290 km/h schnelle SchrankwandDodge Durango Hellcat V8 Hemi - das Biest lebt weiter
Patrick Broich
Der Dodge Durango Hellcat ist so ziemlich der diametrale Gegenentwurf zur propagierten Elektromobilität: laut, hemdsärmelig und ein bisschen roh. Aber auch emotional und cool. ntv.de war mit dem riesigen und aufgeladenen Achtzylinder unterwegs.
Schon ein erster schneller Blick auf den Dodge Durango outet den großen Brocken: Er ist kein taufrisches Auto mehr. Und dann nach dem Einstieg wird es noch klarer. Architektur, Kombiinstrument, Schalterlandschaft - das Grundgerüst stammt schließlich aus dem Jahr 2010, und jeder Hauch von Moderne ist Facelifts zu verdanken. Aber was die einen verschmähen, feiern die anderen. Das Cockpit fällt klassisch aus, intuitiv und simpel zu bedienen dank überwiegend physischer Tasten. Und der Blick des Fahrers fällt zwar auch auf das Display, aber die klassische Tachoskala hat hier noch nicht ausgedient.
Und außen? Tritt der Durango martialisch auf, vor allem als Hellcat. Mit dem Sportdress in Form des ausgeprägten Frontspoilers bekommt man sogar ein 5,11-Meter-Trumm halbwegs drahtig. Und die Lufthutze auf der Motorhaube steht sinnbildlich für Kraft. Währenddessen passt der pastellige Uni-Grauton als Lackfarbe ganz im Sinne neuzeitlicher Sportwagen-Kultur gut zum alternden Ami.
Aber was ist dieser riesige Hellcat überhaupt? Sportwagen oder Nutztier? Oder Großfamilien-Komfort-Langstreckengleiter? Auf den Stühlen fühlt man sich zumindest nicht unwohl, und die Platzverhältnisse dürfen wohl als akzeptabel empfunden werden. Selbst in der zweiten Reihe sitzt es sich luftig, was bei diesem Kaliber jetzt nicht ungewöhnlich ist. Aber die Einzelsitze sind nochmal eine andere Liga, erinnern in diesem Kontext jedoch so ein bisschen an die US-amerikanische Van-Tradition. Bloß die Stühlchen in der dritten Reihe haben eher Notsitzcharakter, aber das ist ja auch okay.
Hellcat ist Charakter pur
Apropos Charakter: Dieser manifestiert sich rasch nach den ersten zurückgelegten Metern. Denn der sinnstiftende Kern des Hellcat steht und fällt mit seiner Höllenmaschine unter der mächtigen Motorhaube. Wie war doch noch gleich der Spruch? Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum? Abgesehen davon, dass dieser Ausnahme-Durango damit überhaupt nicht geizt angesichts von 6,2 Litern, setzt der Konzern noch einen Kompressor obendrauf. Macht im Ergebnis 719 PS und 889 Newtonmeter, und damit wird dann auch eine Schrankwand zum Dynamik-Biest.
Aber lediglich geradeaus! Damit kann man auch mal ohne Tuning ein Dragster-Rennen bestreiten, wo es darauf ankommt, wie sich das Fahrzeug auf der Viertelmeile schlägt. ntv.de führt natürlich keine Messungen durch, aber in der Tat giftet der Hellcat beim Ampelstart im Falle voller Last so heftig und dank 4x4 schlupffrei los (3,6 Sekunden bis 100 km/h), dass man Mitreisenden eine solche Aktion ankündigen sollte, falls man keinen Unmut riskieren möchte. Und lieber Leute mit stabilen Mägen mitnehmen.
Wer das Triebwerk aber aus diversen Coupés oder Limousinen - Challenger und Charger lassen grüßen - kennt, empfindet es im Durango unter Umständen als Motorverschwendung. Klar ist der V8 kaum zu bändigen, aber wenn es mit hoher Geschwindigkeit eine Autobahnsteigung hinaufgeht, merkt man schon, dass die Power auch Grenzen hat. Ja, das SUV schiebt schon urgewaltig, aber es gibt dankbarere Autos, um 290 km/h zu fahren.
Aber genau hier wird es ja andererseits herrlich absurd, der Durango Hellcat steht tatsächlich mit 290 Sachen in den Papieren. Ist aber zumindest nicht uneingeschränkt empfehlenswert zu fahren, denn das Fahrwerk bietet nicht den allerbesten Geradeauslauf, und wenn dann noch Seitenwind im Spiel ist - lieber eine Nummer langsamer machen bitte. Und dann wollen 2,7 Tonnen ja auch erst wieder abgebremst werden. Und viele Autobahnen tagsüber sind eben nicht so leer wie die A2 in Richtung Berlin um 3 Uhr morgens.
Der Dodge kann Emotion und Nutzwert
Bleibt die Frage, ob dieser Allradler als feiner Tourer taugt. Zumindest als charaktervoller Tourer mit Wohlfühlstimmung an Bord und ordentlichem Komfort trotz mächtiger 20-Zöller. Wobei man sagen muss, dass der Hellcat eher akustisch und optisch anmacht als multifunktional. Will heißen: Den kaufst du, weil er süchtigmachend bollert, einen coolen Auftritt hinlegt und auf Wunsch derb schiebt - nicht, weil er ein leises Präzisionsgerät mit viel Stauraum wäre. Stauraum hat er allerdings massenhaft, schluckt ganz nebenbei 2400 Liter Gepäck bei umgeklappten Rücksitzen und kann 3,5 Tonnen ziehen, ist also echtes Arbeitsgerät und nicht bloß Showmaster der Piste. Und er bleibt ein Statement von und für Petrolheads, die sich klar gegen emotionslose Mobilität positionieren und hiermit den amerikanischen automobilen Traum leben.
Dodge selbst versucht sich ja durchaus auch an der Elektromobilität, aber der Achtzylinder scheint hier eine Renaissance zu feiern, weil es bestimmten Fans eben schwer vermittelbar ist, warum sie auf ihr rollendes Kulturgut verzichten sollen - zu Recht! Schön, dass man den Durango Hellcat auch in Deutschland bekommen kann - zwar nicht über den Stellantis-Vertrieb selbst, aber Importeure wie KW Auto sorgen dafür, dass man ein hierzulande zulassungsfähiges Exemplar übernehmen kann. Ein Netz von einhundert Handelsbetrieben in 17 europäischen Ländern sorgt für eine gewisse Abdeckung.
Ein günstiges Unterfangen ist so ein Durango Hellcat allerdings nicht - die Preise starten ab 136.189 Euro. Und man muss ihn schon lieben, denn Materialien und Verarbeitungsqualität rangieren keineswegs auf dem Niveau deutscher Hersteller in diesen Preisregionen - aber das gehört eben auch ein bisschen zur US-amerikanischen Autoleidenschaft. Wer bereits vorher weiß, dass er mit dem Objekt der Begierde ordentlich Strecke machen wird, sollte über die gegen 3570 Euro Aufpreis lieferbare LGP-Anlage nachdenken. Selbst wenn der Verbrauch mit Flüssiggas eine ganze Ecke höher ausfällt (rund 20 Prozent), spart man ab 40.000 Kilometern satt Geld. Denn die Ersparnis liegt bei etwa 100 Euro pro tausend Kilometern, basierend auf den aktuellen Kraftstoffpreisen unter der Annahme eines Realverbrauchs von 19 Litern je 100 Kilometer. Und die braucht man gut und gern, wenn der Antrieb Spaß bereiten soll. Flüssiggas kostet rund einen Euro je Liter, während für Superbenzin orts- und zeitabhängig teils 1,70 Euro pro Liter oder sogar mehr fällig werden.
Klar, ein Vernunftauto ist der stärkste Durango wohl nicht unbedingt, aber eine erfrischende Alternative im Elektrozeitalter für automobile Individualisten mit einer Schwäche für Hubraum. Schön, dass es so etwas noch gibt.