Panorama

Druckabfall in großer Höhe? Das Rätsel um den Cessna-Absturz in der Ostsee

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Das von Flightradar24 zur Verfügung gestellte Bild zeigt die Flugbahn der Cessna 551 vor ihrem Absturz in die Ostsee. Einsatzkräfte gehen davon aus, dass die Maschine aufgrund von Treibstoffmangel abstürzte.

(Foto: dpa)

Der Geisterflug eines Privatjets über halb Europa wirft zahlreiche Fragen auf. Ein Experte vermutet, dass ein Druckabfall in der Maschine die Insassen bewusstlos werden ließ. Bei den Opfern soll es sich um die Familie eines Kölner Unternehmers handeln - doch von ihnen fehlt bisher jede Spur.

Nach einem rätselhaften Irrflug quer durch Europa ist vor Lettlands Küste ein Privatflugzeug abgestürzt, das offenbar vier Menschen aus Deutschland an Bord hatte. Die Kursänderung der Cessna 551 auf dem Weg von Südspanien nach Köln löste am Sonntag den Einsatz von Kampfjets aus Deutschland und anderen europäischen Ländern aus. Viele Fragen rund um den Absturz sind ungeklärt. Was weiß man mittlerweile über die Umstände der Katastrophe?

Was für ein Flugzeug war es?

Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine düsengetriebene Cessna Citation II/SP (Modell 551), wie die schwedische Zeitung "Dagens Nyheter" berichtete. Es ist ein kleiner Jet mit zwei Strahltriebwerken, der neben einem Piloten bis zu zehn Passagiere aufnehmen kann. Die Cessna mit dem Kennzeichen OE-FGR war Baujahr 1979. Nach Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA war der Jet in Österreich registriert und auf ein deutsches Unternehmen zugelassen.

Wer saß an Bord?

Der Unternehmer Peter Griesemann, Ehrenpräsident des Karnevalvereins Blaue Funken in Köln, seine Frau, seine Tochter und deren Lebensgefährte sollen an Bord der Cessna gewesen sein, berichten verschiedene Medien. Griesemann gehört die Griesemann-Gruppe, zu der auch eine Charter-Gesellschaft für Privatjets zählt.

Der Unternehmer habe die Maschine selbst gesteuert, berichtet unter anderem der "Express" unter Berufung auf das familiäre Umfeld des Mannes. Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung besitzen sowohl der 72-jährige Unternehmer als auch seine 26-jährige Tochter einen Flugschein. Offizielle Angaben zu den Insassen gab es zunächst nicht. Die Kölner Polizei erklärte, sie sei "nicht beteiligt". Die Griesemann-Gruppe teilte auf Anfrage mit, sie gebe derzeit keine Stellungnahmen ab.

Welche Route nahm das Flugzeug?

Das Privatflugzeug war am Sonntag um 12.56 Uhr im südspanischen Jerez gestartet. Von dort aus flog es über Frankreich in Richtung Deutschland. Eigentlich hätte die Maschine am frühen Abend am Flughafen Köln-Bonn landen sollen. Die Cessna flog jedoch mit unverminderter Höhe und Geschwindigkeit am Zielflughafen Köln/Bonn vorbei, weiter über Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bis über die Ostsee, hieß es aus Polizeikreisen.

Schließlich gelangte die Maschine in den schwedischen Luftraum, flog südlich von Gotland und setzte ihren Flug weiter in Richtung des Golfs von Riga fort. Westlich der lettischen Hauptstadt Riga ging sie um 17.31 Uhr in den Sinkflug und stürzte schließlich vor dem lettischen Hafen Ventspils ins Meer.

Was war der Grund für den Absturz?

Die Behörden gehen davon aus, dass die Cessna während ihres Geisterflugs auf Autopilot geschaltet war. Die Maschine sei schließlich abgestürzt, als "sie keinen Treibstoff mehr hatte", sagte der Leiter des schwedischen Such- und Rettungseinsatzes, Lars Antonsson, der Nachrichtenagentur AFP. Die Menschen an Bord seien "eindeutig" zu keiner Reaktion mehr in der Lage gewesen. Ein Flugzeug der schwedischen Küstenwache entdeckte schließlich die Absturzstelle westlich der lettischen Hafenstadt Ventspils, ehe die Sucheinsätze eingeleitet wurden.

Waren die Passagiere bewusstlos?

Die "Bild"-Zeitung berichtete, die Cessna habe nach ihrem Start Druckprobleme in der Kabine gemeldet. Der Flugsicherheitsexperte Hans Kjäll vermutete nach Angaben des schwedischen Rundfunksenders SVT, dass es einen Druckabfall in der Kabine des Flugzeugs gegeben haben könnte, worauf die Insassen bewusstlos geworden seien. Das Flugzeug sei in einer Höhe von etwa 11.000 Metern unterwegs gewesen, wo der Luftdruck niedrig sei. Komme es in solch einer Höhe zu einem Druckabfall, könne man damit rechnen, bewusstlos zu werden, sagte er.

Auch in Privatjets stehen Sauerstoffmasken zur Verfügung, die einen Sauerstoffmangel verhindern sollen. Doch tritt ein Problem in großer Höhe auf, kann es sehr schnell gehen - die Reaktionszeit eines Piloten, in Fachkreisen "Time of Useful Consciousness" genannt, beträgt bei 11.000 Metern nur etwa 30 bis 60 Sekunden.

Wie verlief der Einsatz der Kampfflugzeuge?

Kampfflugzeuge aus Frankreich, Deutschland, Dänemark und Schweden begleiteten die Maschine auf ihrem Weg durch die Lufträume mehrerer Staaten. Im Luftraum über Frankreich übernahm zunächst eine Rotte der französischen Armee, bevor im deutschen Luftraum eine Rotte aus Neuburg an der Donau und später aus Rostock-Laage aufstieg. Sie sahen niemanden im Cockpit, es kam auch kein Funkkontakt zur Crew zustande.

Die Luftwaffenpiloten seien von keiner akuten Bedrohung ausgegangen, weil der Jet offensichtlich auf Autopilot unterwegs gewesen sei, berichtet der "Spiegel" unter Verweis auf Bundeswehrkreise. Man habe noch während des Fluges berechnet, dass die Maschine führerlos die Ostsee erreichen und dort wegen Spritmangels abstürzen würde. Auch dass die Route nicht über stark besiedeltes Gebiet oder Großveranstaltungen führen würde, sei geklärt gewesen, weshalb man den Flieger nur begleitet habe, heißt es in dem Bericht.

Konnten die Opfer bereits geborgen werden?

Laut lettischer Luftfahrtbehörde waren Boote und Hubschrauber an der Absturzstelle im Einsatz. Bislang wurden elf Fragmente der Unglücksmaschine gefunden: Zehn Wrackteile wurden nach Angaben der lettischen Marine am heutigen Montag im Meer entdeckt, ein weiteres sei zuvor bereits am Sonntag ausfindig gemacht worden. Von den Insassen fehlt dagegen weiterhin jede Spur. "Wir suchen weiterhin nach Überlebenden", sagte der Leiter des lettischen Seerettungskoordinationszentrums, Peteris Subbota, der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Außerdem wolle man weitere Wrackteile aufspüren und sicherstellen, dass kein Öl ausgetreten sei.

Wie geht es weiter?

Nach Angaben der Leiterin der lettischen Unfalluntersuchungsbehörde, Anita Skinuma, ereignete sich der Absturz in neutralen Gewässern. Daher könne die Untersuchung sowohl von dem Land durchgeführt werden, in dem das Flugzeug registriert ist, als auch von dem Land, dessen Staatsbürger an Bord waren. Noch sei bislang aber nichts gefunden worden, was auf die Nationalität der Insassen schließen lasse, sagte sie der lettischen Nachrichtenagentur Leta.

Quelle: ntv.de, kst/AFP/dpa

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