"Dem Leben ins Gesicht lachen" Grandioser Tom Schilling in "Fabian"
06.08.2021, 18:42 Uhr
Tom Schilling: "Ich mag es, solche Figuren zu spielen."
(Foto: imago images/APress)
Tom Schilling ist "Fabian"? Nicht ganz, es muss heißen: Tom Schilling in "Fabian". Nichtsdestotrotz ist da ganz viel "Fabian" in Tom Schilling. Verwirrend? Mitnichten, wie der Schauspieler, der in Dominik Grafs Verfilmung "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" des Erich-Kästner-Meisterwerks brilliert, ntv.de im Interview verrät.
ntv.de: Wunderbarer Film, tragische Geschichte - da wir denen, die Erich Kästners Buch "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" nicht gelesen haben, nicht den Kinogenuss spoilern wollen, nur so viel zum Thema "tragische Irrtümer": Wie gehen Sie damit um?
Tom Schilling: Ich habe leider keinen Tipp (lacht). Da bin ich der falsche Ansprechpartner, denn ich neige dazu, alles viel zu ernst zu nehmen. So bin ich einfach. Dem Leben ins Gesicht zu lachen wäre oft sicher die richtige oder die bessere Lösung, aber das gelingt nicht jedem.
Dieser eher lustige und unbeschwerte - manche mögen es "oberflächlich" nennen - Lebensstil, den wir heutzutage so gerne pflegen, der ist nichts für Sie?
Genau (lacht). Ich gehöre tatsächlich zu denen, denen die letzten Monate gar nicht so schwer vorkamen. Also dieses Sich-Zurückziehen, das nicht ständig Präsente, das war für mich eher eine Erleichterung. Ich habe deutlich gespürt, dass mir sonst viele Dinge zu schnell und zu viel sind und die meisten Sachen ja auch nicht dazu führen, dass ich mich besser fühle. Ich habe zum Beispiel tatsächlich nicht vermisst, jeden Tag einkaufen gehen zu können.
Dann ist es sicher nicht so leicht, aus den Lockdown-Situationen der letzten Monate, in denen wir alle beispielsweise viel weniger Präsenztermine hatten, zurückzukehren. Oder?
Was ich beobachte, ist, dass zwar der Faktor Tempo wieder angezogen wird, aber der Faktor Spaß wird nicht unbedingt größer. Was ich sagen will: Kultur ist immer noch recht eingeschränkt. Langsam geht alles los, ja, es wird mehr, aber um welchen Preis? Wird jetzt alles Digital UND analog stattfinden? Wie soll das gehen?
Wir sollten also etwas weniger arbeiten und uns nicht so stressen lassen …
Ja! Ich bin großer Fan der Vier-Tage-Woche und hoffe, dass sich das irgendwann durchsetzt.
Oder sechs Stunden am Tag, wie in Dänemark. Die Dänen sollen sehr glücklich sein! Aber kommen wir zu Erich Kästner, den ich vor allem als Kinderbuch-Autor im Kopf und als Kind auch gelesen habe.

Ebenso grandios wie Schilling ist Kollegin Saskia Rosendahl als Cornelia Battenberg.
(Foto: imago images/Future Image)
Das geht mir genauso. Für mich ist Erich Kästner der eleganteste Kinderbuch-Autor, der fantastische Bücher geschrieben hat. Dann zu merken, dass er ein großer Romantiker, ein großer Melancholiker ist, das war schön. Ein Fatalist auch. Das sind Aspekte, die ich auch in mir trage. Ich glaube, ich teile gewisse Ansichten mit ihm. Ich mag es, solche Figuren zu spielen, habe ich ja auch schon öfter, wie in "Oh Boy": Ein Chronist, der mit den Augen eines Erzählers durch die Welt geht. Das war in dem Fall der Blick meines Freundes Jan Ole Gerster, der das Drehbuch geschrieben hat, und so ist es hier auch: Ich als Jakob Fabian bin das Medium, durch das hindurch Kästner oder auch Regisseur Dominik Graf etwas über die Zeit, das Leben und die Menschen erzählt. Was aber ein sehr persönlicher und spezifischer Blick ist. Und ich muss sagen, das fällt mir gar nicht mal so schwer, das zu spielen (lacht). Ich spiele ja nicht den Kästner, sondern seine Figur.
Die Zeit, in der der Film spielt, ist grausam: Einen Weltkrieg haben die Menschen hinter sich, einen noch vor sich, und trotzdem ist da diese Leichtigkeit, die ab und zu durchblitzt. Waren Sie und Dominik Graf sich da überwiegend einig, wie Sie an den Stoff herangehen?
Wir hatten ein großes gegenseitiges Vertrauen. Ich konnte mich völlig fallen lassen. Ich hatte in der Zeit vor dem Dreh eine Phase, in der ich ein bisschen mit mir selbst und dem Beruf gehadert habe. Und wenn ich Schwierigkeiten hatte, in die Rolle hineinzufinden oder bestimmte Szenen zu spielen, weil ich mich selbst gar nicht so toll fand und auf der Suche nach einem gewissen inneren Feuer war, dann hat mir Dominik geholfen.
Wie hat er geholfen?
Ich wollte viele Szenen eher dunkel, er war das Gegengewicht. Und das war sehr wichtig, denn nur durch die Leichtigkeit, die Komik und die Ironie bekommt der Film diese Tiefe. Sonst wären wir vielleicht in die Larmoyanz-Falle getappt.
Hat der Film Ihnen aus Ihrer Phase des Zweifelns herausgeholfen?
Da der Film bereits 2019 gedreht wurde, vor Corona also, hatte mein Zweifeln nichts mit der Zeit zu tun, die alle anderen als so schwierig fanden. Mich deprimiert ja die vermeintliche Normalität viel eher. Aber Drehen ist immer hilfreich (lächelt).
Berlin damals, im Film, in den Dreißigern, und heute. Gibt es Parallelen?
Berlin als Stadt - da ändern sich nur die Moden und die Technik, glaube ich. Eigentlich könnte man das so wie ein und dasselbe Bild übereinanderlegen: Eine wahnsinnige, tumulthafte, überhitzte und spannungsgeladene Zeit, irgendwas liegt in der Luft, eine Zeit der großen sozialen und wirtschaftlichen Spannungen und Ungewissheiten - das gleicht sich. Und wenn man genauer hinguckt, lag das auch schon vor der Pandemie sehr offen, aber wir wollten es eben nicht sehen. Vielleicht wird es demnächst viel klarer zutage treten, weil das alles noch seine Konsequenzen nach sich ziehen wird.
Wir müssen also aufpassen …
Ich glaube ja. Ich fürchte, jemand wird den Preis dafür zahlen müssen. Wir müssen wachsam sein.
Mit Tom Schilling sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de