Mathis Bönte und der ETS2 "In der FDP habe ich keine Zukunft gesehen"
20.02.2025, 17:27 Uhr Artikel anhören
Dass sich alles ändern lässt, glaubt eventuell nur noch die FDP selbst. Wenn überhaupt ...
(Foto: dpa)
Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl werden ab 2027 schrittweise deutlich teurer. Wenn sich Verbraucher und Unternehmen nicht darauf einstellen, können Preissteigerungen wie nach Ausbruch des Ukraine-Krieges hart zuschlagen. Trotzdem klärt die Politik bislang kaum über den Emissionshandel auf. Mathis Bönte ist Anwalt und seit 2019 Klimaaktivist. Vor allem die klimaschädlichen Kampagnen von CDU, CSU und FDP haben ihn wütend gemacht. Irgendwann hatte er das Gefühl, nicht weiterzukommen, wenn er den Parteien immer nur weiter vorwirft, keinen Klimaschutz zu wollen. Im Frühjahr 2023 wählte er daher einen anderen Weg und trat in die FDP ein. Eine Weile warnte er als "Der Verrückte aus der FDP" vor Verbrennerautos, Öl- und Gasheizungen. Mit ntv.de spricht er darüber, warum er - unter anderem - vom Kauf einer Gasheizung abrät und warum er die FDP wieder verlassen hat.
ntv.de: Warum tritt einer, der vor gar nicht allzu langer Zeit in die FDP eingetreten ist, schnell wieder aus?
Mathis Bönte: Ich habe ehrlich gesagt keine Möglichkeit gesehen, dort jemanden mit meinem Anliegen zu erreichen.
Erklären Sie uns, was Ihr Anliegen war?
Es ging – und geht – darum, den Leuten klar zu sagen, was der Emissionshandel für sie bedeutet. Da findet man aber nicht wirklich Gehör in der Partei. Und unbequem will da kaum jemand sein, war mein Eindruck. Ich habe auch viel Hoffnung auf die Klimabewegung gesetzt, weil ich mich da als Anwalt der Letzten Generation deutlich besser vernetzt sehe - dort wiederum waren die Vorbehalte gegenüber der FDP jedoch so groß, dass ich mit dem Thema auch nicht weitergekommen bin. Weder die "For Future"-Bewegung noch die "Letzte Generation" interessieren sich anscheinend für dieses - in meinen Augen -wichtige Thema. Und zusammengefasst – die FDP ist in diesen Gruppen das Feindbild (lacht).
Kann es sein, dass das Thema Emissionshandel einfach zu kompliziert und komplex ist?
Wahrscheinlich, denn alle, die ich gefragt habe, auch die, von denen ich gedacht hätte, die müssten das ganz sicher wissen oder sich zumindest dafür interessieren, gucken mich meist an wie ein Auto …
… das passt ja immerhin ganz gut zum Thema …
… stimmt auch wieder. Ich habe neulich einen Vortrag an der Uni Aachen – vor durchaus interessiertem Publikum - gehalten und gefragt, wer mir erklären kann, was der ETS2 ist. Nicht eine Person.
Sie wirken dennoch nicht so, als würden Sie schnell aufgeben – was ist Ihr Plan?
Ich habe immer sehr viel auf X gepostet, das mache ich inzwischen nicht mehr – was auch an Elon Musk liegt – daher kann ich mich mehr auf andere Dinge konzentrieren. Ich habe eine Kolumne bei meinem Lokalblatt, da kann ich mich zu den Themen äußern, die mir unter den Nägeln brennen. Jetzt im Wahlkampf geh' ich zu den Ständen der FDP und auch der CDU, aber wenn ich dort über den Emissionshandel sprechen will, dann habe ich meist das Gefühl, dass ich die Leute über ihr eigenes Programm aufklären muss.
Haben Sie mal versucht, eine eigene Klimagruppe ins Leben zu rufen?
Ja, aber das stellte sich als wirklich schwierig heraus. Man beißt überall auf Granit. Neulich war ich in NRW beim CDU-Parteitag, da habe ich mich immerhin mit Carsten Linnemann unterhalten, aber überwiegend sind die Leute überrascht, wenn ich über den Emissionshandel sprechen möchte.
Liegt vielleicht am Thema – keiner kann sich so richtig was darunter vorstellen. Und schon recht will sich niemand damit auseinandersetzen. Man schiebt es weg. Was sagen die Grünen denn?
Das Spannende und das Wichtige wäre ja, es als Thema von FDP und CDU in die Diskussion zu bringen. Mir geht es darum, dass unbequemer Klimaschutz nicht nur eine Sache der Grünen ist, sondern dass die Menschen sich auch nach den Konzepten der anderen umstellen müssen.
Und was würden Sie den Menschen gern sagen?
Dass Benzin und Gas immer teurer werden – die Leute müssen sich darauf einstellen! Das sollte man vor allem im Hinterkopf haben, wenn man sich ein neues Auto kaufen möchte. Je weniger Leute sich jetzt umstellen, desto sprunghafter wird der Preisanstieg ab 2027 sein, wenn Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl immer knapper werden. Der Emissionshandel im Verkehrs- und Wärmesektor (ETS2) ist beschlossene Sache. Und an die Politik gerichtet: Es braucht mehr Aufklärung. Man kann die Leute nicht in diese Kostenfalle laufen lassen.
Das neue Gesetz zum EU-Emissionshandel ist im Februar 2025 umgesetzt worden und soll ab 2027 - also in zwei Jahren - gelten. Der Deutsche Bundestag hat den Einstieg in den Europäischen Zertifikatehandel (ETS 2) für Verkehr und Heizung beschlossen – mit der Folge, dass sich der CO2-Preis in Kürze vervielfachen wird. Ebenso, wie die Kosten für Diesel und Benzin sowie Heizen mit Öl und Gas explodieren werden.
Überzeugte Benzin- oder Dieselfahrer – womit kriegt man die weg von der Zapf- , ran an die Ladesäule?
Ich glaube, es muss ein Umdenken stattfinden. Wir haben unser Auto verkauft, leihen uns ein E-Auto, wenn wir doch mal ein Auto brauchen. Und machen natürlich die Erfahrung, dass es bei weiten Strecken etwas länger dauert, also 40 Minuten laden versus 5 Minuten tanken. Da nehmen wir meist die Bahn. Und ja, es ist nachteilig mit der längeren Fahrzeit im E-Auto, es wird allerdings technisch immer besser, und ich glaube, wir müssen uns einfach umgewöhnen. Dann kommt es uns normal vor, dass eine gewisse Strecke eben vier Stunden dauert, für die man früher nur drei gebraucht hat, dann ärgert sich auch niemand mehr.
Es ist auch eine Frage des Preises …
Ja. Wenn Benzin und Diesel immer teurer werden, dann werden E-Autos automatisch beliebter. Und wenn es fünf Euro pro Liter kosten muss, damit die Menschen umsteigen, wird der Emissionshandel früher oder später dafür sorgen. Denn er begrenzt die Menge – nicht den Preis.
Sie sagen also, das kann richtig ungemütlich werden …
Schon aus Kostengründen würde ich mir jetzt Gedanken machen, wie ich von Benzin und Diesel loskomme. Das muss ich nicht sofort alles umsetzen. Aber ich würde nicht warten, bis ich mir das nicht mehr leisten kann. Wir werden einfach nicht gleichzeitig eine komplette Infrastruktur für E-Mobilität aufbauen und die alte für Verbrenner komplett beibehalten können. Es führt kein Weg daran vorbei, das Fahren mit Benzinern und Diesel unbequemer zu machen. Und dann darauf zu setzen, dass die Nachfrage nach E steigt und sich der Markt bewegt.
Porsche zieht sich aus dem E-Sektor zurück, Tesla hat ein total mieses Image dank Musk, das ist doch Gift für den Ausbau dieser Strukturen …
Richtig, in Deutschland ist die Förderung weg und das Interesse gerade auch, global allerdings nimmt der Anteil an E-Autos zu. Dass widersprüchliche Signale aus der Industrie kommen, überrascht mich aber nicht, weil kaum jemand den Emissionshandel auf dem Schirm hat. Das gilt selbst für die EU-Mitgliedsstaaten und ihre Projektionen, wie sich die Emissionen im Verkehrs- und Wärmesektor entwickeln. Die gehen bis 2030 von einer Minderung von 24 Prozent aus und tatsächlich garantiert der ETS2 eine Minderung von 38 Prozent.
Umdenken ist also angesagt – ist das ein Generationending?
Wir sind mittendrin, aber es ist noch nicht die gesellschaftliche Mehrheit. Die Gesellschaft ist mehrheitlich noch dabei, das Gewohnte beibehalten zu wollen.
Welche Hoffnung setzen Sie jetzt in die Wahl am Sonntag? Manche Themen sind im Wahlkampf komplett auf der Strecke geblieben …
Keine allzu großen Hoffnungen, leider. Erst ging es nur um Wirtschaft, dann nur noch um Migration, mit dem Tenor, dass dieses Thema allein verantwortlich ist für die Situation, in der wir gerade stecken, und erst auf den letzten Metern kamen noch ein paar andere Themen zur Sprache. Aber dass das Klima eine größere Rolle spielen wird oder der Emissionshandel, das sehe ich nicht. Jeder versteift sich auf seine Kernkompetenzthemen, seien das die Parteien oder die Klimaaktivisten, da gibt es keine Zeit für ungewöhnliche Aktionen.
Sie haben mal gesagt, dass die Mitgliedsstaaten der EU den Emissionshandel in ihren Studien nur unzureichend berücksichtigen.
Nachdem er 2018 durch Vorträge und den Hitzesommer für die Klimakrise sensibilisiert wurde, begann Mathis Bönte, sich für "Fridays for Future" zu engagieren und setzte sich aktiv für die Klimapolitik in Münster ein. Heute verteidigt der 1982 in Herdecke geborene Anwalt bundesweit AktivistInnen, die auf den Klimanotstand aufmerksam machen wollen.
Da wurde etwas beschlossen, was zu drastischen Einschränkungen führen kann, wenn man sich nicht früh genug umstellt, wo man sich aber gleichzeitig einreden kann: "Uns betrifft's ja eh nicht."
So ist es auch mit dem Klima …
Ja, ein riesiges Thema mit beispiellosen Gefahren, aber die meisten Menschen bilden sich noch immer ein, dass es sie schon nicht betreffen wird. Das wird total unterschätzt.
Mit Mathis Bönte sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de