"Ich habe Tränen gesehen" Polizistenprozess in Dortmund geht in Verlängerung


Die Anwältin der Nebenklage, Lisa Grüter, mit zwei Dramé-Brüdern.
(Foto: S. Uersfeld)
Zum vierten Verhandlungstag des Prozesses gegen fünf Polizisten, die sich für die Tötung eines 16-jährigen Senegalesen in der Dortmunder Nordstadt am 8. August 2022 verantworten müssen, erscheinen erstmals die Brüder des Opfers. Das Ende des Prozesses werden sie nicht in Dortmund erleben können.
Verlängerung im Polizistenprozess: Der am Dortmunder Landgericht geführte und ursprünglich auf zehn Verhandlungstage angelegte Prozess gegen fünf Polizisten, die sich für die Tötung eines 16-jährigen Senegalesen verantworten müssen, könnte sich bis in den Juli strecken. Das deutete der Vorsitzende Richter Thomas Kelm am heutigen Mittwoch mit der Abfrage möglicher Freitermine bis in den Sommer an.
Der Geflüchtete Mouhamed Dramé war am 8. August 2022 im Hinterhof einer Einrichtung in der Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung durch Schüsse aus einer Maschinenpistole getötet worden. Er hatte zuvor ein Messer gegen sich gerichtet. Versuche, ihn mithilfe von Ansprache, Pfefferspray und Taser des Messers zu entledigen, waren fehlgeschlagen.
Der 30-jährige Todesschütze Fabian S. ist wegen Totschlags angeklagt. Die 31 Jahre alte Jeannine Denise B., die 29 Jahre alte Pia Katharina B. und der 34-jährige Markus B. müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt durch den ungerechtfertigten Einsatz von Pfefferspray und Tasern verantworten. Dem 55-jährigen Dienstgruppenleiter Thorsten H. wird Anstiftung zu den gefährlichen Körperverletzungen im Amt vorgeworfen. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stehen bei einem Prozess gleich fünf Polizisten wegen eines Tötungsdelikts vor Gericht.
Brüder als Nebenkläger
"Es war jetzt schon bei der ersten Zeugeneinvernahme absehbar, dass es gar nicht so einfach ist, die Details in der gebotenen Zeit zu beleuchten. Es ist schon eine Menge Stoff, der durchzugehen ist", sagte Christoph Krekeler, der Verteidiger des Todesschützen Fabian S., im Anschluss an den vierten Verhandlungstag. "Ich war nicht überrascht, dass es mit Sicherheit bis Juli gehen wird."
Am vierten Verhandlungstag bewegte sich in dem Prozess nichts. Bei dem Schiebetermin verlas der Vorsitzende Richter Thomas Kelm einige Berichte. Bemerkenswert war der Tag am Dortmunder Landgericht trotzdem: Mit Sidy und Lassana Dramé waren zwei Brüder des getöteten Mouhamed Dramé als Nebenkläger im Gerichtssaal. Zum ersten Mal trafen sie auf die Personen, die sich nun für den Tod ihres Bruders zu verantworten haben.
Der 37-jährige Sidy und der 24 Jahre alte Lassana beobachten die Anklagebank mit tränennassen Augen, als die fünf Polizisten - drei Männer und zwei Frauen - in den Verhandlungssaal 130 des Dortmunder Landgerichts geführt wurden. Dick eingepackt in Daunenjacken hatte sich der Schmerz über den Verlust ihres Bruders tief in ihr Gesicht gegraben.
Fassaden, die an uns vorbeischauen
"Ich habe Tränen gesehen, ich habe geneigte Köpfe gesehen und ich habe ein ebenso betroffenes Gesicht, einen ebenso nach unten geneigten Blick meines Mandanten gesehen", sagte Krekeler. "Nichts anderes war zu erwarten." Lisa Grüter, die Anwältin der Nebenklage, hatte dafür kein Verständnis. "Diese Betroffenheit hat man ihm nicht angesehen", sagte sie nach dem Prozesstag: "Es sind Fassaden, die an uns vorbeischauen."
Grüter zeigte sich zudem wenig erfreut darüber, dass der Vorsitzende Richter der aus dem Senegal angereisten Familie verwehrte, persönliche Worte an das Gericht zu wenden. "Sie wollten persönlich vortragen, dass sie private Gegenstände ihres Bruders mit zu der Familie in den Senegal mitnehmen wollen. Diese Worte hat das Gericht nicht zugelassen", sagte sie.
Jedoch werde sich das Gericht in den kommenden Tagen mit der Bitte der Hinterbliebenen beschäftigen. So könnte eine von Mouhamed getragene Kette bei der Rückkehr der Brüder nach Senegal nach Ablauf ihrer 90 Tage gültigen Visa mit im Gepäck sein. Man werde sich der Bitten annehmen, sagte der Vorsitzende Richter Kelm, sah aber wie Oberstaatsanwalt Carsten Dombert keine Möglichkeit, das zum Todeszeitpunkt getragene T-Shirt noch vor Prozessende freizugeben.
Der Prozess soll am 21. Februar fortgesetzt werden. Dann sollen insgesamt vier Zeugen aus der Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt, in dessen Hof es zu den Ereignissen vom 8. August 2022 kam, fortgesetzt werden. Zwei der Zeugen wurden bereits am dritten Verhandlungstag vernommen. Die Befragung konnte jedoch nicht beendet werden.
Christoph Krekeler, der Verteidiger des Todesschützen, kündigte für den weiteren Verlauf des Prozesses Äußerungen von Fabian S. zum Tatgeschehen an. "Ja, wie es ursprünglich auch angekündigt wurde, werden sich mein Mandant und, so ist der Stand der Dinge heute, die anderen Angeklagten äußern." Dies werde jedoch erst nach der Aufnahme des gesamten Sachverhalts geschehen. "Nur so ist es möglich, den Äußerungen der Beteiligten überhaupt folgen zu können", sagte er.
Quelle: ntv.de, sue