Angst vor höheren Benzinpreisen Wie Deutschland den CO2-Preis steuern kann
18.02.2025, 19:22 Uhr Artikel anhören
Die AfD-Frau macht Angst: Wird Tanken bald historisch teuer?
(Foto: IMAGO/Sven Simon)
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel spricht im Quadrell bei ntv und RTL davon, dass sich der Benzinpreis im europäischen Emissionshandel um einen Euro pro Liter verteuern werde. Davon ist tatsächlich nicht auszugehen. Dass der CO2-Preis unsere Kraftstoffe aber teurer machen wird, schon. Wichtig zu wissen ist, dass Deutschland im europäischen Emissionshandel ETS2 die größten Gestaltungsmöglichkeiten aller EU-Länder hat. Warum das so ist und welche Möglichkeiten sich der deutschen Politik bieten, die Preise niedrig zu halten, erklärt Prof. Peter Kasten, Bereichsleiter für Ressourcen und Mobilität am Öko-Institut in Berlin.
Der ETS2 (Europäisches Emissionshandelssystem für Gebäude, Verkehr und zusätzliche Sektoren) soll am 1. Januar 2027 an den Start gehen. "Den Emissionshandel ETS1 für die Energiewirtschaft und Industrie gibt es schon länger", erläutert Kasten im Gespräch mit dem Autor. "Da gibt es eine Menge an CO2-Emissionen, die ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen die Verursacher dann Zertifikate zur Verfügung haben. Die Zahl dieser Zertifikate sinkt über die Zeit. Durch die immer knapperen Mengen an CO2, die zur Verfügung stehen, steigen der Preis und der Anreiz, CO2-Emissionen zu vermeiden", erläutert der Experte das Prinzip.
Wie aber läuft das mit dem CO2-Preis und wie stark kann im Zuge des Emissionshandel der Preis für Benzin und Diesel steigen? Von einem Euro pro Liter ist jedenfalls bei weitem nicht die Rede: "Es ist derzeit sehr offen, welche Preise sich da einstellen werden", sagt Kasten. "Für den Verkehrssektor kann man die grobe Rechnung aufmachen: Je zusätzlicher 100 Euro pro Tonne CO2 sind das 30 Cent pro Liter mehr an der Zapfsäule für den fossilen Diesel. Das ist so die Hausnummer, die es gibt. Für 100 Euro mehr pro Tonne 30 Cent pro Liter."
Wie hoch der CO2-Preis pro Tonne ab 2027 steigen wird, ist jetzt noch Spekulation. Manche Experten rechnen mit 100 Euro pro Tonne, andere gar mit 300. "Man darf auch nicht vergessen, wir haben über das Brennstoffemissionshandelsgesetz heute schon einen Preis von 55 Euro pro Tonne CO2. Wenn wir also über einen Preis von 100 oder 150 Euro pro Tonne CO2 sprechen, sind das 15 bis 30 zusätzliche Cent pro Liter an der Zapfsäule", so Kasten, der sich schon seit 15 Jahren mit Klimaschutz und Verkehr beschäftigt.
Ob Preis stark steigt, liegt an Deutschland
Außerdem haben wir heute schon im Benzin und Diesel einen Anteil an Bio-Kraftstoffen, der immer größer wird. "Das heißt, der Preisaufschlag wird geringer werden, wenn der Anteil der Kraftstoffe größer wird, der nicht dem CO2-Preis unterliegt", erklärt Kasten. Den Anteil an Bio-Kraftstoffen im Sprit zu steigern, wäre also beispielsweise ein Instrument für die Politik. Größere Konflikte wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Anbauflächen seien nicht zu erwarten. Kasten erwartet, dass der Mix immer stärker in die Richtung der Biokraftstoffe gehen werde, die aus Bio-Abfällen kommen. Und ganz wichtig: "Je stärker wir elektrifizieren, umso weniger Kraftstoffe werden wir benötigen."

Experte Peter Kasten ist Bereichsleiter für Ressourcen und Mobilität am Öko-Institut in Berlin.
(Foto: PR)
Deswegen hält Kasten auch die Wahlkampf-Diskussion, das Verbrenner-Aus nach hinten zu schieben oder ganz abzuschaffen für eine fehlgeleitete Debatte. "Das würde nur dazu führen, dass wir höhere Emissionen haben und die Preise dann im ETS2 steigen." Richtig wäre viel mehr, so viele Emissionen einzusparen wie es eben geht. "Je mehr wir national über andere Instrumente machen, umso niedriger wird der CO2-Preis sein", wie es der Forscher formuliert.
Ein Beispiel dafür ist das Tempolimit: "Ein Tempolimit auf Autobahnen und eine geringere Geschwindigkeit auf Landstraßen in Deutschland würde einer Studie des Umweltbundesamts nach bis zu Acht Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das sind mehr Emissionen als die gesamten ETS2-Emissionen aus dem kleinen Industriebereich, den Gebäuden und dem Verkehr von Zypern, Estland und Lettland zusammen." Das belege sehr eindrucksvoll die Bedeutung, die Deutschland für das gesamte System habe.
Deutschland hat große Verantwortung
Denn Deutschland stößt die mit Abstand meisten Treibhausgase in der EU aus. Etwa ein Viertel der Gesamt-Emissionen kommt von hier. Das ist Fluch und Segen zugleich: "Denn Deutschland hat damit die Möglichkeit, den Preis sehr stark zu bestimmen, indem es eben die Emissionen zum Beispiel im Straßenverkehr stark vermindert", so der Experte. Weil Deutschland eben einen so großen Anteil an den Emissionen hat, könne es mit nationalen Instrumenten und Politikausgestaltung den Preis bestimmen.
"Das geht in der Diskussion oft unter. Viele Länder haben nur ein oder zwei Prozent der Emissionen, die können gar nicht viel einsparen. Das System kann also nicht funktionieren, wenn Deutschland nicht relevant Klimaschutz im Verkehr betreibt." Würde sich die deutsche Politik einzig und allein auf den CO2-Preis verlassen und keine flankierenden Maßnahmen einleiten, würde der Preis stark steigen. Oder anders gesagt: "Der ETS2 funktioniert nur mit einem Instrumentenmix."
Deutschland hat also eine große Verantwortung für ganz Europa. Und eine Erhöhung von 30 Cent pro Liter Kraftstoff kommt dann auch in Ländern mit einer weit niedrigeren Kaufkraft wie in Kroatien, Lettland oder Griechenland. Hier lauert großer sozialer Sprengstoff: "Das kann dort schneller zu einer Energie- und Mobilitätsarmut führen als in Deutschland", führt Kasten aus. "Deshalb ist ein sozialer Ausgleich notwendig. Auf europäischer Ebene gibt es dafür den Klimasozialfonds, der sich aus den Einnahmen des ETS2 speist."
Welche Maßnahmen gibt es?
Viel diskutiert wird als Ausgleichszahlung ein Klimageld für die Bürger. "Der soziale Ausgleich sollte unserer Einschätzung nach nicht mit der Gießkanne durchgeführt werden. Ein Klimageld sollte sehr zielgerichtet auf Gruppen und Personen gehen, die wirklich Bedarf haben", erklärt Kasten. "Natürlich gehört auch ein Ausbau des ÖPNV-Angebots dazu. Auf der Preisseite sehen wir das Deutschlandticket positiv, welches um eine stärkere soziale Komponente erweitert werden sollte. Lokale beziehungsweise regionale Sozialtickets zu niedrigen Preisen sind ebenfalls eine Option", so seine Ideen.
Ein steigender Benzinpreis trifft Geringverdiener naturgemäß weit härter als Spitzenverdiener. Um die Last des CO2-Preises sozial zu gestalten, hat Frankreich ein "social leasing" eingeführt. "Das heißt, Haushalte mit niedrigen Einkommen können mit einer niedrigen Leasing-Rate auf ein Elektroauto umsteigen", erläutert Kasten das Prinzip. "Ein mit sozialer Komponente ausgestattetes Programm zum Umstieg auf Elektrofahrzeuge gibt es seit Februar auch in Polen."
Ob "social leasing" oder günstiger ÖPNV - jede Maßnahme, die die Emissionen reduziert, arbeitet gegen einen hohen CO2-Preis. Und Deutschland als größter Emittent kann auch die größte Wirkung erzielen. Deshalb ist Klimaschutz in Deutschland so wichtig.
Quelle: ntv.de