Mercedes-Maybach S 680 4Matic Mit dem Highend-Benz in die vierte (Klang-)Dimension
09.02.2023, 07:34 Uhr
Der Mercedes-Maybach S 680 4Matic ist Konzertsaal und Wellnessoase zugleich auf Rädern. Für ein solches Privileg werden leider ein paar Hunderttausender fällig.
(Foto: Mercedes/Patrick Broich)
Was kann den einzig verbliebenen Mercedes-Zwölfzylinder noch krönen? Richtig, seine Musikanlage: serienmäßiger 3D-Klang mit Dolby-Atmos-Standard und 4D-Sound gegen Aufpreis. Passt irgendwie auch zum leidenschaftlichen Motorsound. Böhmische Dörfer? ntv.de erklärt die Hintergründe.
Man muss nicht unbedingt in den einzig verbliebenen Mercedes-Zwölfzylinder steigen, um eine 4D-Dolby-Atmos-Soundanlage zu genießen. Aber kleiner hatten es die Schwaben gerade nicht, denn aktuell müssen die schwächer motorisierten und weniger luxuriös ausstaffierten 223-Exemplare (S-Klasse) der Testwagenflotte ohne dieses bis zu 8098 Euro teure Goodie auskommen. Der "High-End-Klang", wie die Mercedes-Preisliste verspricht, versteckt sich unter der etwas sperrigen Bezeichnung "Burmester High-End 4D-Surround-Soundsystem" (Code 811).

Obwohl die luxuriöseste S-Klasse gar kein echter Maybach ist, projiziert sie das edle Logo auf den Boden.
(Foto: Patrick Broich)
Um die Exklusivität dieser Sonderausstattung zu unterstreichen, gibt Mercedes vor: Ohne elektrisch verstellbare Fondsitze, Panoramadach und Sonnenschutz-Paket, also elektrisch bedienbare Sonnenschutzrollos für die Seitenfenster, wird das nichts mit dem erlesenen Sound. Diese Gimmicks müssen zwingend bestellt werden. Nochmal ein paar Tausender weg, ist klar.
Dass Mercedes aktuell nur den besonders luxuriösen Sechsachtziger damit ausgestattet hat, trifft sich gar nicht so schlecht, denn Sound ist generell ein gutes Argument, sich noch einmal den Zwölfzylinder zu gönnen. Denn kein Motor aus dem Daimler-Imperium beherrscht die feine Klangkultur besser als der bei AMG in Mannheim gebaute M 279.
Außergewöhnliches Anlassergeräusch
Es beginnt mit dem außergewöhnlichen Anlassergeräusch, das als charakteristisches Summen wahrnehmbar ist. Da ein Zwölfzylinder den Anlasser bedingt durch den geringen Zündabstand (es sind immer mehrere Kolben gerade in der Kompressionsphase) stets gleichmäßig belastet, bleibt das typische Geräusch des "Orgelns" aus, also das alternierend immer heller und dunkler klingende Startgeräusch eines konventionellen Benzinmotors.

Die Lautsprecher der Mega-Soundanlage werden teils in ästhetischer Weise inszeniert, teils verstecken sie sich aber auch in den Sitzen.
(Foto: Patrick Broich)
Nachdem der Sechsliter die Arbeit aufgenommen hat, läuft er seidenweich und ohne Vibrationen. Hochjubeln im Leerlauf entlockt ihm ein deutlich vernehmbares Sprotzeln. Ein sanft-donnerndes "Bupbupbupbup" entweicht der Abgasanlage dann und erinnert an die Gran-Turismo-Gene dieses vielfältigen AMG-Aggregats. Beim Anfahren unter Last teilt sich der S 680 hingegen heiser-grollend und kein bisschen weniger leidenschaftlich mit.
Innen hört man wenig von dem Doppelturbo, aber im Zusammenspiel mit der Neungang-Wandlerautomatik hat der Antriebsstrang etwas Sämiges, verströmt Noblesse, wie ihn ein rein elektrischer Antrieb nicht bieten könnte. Der M 279 bleibt nicht zuletzt auch deshalb so sanft, weil er auf eine womöglich etwas effizientere Direkteinspritzung pfeift, und spritzt sein Kraftstoff-Luftgemisch klassisch in das Saugrohr.
Extralange S-Klasse mit Zwölfzylinder - ein irres Kraftpaket

Maybach-Schriftzug und die Ziffer "680" sind sichere Kennzeichen für das Topmodell der S-Klasse.
(Foto: Patrick Broich)
Es gibt dieses Triebwerk nur noch in Verbindung mit der extralangen S-Klasse der Maybach-Line, dem Z223 also mit einem stattlichen Radstand von 3,40 Metern und nicht weniger beeindruckenden 5,47 Metern Außenlänge. Eine Chauffeur-Limousine reinsten Wassers steht hier, aber den Spaß am Steuer will man sich trotzdem manchmal geben.
Denn es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie unerbittlich das wattige 900 Newtonmeter- und 612 PS-Herz den 2,4-Tonner auf Tempo bringt. Wie es Fahrstufe für Fahrstufe durch das Drehzahlband fegt und die Passagiere auf dem Drehmoment-Plateau selbst bei 200 km/h noch einmal in die anschmiegsamen Ledersessel schmettert.

Langweilig wird es mit 4D nicht, allein all die Menüs bieten viel Spielwiese für Erwachsene und Kinder.
(Foto: Patrick Broich)
Aber spätestens mit der Möglichkeit des sogenannten 4D-Sounds muss auch mal eine andere Perspektive in den Fokus gerückt werden. Nämlich die auf einem der beiden hinteren Einzelsitze. Um die vollen Vorzüge der Dolby-Atmos-Anlage zu genießen, sollte man sich ein bisschen Ruhe gönnen. Und zwar die Ruhe, um in die klangliche Unruhe einzutauchen. Mercedes selbst spricht von einem "immersiven" Sounderlebnis, aha.
Vorweggeschickt sei, dass der quasi als Goldstandard geltende Top-Sound nur in Verbindung mit bestimmten Musikstücken möglich ist - und auch nur mit bestimmten Streamingdiensten wie Amazon Music oder Apple Music. Hier sollte man sich als Abonnent vorher noch einmal genau informieren. Mercedes' Marketingstrategen sprechen von Klarheit und Tiefe, von einer Dreidimensionalität, in die Musikschaffende Audioelemente platzieren könnten. Will heißen: Wer den Song abmischt als Künstler, kann entscheiden, welches Klangelement wann aus welcher Box tönen soll. Spannend, denke ich, und horche mal hinein.

Auf Wunsch lässt sich einer der vier Einzelsitze per Einstellung in den Fokus des gebündelten 4D-Klangs rücken. Aber auch für die anderen Passagiere bleibt genug Raumklang übrig.
(Foto: Patrick Broich)
Die Schwaben haben beim Testwagen vorsorglich ein paar Titel mit Dolby-Atmos-Fähigkeit in eine gesonderte Playlist des hauseigenen Apple Music Accounts gepackt, um sicherzustellen, dass selbst unbeholfene User die richtige Musik finden. Beim Durcharbeiten der Menüs finde ich die Funktion "VIP-Sitz", zu dem ich einen der Sitzplätze per Einstellung machen kann, um diesen in den Fokus des konzentrierten 4D-Sounds zu rücken - die Folge soll ein noch intensiveres Klangerlebnis sein. Man kann aber auch alle Sitzplätze auswählen - ist dann eben nicht ganz so gebündelt. Hört man den Unterschied wirklich, wäre die entscheidende Frage. Der Reihe nach.
Mit Highend-Sound und Duft fällt das Abschalten leichter

Sitzkultur trifft auf Technik: Wertige Displays und elektronische Steuermodule sind mit von der Partie.
(Foto: Patrick Broich)
Total faszinierend finde ich vor der Musikprobe das ganze Nebengeplänkel. Du musst ja auch die elektrischen Rollos bestellen und elektrisch verstellbare Sitze hinten plus Panoramaglasdach. Oder gleich alles in einem Paket für schlappe 24.168,90 Euro extra. Cool ist das schon, sich den Sessel hinten per Knopfdruck einfach in seine Lieblingsposition zu schieben und mit Schließen der Rollos Clubatmosphäre zu erzeugen.
3D kann die nobelste S-Klasse ja schon frei Haus, aber wirklich fetzig wird es mit 4D und sogenanntem "Exciter" im Sitz, der dir eine "Klangmassage" (Mercedes-Marketingsprech) verpasst. Da sind dann wirklich Vibrationen in den Lehnen zu spüren im Rhythmus der Musik. Stattdessen gäbe es auch einen flammneuen Kompaktwagen on top.

Duft im Mercedes ist nicht nur ein Phänomen der S-Klasse, aber mit dem 4D-Sound kommt das Feature noch besser.
(Foto: Patrick Broich)
Dafür blickst du auf mechanisch animierte Lautsprecher-Boxen in poliertem Metall. Statt poppiger Musik lassen sich auch Entspannungsklänge abspielen. Beispielsweise Waldakustik mit Rauschen und Vogelgezwitscher, zu dem die Beduftungsanlage auch noch eine frische Note ausströmt - kein Scherz! Ist doch toll, wenn man sich das gönnen kann. Insgesamt beschallt das System mit 31 Lautsprechern und 1350 Watt Leistung. Irre.
Ich habe die besondere S-Klasse vorsorglich geparkt, um die Nebengeräusche so weit wie möglich zu reduzieren - ganz ehrlich, funktioniert besser als während der Fahrt. Dann ist die Playlist dran, aber ich schau selbst mal, was mir gefällt. Muss natürlich Dolby Atmos können. Jetzt wird's verdammt laut, muss einfach sein.

Wer sich bei reinstem Klang gerne hinlegen möchte, kann das in der längsten S-Klasse tun.
(Foto: Patrick Broich)
Und schon hämmern die Beats von Sam Smith, pulsieren die warmen Schlagzeug-Klänge von Gentlemans "Blauer Stunde" durch das noble Interieur. Und die Bässe von Elton Johns Song "Hold Me Closer" spürt man förmlich im Rücken, übertragen durch die "Exciter" in den Sitzen. Ach, und Surroundlautsprecher sitzen da ja auch noch in den Hightech-Sesseln - zuständig für den Raumklang. Tatsächlich fühle ich mich wie inmitten eines intensiven Konzerts, schließe die Augen und träume von Dolby Atmos. Schön, mal kurz in diese Welt eintauchen zu dürfen.
Preis holt auf den Boden der Tatsachen zurück

Der Kühlergrill der Maybach-Line trägt vielleicht eine Nummer zu dick auf. Aber das scheinen die meisten Kunden zu wollen.
(Foto: Patrick Broich)
Aber mit dem Ende des letzten Songs auf der Playlist hält der Realismus wieder Einzug in das Leben und sagt: 230.556 plus 24.169 Euro sind eher Dimensionen, die der Normalsterbliche - wenn überhaupt - mit einer schönen Immobilie in Verbindung bringt und nicht mit einem Auto. Kleiner Trost gefällig? Den 3D-Sound (immerhin auch mit Dolby Atmos) bekommt man für das 107.814 Euro teure Diesel-Grundmodell der S-Klasse schon zum Extratarif von 1630 Euro.
Verzeihung für den ironischen Tenor, aber wer sich das Mercedes-Topmodell leisten kann, und solche Menschen soll es ja geben, möge sich einen Ruck geben und den 3D-Sound einfach bestellen. Zumindest für audiophile Kunden könnte es sich lohnen.
Quelle: ntv.de