Studie zeigt Parallelen aufWer sind die Männer, die ihre Frauen töten?
Sarah Platz
Die meisten Femizide passieren durch den eigenen Partner oder Ex-Partner. Die Beziehungen zwischen Tätern und Opfern weisen oft dieselbe Dynamik auf, finden Forscher nun heraus. Im Zentrum steht ein gefährliches Rollenbild - und der Verlust der eigenen Machtposition.
Ein 55-Jähriger aus dem brandenburgischen Lindow tötet seine Ehefrau nach einem Streit, danach bringt er sich selbst um. In Ludwigshafen beschließt die 37-jährige Dilan K., sich von ihrem gewalttätigen Ehemann zu trennen. Kurz darauf wird sie von ihm erstochen. Anna R. aus Bremen erhält eine Drohung von ihrem Ex-Freund: Ihre Kinder werden ohne sie aufwachsen. Wenig später ist sie tot.
Die Fälle stammen alle aus den vergangenen Wochen, es sind lediglich die jüngsten Verbrechen, in denen eine Frau in Deutschland von einem Mann umgebracht wurde. Insgesamt zählt die Organisation "Femizide stoppen" bereits für dieses Jahr 85 Femizide. Die Opfer kommen aus großen Städten und kleinen Dörfern, einige haben ihre Ausbildung gerade erst beendet, andere sind bereits Rentnerinnen. Die Lebensgeschichten der getöteten Frauen könnten kaum unterschiedlicher sein. Und doch haben die letzten Lebensabschnitte vieler von ihnen einige auffällige Parallelen, wie eine Studie nun herausfindet.
Die meisten von ihnen wurden von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Viele dieser Beziehungen waren schon lange von Streit, oft auch von Gewalt geprägt. Und: Heteronormative Männlichkeitsideale, ein traditionelles Geschlechterrollenverständnis und Sexismus spielen eine entscheidende Rolle. Männer, die ihre Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen umbringen, haben in vielen Fällen ein zutiefst sexistisches Weltbild. Vor diesem Hintergrund sind Eifersucht und (vermutete) Trennungen durch Frauen die größten Risikofaktoren für einen Femizid.
"Verschiebung der Machtverhältnisse"
Zu diesem Ergebnis kommt ein Team aus Kriminologen der Universität Tübingen und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Die Wissenschaftler untersuchten Strafverfahrensakten zu Tötungsdelikten an Frauen aus dem Jahr 2017. Die analysierten Fälle stammen dabei aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen sowie einigen Städten aus Nordrhein-Westfalen. Laut der Studie stehen sie für rund ein Drittel aller entsprechenden Tötungsdelikte.
Nun ist nicht jede Tötung einer Frau ein Femizid. Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich daher auf die Stellung des Opfers und das Tatmotiv. Von den insgesamt 292 untersuchten Fällen ermittelten sie auf diese Weise 133 Femizide. Besonders auffällig: 108 von diesen Femiziden ereigneten sich in oder nach einer heterosexuellen Partnerschaft. "Partnerinnenfemizide sind also die häufigste Form von Frauentötungen in Deutschland", heißt es in der Studie.
In diesen Fällen spielt die Vorstellung des Mannes, die Beziehung sei gescheitert, oft die entscheidende Rolle, wie aus der Studie hervorgeht. Zentral ist der empfundene Machtverlust des späteren Täters. Möglicherweise hatte seine Partnerin angekündigt, sich zu trennen oder er wirft ihr vor, fremdzugehen. Dieses (vermeintliche) Verhalten der Frau wurde von den Männern als Kränkung und Kontrollverlust erlebt "und führte aus ihrer Sicht gewissermaßen zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse in der Beziehung", schreiben die Forscher. Dieses von Eifersucht und Besitzdenken geprägte Motiv steckt demnach hinter drei Viertel aller Partnerinnenfemizide.
Gewalt in Zyklen
Eine Denkweise, die sich oft bereits in der Beziehung zwischen Opfer und Täter äußerte, wie aus der Studie hervorgeht. Die Männer beanspruchten eine überlegene Stellung für sich, sahen sich selbst als "Ernährer" und "Familienoberhaupt". Die Frau hingegen verorteten sie im häuslichen Bereich. Vorstellung und Realität gingen hier allerdings laut der Studie nicht selten auseinander: Manchmal widersetzte sich die Frau den Vorstellungen des Partners - oft konnte dieser die Erwartungen an sich selbst nicht erfüllen, etwa weil er arbeitslos war.
Dieser teils unerfüllte Machtanspruch äußerte sich in einem Großteil der beschriebenen Beziehungen (65,4 Prozent) in Gewaltausbrüchen und Kontrollverhalten, heißt es weiter. Die Forscher schreiben von physischer Gewalt wie Schlagen oder Würgen, aber auch von Drohungen, Überwachungen oder Männern, die Kinder als Druckmittel gegen ihre Partnerin verwendet haben. Entscheidend war, auf die Frau einzuwirken, "um sie zu kontrollieren und in ihrer Freiheit einzuschränken". Auffällig war laut den Forschern zudem, dass diese Gewalt oft wellenförmig daherkam. Auf Phasen exzessiver Gewalt folgten Phasen, in denen sich die Männer "betont reuig zeigten". So gelang es den Männern, die Opfer über lange Zeit in der Beziehung zu halten - selbst, wenn die Frauen Trennungswünsche hatten, heißt es in der Studie. In knapp der Hälfte der Fälle betrug die Dauer mehr als zehn Jahre, bevor es zur Tat kam.
Männer mit dieser Einstellung - Männer, die ihre Partnerinnen töten - finden sich der Studie zufolge quer durch die Gesellschaft. Zu den untersuchten Tätern gehörten Polizisten, Unternehmensberater, Erzieher und Handwerker. Trotzdem sind nicht alle Schichten gleichermaßen betroffen, schreiben die Forscher. Ein geringes Bildungsniveau und eine angespannte finanzielle Lage sind demnach durchaus große Risikofaktoren. 37 Prozent der Täter hatte demnach keinen Schulabschluss, knapp 45 Prozent waren zum Tatzeitpunkt arbeitslos. Knapp die Hälfte (48,7 Prozent) waren außerdem psychisch auffällig, bei vielen gab es Hinweise auf ein Suchtproblem.
Täter mit Migrationshintergrund
Überproportional viele Täter, die ihre Partnerin aus einem Besitzdenken heraus töten, haben einen migrantischen Hintergrund. Zwei Drittel der Männer hatten eigene Migrationserfahrungen, rund ein Viertel war in den sechs Jahren vor der Tat nach Deutschland eingewandert - oft zusammen mit dem späteren Opfer. Der gemeinsame Migrationsprozess aus einem stark patriarchal geprägten Land nach Deutschland wirke teils wie ein Katalysator für die De-Etablierung der Beziehung, schreiben die Forscher.
Die Taten nun zwangsläufig kulturell zu begründen, ist jedoch falsch, wie ebenfalls deutlich wird. Zum einen handelt es sich laut der Studie bei den Tätern mit Migrationshintergrund gerade nicht um eine homogene Gruppe, vielmehr kommen sie aus sehr verschiedenen Ländern. Zum anderen sind Menschen mit Migrationshintergrund häufiger sozioökonomisch benachteiligt, was den Anteil unter den Tätern ebenfalls beeinflussen dürfte. Demnach sind Femizide kein "importiertes Problem", betonen die Autoren. Ursächlich seien vielmehr patriarchale Strukturen, die - in unterschiedlichen Formen - "in allen Gesellschaften existieren".
Insgesamt sind Femizide in Deutschland im internationalen Vergleich eher selten. Das Bundeskriminalamt nutzt den Begriff Femizid mangels allgemeingültiger Definition zwar nicht. Jüngst veröffentlichte Zahlen aus der PKS zeigen jedoch, dass Tötungsdelikte gegen Frauen seit 2020 deutlich gesunken sind. Die Daten verdeutlichen jedoch auch: Die Zahl an frauenfeindlichen Straftaten steigt weiter an. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 265.942 Opfer von häuslicher Gewalt, so viele wie noch nie. Deutlich mehr als zwei Drittel davon waren Frauen.
Die Forscherinnen und Forscher aus Niedersachsen und Tübingen zeigen erstmals, inwiefern diese Entwicklung auch auf patriarchale Strukturen und Sexismus zurückzuführen ist. Diese Strukturen gesamtgesellschaftlich zu bekämpfen, um gewaltbegünstigende Sozialisationsmuster von Männern abzubauen, sei essenziell. Vor allem mit Blick auf die politische Entwicklung, wie die Wissenschaftler deutlich machen: Erstarkte autoritäre politische Kräfte wollen traditionelle Geschlechterrollen und sexistische Einstellungen wieder gesellschaftsfähig machen, heißt es. Mit Blick auf die Entwicklung von Gewalt gegen Frauen und die nun erforschten Ursachen sei dies "besonders besorgniserregend".