DKG-Chef Gaß im "ntv Frühstart" "Sind auf deutlich mehr Patienten eingerichtet"
03.04.2020, 08:57 Uhr
Rund 10.000 Beatmungsplätze in den Kliniken seien frei, sagt Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, im "ntv Frühstart". Deshalb stehe Deutschland im Moment noch relativ gut da, jeder Covid-Patient könne versorgt werden. Er fordert, Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen.
Im Kampf um das Überleben schwer erkrankter Covid-19-Patienten in Deutschland hält der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, die Kapazitäten in den kommenden zwei Wochen für ausreichend. "Ich bin zuversichtlich, dass wir die nächsten 10, 14 Tage schaffen werden, dass es gelingen wird, jedem Patienten, der einen Beatmungsplatz braucht, einen solchen zu ermöglichen", sagte Gaß "ntv Frühstart". "Wir haben im Moment die Situation, dass wir 2500 Patienten mit Covid an den Beatmungsgeräten in Deutschland haben. Wir haben aber auch noch gut 10.000 Beatmungsplätze frei." Das sei die aktuelle Situation am Freitagmorgen, sagte Gaß.
"Wir sind darauf eingerichtet, dass in den kommenden Tagen und in den kommenden Wochen noch deutlich mehr Patienten in den Krankenhäusern ankommen", sagte Gaß. Tote seien aber wegen des aggressiven Virus nicht zu vermeiden. "Da kommt auch ein Gesundheitswesen, wie wir es haben, an seine Grenzen. Was aber bei uns im Moment nicht passiert: dass wir den Patienten nicht mehr helfen können. Wir können sie maximal versorgen, aber sie sterben dennoch", sagte Gaß. Er räumte ein, "dass es Krankenhäuser gibt, deren Beatmungskapazität ausgelastet sind. Es gibt dann aber noch eine Reihe nahegelegener Häuser, die aufnehmen können."
Aufstockung durch Kompaktkurse
Deshalb sei es auch richtig, dass Deutschland Covid-Patienten aus Nachbarländern aufnimmt. "Es ist ein Akt der Solidarität", sagte Gaß. "Wir haben etliche Tausend Plätze im Moment frei. Diese jetzt freizulassen und gleichzeitig im grenznahen Bereich die überfüllten Krankhäuser in Italien, in Frankreich zu sehen, ist, glaube ich, kaum auszuhalten."
Wichtig sei, dass es nicht zu Verhältnissen wie etwa in Italien komme. "Dann, wenn wir Triage machen müssen, also unterscheiden müssen, wer bekommt einen Beatmungsplatz und wer nicht, dann wird es extrem schwierig für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", sagte Gaß. "Ich hoffe, dass wir diese Situation nicht erleben werden in Deutschland."
Deutschlands Krankenhäuser seien bemüht, das Personal an den Beatmungsgeräten aufzustocken. "Wir qualifizieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den normalen Pflegestationen, die zum Teil nicht belegt sind, weil wir viele Operationen und Behandlungen abgesagt haben", sagte Gaß. Das in Kompaktkursen weitergebildete Personal werde in die erfahrenen Teams der Intensivstationen integriert.
Mehr Geld für Material und Personal
Langfristig brauche Deutschland aber mehr Pflegekräfte in den Krankenhäusern, wofür der Beruf attraktiver und besser bezahlt werden müsse. "Ich glaube aber, dass der Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege in den Krankenhäusern jetzt auch ein anderer ist, dass viel mehr Respekt und Anerkennung da ist", sagte Gaß. "Und ich denke, dass das sich auch in den Tarifverhandlungen niederschlagen wird."
Es zeige sich, dass die Pandemiepläne in den Krankenhäusern zwar vorhanden waren, eine Bevorratung mit Schutzmaterial für zwei Monate aber nicht ausgereicht habe, als die Lieferungen aus China einbrachen, sagte Gaß. Es wäre besser gewesen, hätte es "zentrale Lagerstätten gegeben beim Bund oder den Ländern, die dann für mehrere Monate das Gesundheitswesen hätten ausstatten können. Das war offensichtlich nicht in dem Umfang vorhanden." Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas vom Weltmarkt müsse im Nachgang der Krise überdacht werden. "Jetzt redet man darüber, und ich finde das richtig, im Bereich der Medikamente wieder in Deutschland in Europa Produktion anzusiedeln und das gilt sicher auch für andere wichtige medizinische Güter."
Die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern von Medikamenten und Klinikausstattungen resultiere auch aus dem Sparkurs der vergangenen Jahre. "Wir haben in Deutschland gerade auch im Arzneimittelbereich extrem auf die Kostensenkung geschaut. In den letzten 10, 15 Jahren sind Rabattverträge von den Krankenkassen mit den Herstellern geschlossen worden, die am Ende zu einer solchen Situation geführt haben, dass nur noch wenige Hersteller extrem günstig produziert haben und von denen ist man jetzt abhängig", sagte Gaß. Um wieder mehr Produktion zurückzubringen nach Europa, "müssen wir im Zweifelsfall bereit sein, auch mehr zu zahlen."
Quelle: ntv.de, shu