"Es droht ein zweites Rio" McLaren frustiert vom Anti-Doping-Kampf
26.04.2017, 19:38 Uhr
Frustrierter Anti-Doping-Kämpfer: Richard McLaren.
(Foto: AP)
Der unabhängige Doping-Ermittler Richard McLaren beklagt mangelnde Fortschritte im Anti-Doping-Kampf. Der kanadische Rechtsprofessor erklärt bei einem Besuch in Berlin: "Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwille besteht."
Um seiner tiefen Enttäuschung Ausdruck zu verleihen, brauchte Doping-Jäger Richard McLaren nicht einmal die Hälfte seiner ursprünglich vorgesehenen Redezeit. "Ich habe mich bisher nicht dazu geäußert, wie der internationale Sport reagieren sollte. Aber es frustriert mich immer mehr, was passiert", sagte der Kanadier während seines mit Spannung erwarteten Auftritts vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages.
McLaren hatte in seiner Untersuchung im vergangenen Jahr ein institutionelles Dopingsystem in Russland bewiesen, doch zehn Monate vor den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ist der Wada-Sonderermittler angesichts der weiterhin ausbleibenden Konsequenzen mehr als ernüchtert. Es könnte allerdings noch schlimmer kommen: Weil die IOC-Untersuchungen weiter andauern, droht sogar "ein zweites Rio".
"Es müssen konkrete Schritte eingeleitet werden, um das Problem an der Wurzel zu packen", sagte McLaren. "Nach meinem zweiten Bericht bin ich etwas entmutigt worden, weil IOC, Wada und der internationale Sport meiner Meinung nach halbherzig gehandelt haben", sagte der Rechtsprofessor: "Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwille besteht."
Entscheidung bis spätestens Pyeongchang
Das IOC hatte nach dem ersten McLaren-Bericht zwei Kommissionen eingesetzt, die derzeit die Hinweise auswerten. Wann diese Ermittlungen abgeschlossen werden, ist noch offen. Darüber hinaus hat das IOC unter anderem im Zusammenhang mit den Manipulationen in Sotschi 28 Ermittlungsverfahren gegen russische Sportler eingeleitet.
In der Stellungnahme für den Sportausschuss erklärte das IOC: "Derzeit kann aufgrund der notwendigen weiteren umfangreichen Untersuchungen kein Zeitpunkt für den Abschluss der Sanktionsverfahren des IOC verlässlich vorhergesagt werden." Ziel sei es allerdings, so das IOC, "rechtzeitig" vor den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar 2018) zu Entscheidungen zu kommen.
Die Erkenntnisse des ersten McLaren-Reports hatten vor den Olympischen Spielen in Rio zu großen Diskussionen geführt. Das IOC hatte sich letztlich gegen einen Komplett-Ausschluss des russischen Teams entschieden. Unter großem Zeitdruck mussten die einzelnen Sportverbände über die Zulassung der russischen Sportler entscheiden. Ein verwirrendes Hin und Her - ohne einheitliche Regeln. Am Ende starteten rund 270 russische Sportler.
"Es darf sich nicht wiederholen"
Ein ähnliches Wirrwarr vor den Winterspielen 2018 sieht DOSB-Präsident Alfons Hörmann als unzumutbar an. "Das, was dort passiert ist, darf sich nicht wiederholen. Pyeongchang darf kein zweites Rio werden", sagte Hörmann: "Deshalb ist bei allen Kommissionen der Zeitfaktor zu berücksichtigen, andernfalls droht ein ähnliches Szenario wie in Rio."
Hörmann betonte, die Zustände in Russland seien nicht zu akzeptieren. "Wenn weder Schuldbewusstsein erkennbar ist, noch irgendein Umdenken erfolgt, dann sehen wir klare und harte Sanktionen als dringend erforderlich", sagte Hörmann: "Für uns war es unvorstellbar, in welcher Mannschaftsstärke Russland in Rio angetreten ist."
IOC-Generaldirektor Christophe de Kepper ("Die Situation ist nicht rosarot") rechnet unterdessen damit, dass es nach Abschluss der Ermittlungen weitere Sanktionen geben werde. "Ich kann keine Einschätzungen geben, welche Möglichkeiten es da geben wird, das wird vor allem von der Beweislast abhängen", sagte de Kepper: "Es ist aber vorauszusehen, dass es im Rahmen der beiden Verfahren weitere Sanktionen geben wird."
Quelle: ntv.de, Dominik Kortus & Jörd Soldwisch, sid