Deutschlands Verdopplungszeit Merkels Kennzahl zum Coronavirus
08.04.2020, 15:08 Uhr
Das Coronavirus stellt Deutschland vor die größte Krise der Neuzeit: Angela Merkel blickt auf die Verdopplungszeit.
(Foto: via REUTERS)
Die Ausbreitung des Coronavirus zwingt Deutschland eine beispiellose Vollbremsung auf: Wie lange können Wirtschaft und Bevölkerung die Epidemieabwehr noch durchhalten? Kanzlerin Merkel verweist auf die Verdopplungszeit der Infektionszahlen. Was hat es damit auf sich?
Die Eindämmung der Ansteckungswelle ist das oberste Ziel: Bundeskanzlerin Angela Merkel hält an den strengen Ausgangsbeschränkungen auch über die Osterfeiertage fest. Sie bekräftigte, dass die Maßnahmen mindestens bis zum 19. April gelten sollen.
Die Entscheidung, ob und wann die Kontaktsperren gelockert werden können, hängt den Worten der Kanzlerin zufolge unter anderem an einer zentralen Kennzahl. Richtschnur für die Überprüfung der Beschlüsse seien die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts zur Epidemielage, wie Merkel betonte.
Gemessen wird der Erfolg der Eindämmungsmaßnahmen dabei unter anderem an der Zeitspanne, in der sich die Zahl der Infektionsfälle verdoppelt. Bisher hatte die Kanzlerin als Zielmarke eine Verlangsamung des Ansteckungsgeschehens auf eine Verdopplung von über zehn Tagen genannt. Kanzleramtsminister Helge Braun hatte diese Zielmarke zuletzt auf "deutlich über zehn Tage" nach oben korrigiert.
Die Verdopplungszeit gibt an, wie viele Tage es im Fall exponentiell steigender Fallzahlen dauert, bis sich ein bestimmter Ausgangswert verdoppelt hat. Das ist deshalb relevant, weil sich der Anstieg der Fallzahlen bei konstanten Wachstumsraten (hier: der prozentuale Zuwachs zum Vortag) immer weiter beschleunigt und nicht konstant bleibt. Für einen Ausgangswert von 100 Fällen heißt das: Verdoppelt sich die Fallzahl jeden Tag, dauert es lediglich zehn Tage (zehn Verdopplungen), um eine Masse von 102.400 (!) Fällen zu erreichen.
Dabei gilt: Je kleiner die Verdopplungszeit, desto höher ist die Epidemie-Dynamik. Je höher die Zahl ist, desto besser lässt sich das Ansteckungsgeschehen und der erwartbare Andrang in den Krankenhäusern in den Griff bekommen. Es geht darum, das rasante Wachstum der Fallzahlen zu verringern oder anders gesagt, den exponentiellen Anstieg der Wachstumskurve abzuflachen. Je größer die Zahl an Tagen, desto besser.
Grünes Licht für die Lockerung?
In Deutschland liegt die Verdopplungszeit in der laufenden Ansteckungswelle des Coronavirus Sars-CoV-2 auf Basis der von den Ländern täglich veröffentlichten Falldaten und im Trend der vergangenen Woche derzeit bei 11,3 Tagen. Dies bedeutet, dass sich Gesamtzahl der Infizierten zuletzt in rund elf Tagen verdoppelt hat, wobei die Wachstumsraten der täglich neu bestätigten Infektionen zuletzt aber kontinuierlich gesunken sind - wodurch die Verdopplungszeit steigt. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn: Bliebe es bei einer Verdopplungszeit von elf Tagen - würde sich die Lage also nicht weiter bessern - würde Deutschland in der Woche nach Ostern insgesamt bereits rund 200.000 Coronavirus-Fälle zählen. Weitere elf Tage später wären es bei ungebremster Dynamik dann bereits über 400.000 Fälle.
Die ntv-Grafik zur Pandemie-Dynamik zeigt auf, wie sich die Verdopplungszeiten im 7-Tage-Trend in Deutschland aktuell entwickelt und wie die Lage im internationalen Vergleich aussieht. Das Säulendiagramm darunter bildet den Trend bei dieser täglich neu berechneten Kennzahl ab: Im deutschen Infektionsgeschehen hat sich die Verdopplungszeit seit dem 8. März 2020 von 2,3 bis auf zuletzt 11,3 Tage verlangsamt. Die Schulschließung in allen Bundesländern wurden bis zum 18. März 2020 vollzogen, der weitgehende Shutdown des Landes ist seit dem 23. März in Kraft.
Entscheidungsrunde nach Ostern
Deutlich wird, dass die Verdopplungszeit in Italien trotz der verheerenden Zahl der Toten bereits deutlich höher ausfällt als in Deutschland, während Großbritannien und die USA noch alarmierend niedrige Verdopplungszeiten aufweisen. Die Epidemie-Dynamik scheint sich damit in Italien bereits erheblich abgeschwächt zu haben. Briten und US-Amerikaner haben den Höhepunkt der Coronavirus-Krise offenbar noch nicht erreicht.
Für Deutschland und alle übrigen betroffenen Staaten steht die Verdopplungszeit im Mittelpunkt aller Entscheidungen: Von der Entwicklung der Fallzahlen ist abhängig, wie schnell die Einschränkungen im öffentlichen Leben wieder gelockert werden können. Und die drängende Frage, wie es in Deutschland weitergehen wird, steht schon bald zur Entscheidung an. Am Dienstag nach Ostern soll die Lage in einer Telefonkonferenz mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten der Länder überprüft werden.
Quelle: ntv.de, mit Material von DJ