Panorama

Aus der Schmoll-Ecke F. Merz, unser bester Mann ("Mafioso") vom Lieferdienst

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"Merz stoppen: Jetzt geht's um die Tofu-Wurst!", fordert Foodwatch.

"Merz stoppen: Jetzt geht's um die Tofu-Wurst!", fordert Foodwatch.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wir haben den Mann gewählt. Seine Leute sagen: "Wir müssen jetzt liefern". Aber selbst ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung ist kein Goldenes Zeitalter in Sicht, noch nicht mal blühende Landschaften. Es wird Zeit. Oder wir schreiben noch ein paar Petitionen.

"Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte." So schrieb es einst Søren Kierkegaard darnieder. Der Sinnspruch ist universell. Als mir das Zitat neulich nach langer Zeit mal wieder begegnete, musste ich allerdings an F. Merz denken, den König der Umfallenden, wie Umfaller neuerdings politisch korrekt genannt werden müssen, damit die Welt oder wenigstens Deutschland endlich besser wird. Es sieht gut aus. Wir machen Fortschritte. Das Bürgergeld ist reformiert und der Absatz von Pudding steigt, seit ihn junge Leute - auf der Suche nach dem Unsinn des Lebens - mit Gabeln essen, weil sie das lustig finden und noch genießen wollen, bevor die Klimakatastrophe und die Zuckersteuer zuschlagen.

Ich sehe sie vor mir, die Pudding-Schaufelnden, wie sie nach dem Verputzen der Süßspeise - die leeren Plastikbecher bitte in die gelbe Tonne! - über die Weltrettung, Armut, Gerechtigkeit und die Besteuerung der Reichen fachsimpeln und unseren König als Inkarnation sozialer Kälte anprangern. Der Merz, ein Christ(demokrat) - von wegen, der ist so eiskalt, da würde sogar das Fegefeuer streiken. Aber er wollte nun mal König von Deutschland werden, das hat er nun davon. "Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte."

Kierkegaard prägte in Dänemark - ich hoffe, das interessiert Sie überhaupt - eine Epoche mit, von der wir in Deutschland gerade träumen: das Goldene Zeitalter. So nennt die Kunstwissenschaft die kulturelle Blüte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kierkegaards Heimat, die, wie das mit Goldenen Zeitaltern nunmal früher so war und heute wieder ist, jäh endete - und zwar mit politischen Wirren, Krieg und Gebietsverlusten. Dänemark verlor gegen das Militärbündnis aus Österreich und Preußen und musste große Teile seines Territoriums abtreten, die nun zu Schleswig-Holstein gehören.

Hausdurchsuchung bei der "MerzMafia"

Auf Seiten der siegreichen Preußen stand Generalfeldmarschall Friedrich Heinrich Ernst Freiherr von Wrangel - nach ihm ist eine Straße in Berlin-Kreuzberg benannt. Mal schauen, wie lange sie noch so heißt. Auf die Debatte freue ich mich schon, denn Wrangel hatte einen gewissen Anteil an der Niederlage Napoleons in Sachsen, bekanntlich war der Franzose ein Tyrann - die vielen Schlachten gegen ihn bezeichnen wir nicht umsonst als die europäischen "Befreiungskriege". Derweil könnten wir die Dänische Straße in Kiel umbenennen. Sicher ist sicher. Die Dänen selbst haben schon reagiert. Die Möbelkette Dänisches Bettenlager heißt seit 2019 JYSK. So geht man mit seiner Vergangenheit um. Bravo, Dänemark! Schleswig kriegt ihr trotzdem nicht zurück.

Zurück zu Kierkegaard. Der war - auch das passt zu Merz - glühender Christ. Weshalb der Däne leicht von Friedrich Nietzsche zu unterscheiden ist. Der Deutsche hatte es nicht so mit dem Christentum und notierte Sätze wie: "Jesus ist das Gegenstück eines Genies: Er ist ein Idiot." Oder: "Ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat. Sie ist mir die höchste aller denkbaren Korruptionen, sie hat den Willen zur letzten auch nur möglichen Korruption gehabt."

Auch da sind wir wieder bei unserem König. Die Gruppe "Neue Generation", die nach einer erstaunlichen Metamorphose aus der "Letzten Generation" hervorgegangen ist, ohne einen Hauch ihrer Hybris einzubüßen, beschuldigt ihn der Bestechlichkeit. In einem Akt der Selbstermächtigung führte sie "Hausdurchsuchungen" unter anderem in der CDU-Zentrale durch, um ihrem "Verdacht auf Korruption" nachzugehen mit dem Ziel, "die MerzMafia - mafiös organisierte Machtverflechtungen und deren Einfluss auf die Politik - offenzulegen". Denn: "Mit Konzernen und fossilen Interessengemeinschaften, die an Gesetzestexten und politischen Entscheidungen herumpfuschen, erleben wir eine neue Dimension der Angriffe auf demokratische Prinzipien."

Das vegane Wunder

Und nun? Hat er den Salat. Alle sind gegen ihn und seine Politik. Foodwatch möchte "Merz stoppen: Jetzt geht's um die Tofu-Wurst!" Die EU hat nichts Besseres zu tun, als Bezeichnungen wie "Veggieburger" oder "Tofuschnitzel" zu verbieten. Sie könnte ja zum Beispiel für sichere Grenzen sorgen, Drohnenabwehr organisieren und Ungarn in den Griff bekommen. Aber was macht sie? Die Sprachpolizei auf "Veggieburger" oder "Tofuschnitzel" losschicken, als hätten wir nicht schon genug mit der rhetorischen Ausrottung der "Z-Schnitzel" zu tun. "Niemand verwechselt ein deutlich als 'vegan oder vegetarisch' gekennzeichnetes Produkt mit Fleisch", erklärte Foodwatch. Doch was ist mit Leuten, die schlecht oder kein Deutsch sprechen, einen Veggieburger kaufen und beim Grillen ihr veganes Wunder erleben? Man muss doch an alle Menschen denken.

"Bei dem Vorstoß des EU-Parlaments handelt es sich um Lobbypolitik für die Fleischindustrie, die Sie offenbar unterstützen." Mit "Sie" ist der König der Umfallenden gemeint. Schon wieder der. Daher: "Bitte unterschreiben Sie unsere Petition gegen den Unsinn!" Es gibt auch andere Petitionen, die von Merz etwas fordern, etwa den Rücktritt "wegen Wählertäuschung" oder deshalb: "Kein Kanzler für soziale Gerechtigkeit und Frieden!" Weitere Gründe für Petitionen: "Friedrich Merz, kürzen Sie nicht bei der Teilhabe!" "Friedrich Merz - Hände weg vom Bürgergeld!" "Jetzt Petition unterzeichnen! Merz greift Lieferkettengesetz an."

Apropos liefern. "Wir müssen liefern", hat die Union vor der Wahl gesagt. Sie, Herr Merz, König der Umfallenden, sind zum Chef des Lieferdienstes gewählt worden. Von uns. Vom Volk. Also machen Sie es gefälligst glücklich. Sofort! Aber nicht so wie bisher! Sorgen Sie gefälligst für Gesetze, mit denen alle zufrieden sind: die Vegetarier, die Fleischfresser, die Putin-Fans, die Putin-Verächter, die AfD-Wähler, die AfD-Gegner, die Demokraten, die Antidemokraten, die Klimaschützer, die Klimaverpester, die Reichen, die Armen, die Unternehmer, die Arbeitnehmer … Wo ist denn das Problem? Vielleicht in diesem Satz hier: "Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte."

Quelle: ntv.de

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