Panorama

Eine für alle Tausend gute Gründe, nicht den Mut zu verlieren

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Aufstehen, Tanzbein schwingen, weiter geht's!

Aufstehen, Tanzbein schwingen, weiter geht's!

(Foto: imago/UIG)

Es ist hart, ja. Von Amazon bis Syrien, von "Ein Herz für Kinder" bis 35 Jahre Mauerfall, von eigenen Wehwehchen bis Ärztemangel. Aber: Das ist kein Grund zu verzagen! Die Kolumnistin reitet mal eben durch die vergangenen Tage.

Gib mir einen Grund, warum ich heute aufstehen sollte? Es ist grau, kalt, der Rücken schmerzt, so viel zu erledigen, ich möchte die Decke über den Kopf ziehen. Und das, obwohl ich der Typ halb volles, nicht halb leeres Glas bin.

Es ist eine Woche vergangen, in der ich mich oft geekelt habe: Vor dem Geiz von Politikern, vor den Entdeckungen in syrischen Gefängnissen, vor den Ansagen deutscher Politiker, vor internationalen Politikern und Wirtschaftsbossen, die ihren Kotau vor einem gewissen zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten machen, vor Kriegen, die nicht enden, vor Menschen, die andere Menschen mit 1000 Euro im Gepäck in ihren Heimatstaat schicken wollen, obwohl sie hier zu großen Teilen gar nicht mal so entbehrlich sind und obwohl man noch gar nicht weiß, wie die Lage vor Ort wirklich ist. In dem Fall, Sie können es sich denken, ist Syrien gemeint.

Rotkäppchen-Sekt und Abgase

Es fällt mir schwer, so einfach mitzujubeln. Sicher, der Diktator ist weg, das ist ein großer Grund zur Freude, aber was kommt jetzt? Der Diktator ist tot, es lebe der Diktator? Und tot ist er gar nicht, nur bei Putin. Aber den kann man nicht fragen. Außer Olaf vielleicht beim nächsten Plausch. Aber ich glaube nicht. Ich kann nicht so einfach jubeln, weil das ganze Gebälk da in Richtung Syrien und Türkei und so weiter dermaßen bebt, dass die Schwarte kracht. Es erinnert mich zu Teilen an den Fall der Mauer, wo sich alle, weinselig von Rotkäppchen und eingenebelt in Trabbi-Abgase, in den Armen lagen und sich feierlich Blutsbrüder- und Schwesternschaft bis in die ewigen Jagdgründe geschworen haben.

Die Euphorie hat eine Weile gehalten, sicher, kann man nicht anders sagen, aber es war vielleicht auch nicht ganz vergleichbar jetzt mit Syrien. Und seit einiger Zeit, also wahrscheinlich so seit 34 Jahren, ist die Euphorie auch relativ verpufft. Man hätte weniger jubeln und mehr nachdenken sollen. Aber diese historischen Chancen werden ja gern mal vermasselt. Haben wir aus der Geschichte gelernt? Schon wieder nicht?

Ein Merz für Kinder?

Die Rapperin Katja Krasavice hat deutschen Spitzenpolitikern Knauserigkeit bei der TV-Spendengala "Ein Herz für Kinder" vorgeworfen. "Ich bin der Meinung, dass Leute, die viel Geld haben, auch viel Geld spenden müssen, da gibt's gar keine Diskussion", so die Influencerin auf Tiktok. "Wieso sollte ein reicher Politiker nicht auch viel Geld spenden? Wo bleibt da die Fairness?" Die Politiker hatten tatsächlich nicht die größten Summen des Abends beigetragen, als die Komiker Ralf Schmitz und Hazel Brugger bei ihrer Spendenjagd im Saal auf prominente Gäste zugingen. Ex-Finanzminister Christian Lindner erklärte sich so: "Sie kennen ja meine berufliche Situation" und zu einer Spende von 2000 Euro bereit, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ebenso. Friedrich Merz knüpfte die Höhe einer geplanten Spende zunächst an das Ergebnis in Wahlumfragen, kündigte aber später auf X an, er werde 4000 Euro spenden. SPD-Chef Lars Klingbeil war mit 500 Euro eingestiegen.

Kurz abwarten?

Also, ich verstehe, dass es oft so scheint, als wäre alles besser als der ehemalige Ist-Zustand. Aber jetzt könnte man doch auch einen kühlen Kopf bewahren und sich fragen, wie das alles geordnet ablaufen soll. Ich habe immer das Gefühl, dass alle durcheinander rufen, und der Lauteste gewinnt. Also wenn Herr Spahn jetzt der Lauteste ist, dann gewinnt er und viele Syrer sitzen bald mit ein paar grünen Scheinen im Flugzeug und werden in ihre Heimat zurückgebracht, komme, was wolle. Können wir nicht einmal kurz durchatmen und einen Moment abwarten, wie die Lage sich dort so entwickelt?

Während ich das hier schreibe, rasen Tausend Gedanken durch meinen Kopf. Denn eigentlich sollte die Kolumne "Geiz ist ungeil" heißen und die anprangern, die besonders geizig sind. Was reimt sich auf Herz? Merz, genau, aber auch Schmerz. Zu Söder und Lindner fällt mir leider kein Reim ein. Aber sehen Sie selbst in dieses Video der "Ein Herz für Kinder"-Gala. Und machen Sie sich einen eigenen Reim drauf, wie die Herren sich "balmieren".

Arbeitslos und Kind im Anmarsch

Man ist direkt froh, dass der Kanzler nicht da war und sich nicht alle, die sich für die führenden Köpfe des Landes halten, komplett zum Affen gemacht haben. Sicher, 2000 und 4000 Euro Spende sind viel Geld, und in Christian Lindners Haut möchte man nicht stecken - arbeitslos und Kind im Anmarsch, neues Auto muss her - aber das haben andere auch schon geschafft, wenn sie ein tüchtiges Frauchen zu Hause haben, die Kolumnistin denkt dabei an - sich. Schwamm drüber, es sind ja ein paar Leute eingesprungen. Ex-Nationalspieler Toni Kroos zum Beispiel mit 105.000 Euro. Rapperin Katja Krasavice, die 2022 ebenfalls 100.000 Euro spendete, findet aber, dass wer viel hat, auch viel geben sollte.

Und natürlich buckeln Macron und Co. jetzt schon vor Trump herum, mit dem müssen sie schließlich die nächsten vier Jahre klarkommen. Also, wenn Macron und Co. im Amt bleiben, aber wer weiß das schon? Und wenn ich Zuckerberg wäre, hätte ich auch gespendet, auf die paar Piepen kommt es dann auch nicht mehr an, vor allem, weil die anderen Milliardärs-Techies auch schon gespendet haben, da will man kein Außenseiter sein. Verdammt, ich kann doch jetzt nicht alle sozialen Netzwerke verlassen, nie wieder bei Amazon bestellen und so weiter. Oder doch? Bleiben wir lieber positiv, vor allem so kurz vor Weihnachten, und kaufen nur in unserem Kiez Weihnachtsgeschenke.

Es ist doch auch so: Je härter die Zeiten, desto härter die Party. Je schlimmer die Lage, desto intensiver der Lippenstift. Es ist sehr lange alles ziemlich gut gegangen für uns - es ist nur natürlich, dass es irgendwann auch mal abwärtsgeht. Das Gute an so einer Abwärtsfahrt ist der Rausch, der Wind im Haar, und das Wissen, dass es eines Tages auch wieder bergauf geht. Versprochen!

Schlangen häuten sich, Chamäleons passen sich an, Brust raus, Bauch rein, Köpper oder Arschbombe - wir müssen da jetzt durch! Es gibt Tausend Gründe, weiterzumachen. Falls vorhanden - schauen Sie in die Augen Ihrer Kinder. Falls keines vorhanden - schauen Sie in die Augen in Ihrem Spiegel. Sehen wir es also positiv und feiern, bis der Arzt kommt. Ach, kommt keiner? Der sitzt im Flugzeug Richtung Syrien? Hm, das ist ja doof jetzt ...

Quelle: ntv.de

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