Panorama

83 Jahre nach NovemberpogromenLambrecht kritisiert wachsenden Antisemitismus

08.11.2021, 17:59 Uhr
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Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ruft zu zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Antisemitismus auf. (Foto: picture alliance/dpa)

Zum Jahrestag der Reichspogromnacht ruft Bundesjustizministerin Lambrecht dazu auf, Antisemitismus in Deutschland "mit aller Kraft" entgegenzutreten. Auch die Amadeu Antonio Stiftung fordert eine intensivere Aufarbeitung der Vergangenheit und digitale Formate zur Unterstützung der Erinnerungskultur.

Die geschäftsführende Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat zum Jahrestag der Novemberpogrome 1938 zum Einsatz gegen Antisemitismus aufgerufen. "Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in diesem Land Angst haben müssen vor Hass und Gewalt", erklärte Lambrecht. "Wir müssen dem wachsenden Antisemitismus mit aller Kraft entgegentreten."

Gil Ofarim spricht zu Vorwürfen nach ÜberwachungsvideoDie Pogrome vor 83 Jahren zählten "zu den schrecklichsten und beschämendsten Momenten deutscher Geschichte", erklärte Lambrecht. "Unzählige jüdische Frauen, Männer und Kinder wurden damals in Deutschland gedemütigt, misshandelt, vergewaltigt oder ermordet." Etwa die Hälfte aller Synagogen im Land seien "vor den Augen aller" niedergebrannt worden.

Sie sei "dankbar, dass es in Deutschland nach dem Zivilisationsbruch der Shoa wieder ein vielfältiges und reges jüdisches Leben gibt", betonte Lambrecht. Nun komme es darauf an, "zivilgesellschaftliches Engagement gegen Judenfeindlichkeit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft weiter zu stärken".

Mit Computerspielen die Vergangenheit erlebbar machen

Auch die Amadeu Antonio Stiftung sieht Bedarf für eine stärkere öffentliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dessen Funktionsweisen. Es habe nach der Shoa zwar zu Recht eine große Beschäftigung damit gegeben, dass Judenfeindlichkeit zu ächten sei, sagte die Vorsitzende der Stiftung, Anetta Kahane, in Berlin. Die Gesellschaft beginne jetzt aber erst, sich mit dem tieferen Konzept auseinanderzusetzen.

Antisemitismus sei eine "Kulturtechnik", erklärte Kahane. Es gehe zum Beispiel darum, Juden für Missstände verantwortlich zu machen. Antisemitismus sei anders als Rassismus ein "Welterklärungsmodell", sagte die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal. Das Gedenken dürfe sich in Deutschland nicht darin erschöpfen, dass den hierzulande getöteten Juden Empathie entgegengebracht werde. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, die Lage von Juden sei ein Gradmesser für das gesellschaftliche Klima und warnte: "Antidemokratische Bewegungen sind wieder im Aufwind." Antisemitische Ressentiments seien weit verbreitet, das Bild von Juden etwa im Fernsehen oft zu stereotyp.

Das Gedenken an den Holocaust werde sich wandeln angesichts des Sterbens von Zeitzeugen, sagte Klein. Neben der Stärkung von Gedenkstätten sei wichtig, neue digitale Formate zu finden. Auch Computerspiele könnten die Vergangenheit erlebbar machen. Im Geschichtsunterricht solle auch die Rolle etwa einzelner muslimischer Akteure bei der Rettung von Juden aber auch bei der Unterstützung der Nazis eine Rolle spielen. Das Wissen über den Holocaust sei nach seiner Einschätzung weit verbreitet. Es gehe darum, Empathie zu stärken.

Quelle: ntv.de, mbu/AFP/dpa

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