Traumtrio auf Tour Ausfahrt mit Porsche 959, Carrera GT und 918 Spyder
17.12.2022, 07:56 Uhr Artikel anhören
Gemeinsam bekommt man die drei Porsche-Legenden 959, Carrera GT und 918 Spyder wohl selten zu sehen.
(Foto: Patrick Broich)
Die Gelegenheit ist selten, gleich drei besondere Porsche-Legenden gemeinsam auszuführen. Aber ntv.de nutzte die Gunst der Stunde und wechselte einen Tag lang zwischen 959, Carrera GT und 918 Spyder. Ein Vergleich ziemlich Ungleicher. Pure Freude bereiten sie jedoch alle.
Vorfreude ist bekanntermaßen die schönste Freude und die gibt es reichlich, wenn man einen größer angelegten Vergleich historischer Preziosen plant. Schließlich müssen alle Autos gleichzeitig verfügbar sein, was bei den regen Aktivitäten der Porsche-Klassik-Abteilung durchaus ein Hindernis sein kann. Und das Wetter, ganz wichtig, muss natürlich passen. Kein Salz auf der Straße, trockener Asphalt - sonst wird das nichts. Irgendwann kommt der große Tag, als die drei Porsche-Legenden, also 959, Carrera GT und 918 Spyder, aufgetankt und von der Werkstatt frisch gewartet, bereitstehen für eine ausgiebige Tagestour. Und weil man ja nicht allein drei Autos gleichzeitig bewegen kann, helfen zwei Porsche-Bedienstete nach Kräften.

Wenn das Trio 959, Carrera GT und 918 Spyder auftaucht, bleiben die meisten Passanten stehen - entweder vor Ehrfurcht oder aus Neugierde.
(Foto: Patrick Broich)
Doch nach der Ankunft irgendwo zwischen Stuttgart und Ludwigsburg kann einfach noch nicht gleich losgefahren werden. Erst mal runterkommen. Und da die Autos in einem Depot parken, wo Porsche so manche aufregende automobile Juwelen vom Diesel-Trecker über diverse LMP-Rennsportwagen respektive 550 Spyder bis hin zum dagegen schon profan wirkenden Taycan in pastelliger Babyblau-Lackierung abgestellt hat, avanciert das schiere Umschauen in der Halle zum theoretischen Teil der Vorbereitung auf die Ausfahrt mit den drei raren Sammlermodellen.
Der rare Porsche 959 war, ist und bleibt Legende
Kurze Einführung: Der doppelt aufgeladene und 450 PS starke Porsche 959 mit Allradantrieb wurde nur in homöopathischen Dosen und zu horrendem Kurs auf die Straße gelassen. Kein Wunder, dass unter den knapp 300 Käufern auch Promis wie Dirigentenstar Herbert von Karajan oder Tennisberühmtheit Martina Navrátilová zu verzeichnen waren.

Selbst der Ausnahme-Boxermotor des Porsche 959 macht äußerlich nicht viel her.
(Foto: Patrick Broich)
Dass es sich bei dem außergewöhnlichen Porsche um ein verspätet ausgeliefertes Homologationsmodell der Rallye Gruppe B handelt - da gab es die Gruppe B schon gar nicht mehr -, sieht man dem Straßenmodell (das Reglement forderte 200 davon) gar nicht so sehr an. Sicher, das überbreite Heck mit dem allerdings harmonisch gezeichneten Spoiler lässt schon ahnen, dass unter diesem Blech etwas mehr Power steckt. Um genau zu sein, 150 PS mehr als unter dem des zeitgenössischen 911 Turbo. Doch innen? Ziemlich gewöhnliches Elfer-Feeling.
Aber der damals 420.000 D-Mark teure 959 soll nicht weniger als das schnellste Serienfahrzeug der Welt gewesen sein. Könnte hinkommen - ohne Gewähr auf Vollständigkeit. Ferrari brachte den wenige km/h (321 statt 317) schnelleren F40 erst später, Lamborghini hatte mit dem sperrigen Zwölfzylinder Countach zwar ein stärkeres (455 PS), aber deutlich langsameres (295 bis 300 km/h) Pferd im Rennen. Der Überflieger und knapp 340 Sachen schnelle Bugatti EB110 kam erst, als der 959 schon gar nicht mehr gebaut wurde, und Maserati war zu diesem Zeitpunkt ein Totalausfall.

Der sündhaft teure Porsche 959 wirkt innen wie ein profaner Faltenbalg-Elfer.
(Foto: Patrick Broich)
16 Jahre später schickt sich erneut ein Super-Porsche an, um die Herzen wohlhabender Markenfans zu erobern. Der Carrera GT kostet im Jahr 2003 mehr Euro (452.000) als der 959 damals in D-Mark. Die Leistung des "CGT", wie Fans ihn abkürzen, liegt mit 612 PS deutlich über jener des 959 - und sein Konzept ist völlig anders. Zehn statt sechs Zylinder, Sauger statt Doppelturbo mit Registertechnik und Hinterrad- statt Allradantrieb. Nur die Trockensumpfschmierung ist beiden gemein - klar, bei der potenziellen Querperformance auch sinnvoll für einen stabilen Ölfilm in der Buchse.
Leichtbau gehört zu den wichtigsten Tugenden des Carrera GT, daher kommen kohlefaserverstärkter Kunststoff und Magnesium zum Einsatz. Die Basis für den kunstvoll-ästhetisch designten 5,7-Liter-V10 wurde zwischen 1998 und 2000 von den Entwicklern der Porsche-Motorsportabteilung geschaffen, um damit eigentlich im 9R3-Rennsportwagen am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilzunehmen. Allerdings kam es nie zu einem Renneinsatz. Mit knapp 1300 verkauften Einheiten blieb der Absatz unter den eingeplanten 1500 Exemplaren.
Im 918 Spyder stecken die Gene eines Hybrid-VLN-Rennsportlers

Im Vergleich zu 959 und 918 Spyder präsentiert sich der Carrera-GT-Zehnzylinder ästhetisch aufbereitet.
(Foto: Patrick Broich)
Mit dem exakt zehn Jahre später ausgelieferten 918 Spyder zum Tarif von rund 768.000 Euro bringt Porsche abermals ein völlig neues Konzept eines herausragenden Hypersportlers. Der analog zum Modellnamen in 918 Einheiten gefertigte Hybridsportler darf durchaus als Resultat (in Form eines Serienmodells) der gesammelten Erfahrung mit dem VLN-Langstreckenrennwagen 997 GT3 R Hybrid verstanden werden - so haben es Technikkomponenten dieses Modells in die Serie geschafft. Allerdings übertrifft der 918 die 642 Pferdchen des Rennelfers mit 887 PS Systemleistung sogar deutlich. Und statt Sechszylinder-Boxer gesellt sich hier ein rassiger Achtzylinder-Saugmotor mit 4,6 Litern Hubraum zu den zwei E-Maschinen. Von denen boostet die eine mit 129 PS an der Vorderachse, die andere schickt weitere 156 Pferdestärken an die Hinterachse.
Mit diesem Wissen im Kopf herumschwirrend und dem Eindruck, den der automobile Inhalt der großen Lagerhalle erzeugt hat, ereilt mich der unfassbare Luxus, jetzt aussuchen zu dürfen, mit welchem der drei besprochenen Kandidaten ich starte. Ich entscheide mich für das Supercar mittleren Alters, also den Carrera GT. Der Grund ist: Sowohl 959 als 918 Spyder sind einfacher zu fahren, zumal ich den 918 ein paar Jahre zuvor bereits ausgeführt habe.

Feine Lederbeschläge machen das Interieur des Carrera GT nobel, der Holzknauf des Schalthebels wirkt deplatziert.
(Foto: Patrick Broich)
Der GT ist berüchtigt für seine kompliziert handhabbare Keramikkupplung. Was viele Leute allerdings nicht wissen (ich seinerzeit auch nicht), ist, dass der Wagen ohne ESP indes über eine Art Anfahrelektronik verfügt, um die empfindlich teure Überholung der Kupplung möglichst lange hinauszuzögern. Also einfach im Leerlauf langsam einkuppeln, den Rest regelt der Computer und passt die Drehzahl an. Besonders gemein ist, dass ich zum Auftakt am Berg anfahren muss, denn die Torausfahrt führt geradewegs auf eine Steigung zu. Aber immerhin nicht abgewürgt (später allerdings schon ab und zu). Sirrend wie ein Zahnbohrer kann der Zehnzylinder klingen je nach Last und hell kreischen Richtung Drehzahlende. Auch wenn das Bild nicht attraktiv wirken mag (mir fällt kein anderer Soundvergleich ein), ganz ehrlich, der V10 zählt zu den am schönsten klingenden Motoren überhaupt. Und das ist nicht übertrieben.
Der zehnzylindrige Carrera GT ist ein Leichtbauprofi
Und sonst so? Das verschachtelte Kombiinstrument erinnert an das Interieur des ungeliebten 996 (ähnliche Tachoeinheit), wirkt etwas belanglos - und der mit Holzgriff versehene Schalthebel irritiert zumindest ob seines Stils. Keine Sorge, macht der Antrieb mehr als wett. Und zwar wenn die Drehzahlmessernadel über die Skala fliegt und den ultraleichten Sportler (1380 Kilogramm) auf Tempo schmettert. Man muss aber wissen: Wenn es richtig nach vorn gehen soll, braucht die Kurbelwelle Rotationen. Also den V10 nie unter 6000 Touren fallen lassen und immer fleißig schalten. Der Carrera GT beißt einfach nicht so wie heutige Turbos. Und auch nicht so wie frühe.
Diesen Beweis liefert unmittelbar nach dem Umstieg der betagte 959. Der für damalige Zeiten (und selbst für aktuelle) als Hightech-Athlet durchgehende Schwabe ist so unglaublich giftig und fühlt sich sogar brutaler an als der 15 Jahre neuere Mittelmotorbolide. Bis knapp 3000 Umdrehungen weht ein eher laues Lüftchen, aber dann! Sobald der erste Turbo mit punktgenau temperiertem Abgas versorgt wird, fängt der Sechszylinder mit wassergekühltem Zylinderkopf an zu schieben. Aber so richtig.
Und ehrlich gesagt durchbricht die mechanische Anzeigenadel des eng skalierten Tachos (bis 350 km/h) rechts neben dem Drehzahlmesser die 200-km/h-Marke gar nicht wesentlich später, als das beim Carrera GT der Fall ist. Die Kollegen der Fachzeitschrift "Auto Motor und Sport" ermittelten vor nicht allzu langer Zeit 11,4 Sekunden für diesen Sprint. Damit rangiert der 1,6-Tonner bloß rund anderthalb Sekunden hinter dem Carrera GT. Dabei kämpft der mit elektronischer Dämpferregelung ausgerüstete Allradler allerdings nicht mit Traktionsproblemen (der Carrera GT verfügt ja lediglich über eine angetriebene Achse) und ist abgesehen von der altersbedingt nicht ganz so präzisen Sechsgang-Schaltung ziemlich simpel zu fahren - zumindest diesseits des Grenzbereichs.
Zu viele Fahrmodi im 918 Spyder machen unglücklich

Vom Flatplane-V8 des 918 Spyder sieht der Betrachter nicht viel, die beiden Elektromotoren verstecken sich ohnehin tief unter der Außenhaut.
(Foto: Porsche)
Das gilt im Grunde auch für den 918 Spyder mit Doppelkupplungsgetriebe, nur dass die Fahrleistungen hier ganz andere Dimensionen annehmen. Der Plug-in-Hybrid mit knapp 7 kWh Batteriekapazität und um die 30 Kilometer rein elektrischer Reichweite katapultiert seine menschliche Fracht so brachial nach vorn, dass man schon einen strammen Magen benötigt, um sich bei einer derartigen Beschleunigung wohl zu fühlen. Nur etwas mehr als sieben Sekunden braucht der 1,7-Tonner, bis er aus dem Stand 200 km/h erreicht, wie Messungen diverser Fachmagazine ergeben haben.
Unter voller Last und Richtung Begrenzer schreit der drehzahlsüchtige Flatplane-V8 so leidenschaftlich, dass man schon sehr abgestumpft sein müsste, um keine Gänsehaut zu bekommen. Und das volle Potenzial seiner Querperformance ist auf der Landstraße nicht annähernd herauszufahren, ohne eine Gefahr für den Straßenverkehr darzustellen. Ein paar Stunden Gaudi in der Hohenlohe sind aber dicke drin.

Das Konzept des mittig angeordneten Drehzahlmessers hält Porsche auch bei den extremen Sportwagen bei.
(Foto: Patrick Broich)
Etwas gewöhnungsbedürftig muten die fünf verschiedenen Fahrmodi an - "E-Power", "Hybrid", "Sport-Hybrid", "Race-Hybrid" und "Hot Lap". Eine solche Qual der Wahl macht fast schon unglücklich und man fährt lieber mit den beiden noch ziemlich analogen Kandidaten 959 und Carrera GT. Oder doch 918 Spyder? Eine wirklich schwierige Entscheidung. Die beißende Performance des Hybrid kann schon packen, und das nicht nur im physikalischen Sinne.
Wer jedoch die Marktpreise von durchweg über einer Millionen Euro für jedes der besprochenen Modelle finanziell bewältigen kann, ist mit einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit sogar in der Lage, alle drei Athleten zu kaufen inklusive adäquater Möglichkeit der Lagerung. Und dann kann man ja je nach tagesaktueller Laune wählen. Ach ja, inzwischen sind alle drei Fahrzeuge auch wieder heil im Depot angekommen, und ich schaue mich schon wieder nach den nächsten reizvollen Fahrzeugen um. Es bleibt also spannend.
Quelle: ntv.de