Mehr Verbote als gedacht Fünf missverständliche Verkehrsdelikte
28.02.2022, 10:27 Uhr
Die Verkehrsrechtslage ist nicht immer eindeutig. Nicht zuletzt, weil es tatsächlich Freiräume in der Auslegung gibt.
(Foto: Collage)
Das Verkehrsrecht ist nicht immer nachvollziehbar und eindeutig. Tatsächlich gibt es Grauzonen, Toleranzbereiche, die in gewissen Situationen die Überschreitung gegebener Gesetze gestatten. Dieser Umstand kann aber auch zu Missverständnissen führen, wie fünf Beispiele belegen.
Verkehrsdelikte beschäftigen besonders häufig die Gerichte. Darunter sind auch Fälle, die nicht auf den ersten Blick einsichtig und bei denen die Beklagten sich unter Umständen gar nicht darüber im Klaren sind, gegen bestehendes Verkehrsrecht verstoßen zu haben. Fünf Beispiele.
Das weitergeleitete Knöllchen

Ein weitergeleitetes Knöllchen, auch in Form eines Fotos, gilt als ordnungsgemäße Information.
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Bußgeldbescheide, Strafbefehle und Vollstreckungstitel müssen ordnungsgemäß zugestellt werden, um wirksam zu sein. Im Zweifel sind die Grenzen dabei allerdings relativ weitläufig abgesteckt, wie eine bereits zu Hause ausgezogene Verkehrssünderin merken musste, deren Mutter ihr einen eigentlich falsch zugestellten Bußgeldbescheid per Handy-Foto weitergeleitet hat.
Den Einspruch der Tochter wegen nicht-ordentlicher Zustellung akzeptierten die Richter nicht. Zwar habe ein Zustellungsmangel vorgelegen, dieser sei jedoch durch die Übermittlung des Fotos geheilt worden. Denn die Betroffene habe tatsächlich Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Richter strichen dabei besonders den Unterschied zu einer fernmündlichen Mitteilung heraus. Wenn die Mutter ihre Tochter lediglich angerufen hätte, wären Missverständnisse oder unvollständige Informationen denkbar gewesen. Bei einem Foto jedoch seien Auslassungen oder sinnentstellende Textänderungen technisch nicht möglich. (Az.: 2 Ss (OWi) 348/20)
Regelbruch mit blutendem Finger

Ein Schnitt im Finger berechtigt nicht zur Geschwindigkeitsüberschreitung bei der Fahrt ins Krankenhaus.
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Autofahrer dürfen sich nur im äußersten Notfall über Verkehrsregeln hinwegsetzen. Ein blutender Finger zählt nicht dazu. Er rechtfertigt bei der Fahrt zum Krankenhaus nicht den Bruch von Verkehrsregeln und Tempolimit, solange keine Gefahr für Leib und Leben besteht, wie das Amtsgericht Frankfurt geurteilt hat.
In dem verhandelten Fall hatte sich eine Frau bei Arbeiten im Haushalt eine stark blutende Wunde am Finger zugezogen. Als ihr Mann sie ins Krankenhaus fuhr, wurde er in einer Tempo-30-Zone mit 80 km/h geblitzt. Gegen die Geldbuße von 235 Euro und das Fahrverbot von einem Monat wehrte er sich allerdings erfolglos. (Az.: 971 Owi 955 Js-OWi 65423/19)
Weit gefasstes Handyverbot

Das Handyverbot am Steuer kann auf die Nutzung des fahrzeugeigenen Touchscreens ausgeweitet werden.
(Foto: dpa)
Das sogenannte Handyverbot am Steuer umfasst mehr als die Nutzung des Smartphones und wird von den meisten Gerichten streng ausgelegt. Selbst der fest im Fahrzeug montierte Touchscreen kann unter die Regelung fallen, wie eine Tesla-Fahrer vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe erkennen musste.
Der Mann war bei der Suche nach der Aktivierung der Scheibenwischer im Infotainment-Untermenü seines Fahrzeugs von der Fahrbahn abgekommen und hatte einen Unfall verursacht. (Az. 1 Rb 36 Ss 832/19)
E-Roller keine Trunkenheitsalterative zum Auto
Wer Alkohol getrunken hat, sollte nicht mehr Auto fahren. Der Umstieg auf einen E-Tretroller ist aber auch keine Alternative. Denn für dessen Nutzer gelten die gleichen Alkoholgrenzen wie beim Führen eines Fahrzeugs. Wer einen elektrischen Scooter mit mehr als 1,1 Promille lenkt, ist absolut fahruntauglich, wie das Bayerische Oberlandesgericht geurteilt hat.
Das Fahren mit einem derartigen Alkoholspiegel ist demnach eine Straftat und wird mit Geldstrafe und Führerscheinentzug geahndet. Angeklagt war ein Besucher des Oktoberfests, der für die letzten Meter des Heimwegs einen E-Roller genutzt hatte und mit 1,35 Promille in eine Polizeikontrolle geraten war. (Az.: 205 StRR 216/20)
Lange falsch ist auch nicht richtig
Beim Falschparken gibt es kein "Gewohnheitsrecht". Auch wenn ein Auto schon tagelang im Parkverbot steht, kann es noch abgeschleppt werden. Die Kosten für das private Abschleppen eines verbotswidrig geparkten Fahrzeugs sind unabhängig von einer zeitlichen Umsetzung des Abschleppvorgangs vom Fahrzeughalter zu zahlen, wie das Amtsgericht Rüsselsheim (3 C 1039/20 (41)) entschieden hat.
In dem Fall hatte ein Grundstückseigentümer ein Auto privat abschleppen lassen. Die Falschparkerin weigerte sich, die Kosten fürs Abschleppen zu zahlen, da ihr Fahrzeug bereits seit elf Tagen an der Stelle gestanden habe und die Entfernung nicht wie im Gesetz vorgesehen "sofort" erfolgt sei.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x