Wiege der Forschung im Norden Brahms' 175. Geburtstag
06.05.2008, 10:49 UhrJohannes Brahms (1833 - 1897) war schon im 19. Jahrhundert das, was man heute als "internationalen Star" bezeichnet. Im letzten Drittel seines Lebens galt der Komponist, Pianist und Dirigent als führende Persönlichkeit der internationalen Musikszene. Er wurde bewundert, verehrt, und mit Auszeichnungen überschüttet. Dazu gehörten die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau im Jahr 1879 und 1889 die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Hamburg. Als Brahms 1897 in seiner Wahlheimat Wien starb, ordnete der Hamburger Senat nicht nur für die Hansestadt, sondern auch für die Schiffe im Hafen Halbmast-Beflaggung an. An diesem Mittwoch begeht die Musikwelt den 175. Geburtstag von Brahms, der nach Dirigententätigkeiten in Detmold und Hamburg 1862 nach Wien gezogen war.
Ein Sohn Schleswig-Holsteins
Seine Kompositionen umfassen neben Orchester-, Gesangs-, Kammer-, Klavier- und Orgelmusikwerken auch Chorgesänge, Duette und Klavierlieder. Der gebürtige Hamburger Brahms ist auch ein Sohn Schleswig-Holsteins. Das meinen jedenfalls viele Musikliebhaber im Norden. "Er hatte stets Sehnsucht nach Heide, denn hier wurde sein Vater geboren", sagt der Vorsitzende der in der Dithmarscher Kreisstadt ansässigen Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein, Prof. Eckart Besch. "Wir betrachten uns als eine Wiege der Brahms-Pflege", betont er. Besch verweist auf die internationale Bedeutung des weltweit einmaligen Brahms-Preises, mit dem seit 1988 alljährlich Künstler gewürdigt werden, "die sich um die Pflege Brahms'scher Musik und seines künstlerischen Erbes verdient gemacht haben".
Das Zentrum deutscher Brahms-Forschung befindet sich in Kiel. Dort ist am Musikwissenschaftlichen Institut der Christian-Albrechts- Universität die Forschungsstelle der Johannes Brahms Gesamtausgabe angesiedelt. Da die alte Brahms-Gesamtausgabe von 1926/27 unvollständig und wissenschaftlich stark veraltet ist, arbeiten die Kieler Wissenschaftler in Verbindung mit der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien an einer Neuausgabe. Dazu werden unter anderem die noch vorhandenen handschriftlichen Manuskripte und historischen Drucke der Notentexte akribisch miteinander verglichen. Dabei müssen die Experten immer wieder entscheiden, ob es sich bei Unterschieden um gewollte Änderungen des Komponisten handelt. Auch die zeitliche Einordnung der zumeist undatierten Briefe bereitete manche Mühe.
Weltweit größte Brahms-Sammlung in Lübeck
Hilfe bekommen die Kieler Wissenschaftler aus Lübeck. Dort wurde an der Musikhochschule 1990 mit dem Kauf der weltweit größten privaten Brahms-Sammlung das Brahms-Institut gegründet. Seitdem wurden die Bestände durch Ankäufe und Schenkungen von Handschriften, Stichvorlagen, Erst- und Frühdrucken immer weiter vermehrt. Darunter sind auch das einzige erhaltene Autograph (eigenhändige Niederschrift des Komponisten) der Brahms-Motette "Es ist das Heil uns kommen her" (Opus 29, Nr. 1), und das lange verschollen geglaubte Autograph des Liedes "Liebesglut" (Opus 47, Nr. 2).
Heute besitzt Lübeck die weltweit größte Sammlung an Erst- und Frühdrucken der Werke von Johannes Brahms sowie rund 700 zeitgenössische Fotografien, Zeichnungen und Gemälde. In den Archiven lagert auch ein großer Teil von Brahms' persönlicher Fotosammlung. Dazu kommen zahllose Programmzettel zu wichtigen Ur-, Erst- und Folgeaufführungen, die meist aus dem unmittelbaren Nachlass von Johannes Brahms stammen.
Von Wolfgang Runge, dpa
Quelle: ntv.de