Diskussionen ums Budget gegeben haben, zwischen George und seinem Haussender, dem WDR soll es kriseln. Die Zeichen könnten auf Abschied stehen. Vielleicht heißt es schon bald, oder gar schon jetzt: "Tschüssikowsky, Schimanski". Bei aller Kritik und der Diskussion ein trauriger Moment, nicht nur für ausgeprägte TV-Nostalgiker. Wie sagte es der große Peter Ustinov einst: "Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen."