Panorama

Sorglosigkeit, trotz Delta Wird Mallorca zum zweiten Ischgl?

Nach fast anderthalb Jahren Pandemie ist die Feierwut bei jungen Touristen und Einheimischen auf der Insel groß.

Nach fast anderthalb Jahren Pandemie ist die Feierwut bei jungen Touristen und Einheimischen auf der Insel groß.

(Foto: picture alliance/dpa)

Sonne, Strand, Meer - und Delta: Auf Mallorca steigen die Infektionszahlen rapide an. Das hält Urlauber allerdings nicht vom sorglosen Feiern ab. Warum auch? Die Corona-Regeln auf der Lieblingsinsel der Deutschen sind lax, die Bundesregierung bei Reiserückkehrern nachsichtig.

Auf den Balearen mit Mallorca als liebster Urlaubsinsel der Deutschen schießt die Zahl der Neuinfektionen weiter in die Höhe. Binnen 24 Stunden erfassten die Gesundheitsbehörden der spanischen Mittelmeerinsel 864 Ansteckungen mit dem Coronavirus, so viele wie noch nie zuvor an einem einzigen Tag seit Ausbruch der Pandemie. Deutlich mehr als 700 Ansteckungen pro Tag hatte es zuletzt im Januar gegeben. Mittlerweise macht die hoch ansteckende Delta-Variante 85 Prozent aller Infektionen aus.

Die Bundesregierung erklärte daher bereits vor einer Woche ganz Spanien, also auch Mallorca zum Risikogebiet. Urlauber hält das aber kaum davon ab, trotzdem auf die Insel zu reisen. Somit sind es erst die Deutschen, dann kommen spanische Abiturienten hinzu, schließlich britische Jugendliche, die für größere Ausbrüche sorgen. Weil Clubs und Discos bisher nicht öffnen dürfen, verlagert sich das Nachtleben oft an den Strand. Große Gruppen feiern ausgelassen auf der Promenade.

Genau vor einem Jahr hat die Inselregierung an diesem Punkt durchgegriffen und viele Partylokale geschlossen. Nun lehnt die Balearen-Regierung neue Corona-Einschränkungen ab und verweist auf die vergleichsweise entspannte Situation in den Krankenhäusern der Inseln. Eine nächtliche Ausgangssperre, wie sie andere spanische Regionen wegen der stark steigenden Corona-Zahlen einführen wollen oder schon eingeführt haben, planen Mallorca und die Nachbarinseln bisher nicht.

Palmas Quarantänehotels sind überfüllt

"Irgendwie traut sich niemand zu sagen, dass Mallorca längst ein zweites Ischgl ist", sagt ein Deutscher Inselarzt der "Berliner Morgenpost". "Das fliegt uns alles jetzt schon um die Ohren. Es würde mich nicht wundern, wenn im August die Saison vorbei ist." Der Arzt, der nicht namentlich genannt werden will, fürchtet, dass sich schon vor dem Herbst die Hospitäler der Insel wieder füllen könnten. "50 Prozent sind zwar voll geimpft. Aber 50 Prozent sind es eben noch nicht."

Fast zwei Drittel der Bevölkerung über 16 Jahren haben zumindest eine Corona-Impfung erhalten, 51,8 Prozent sind vollständig geimpft. Auch wenn sich vor allem junge Leute infizieren, die meist nur milde Krankheitssymptome aufweisen, kommt das Gesundheitssystem langsam wieder unter Druck. In den Kliniken müssen erneut nicht lebenswichtige Operationen verschoben werden. Die Behörden können die Kontakte der Infizierten kaum noch nachverfolgen. Wegen der hohen Fallzahl fehlt es an Personal.

Das Quarantänehotel in Palma ist mittlerweile so gut gefüllt, dass die Regierung ein weiteres Hotel anmieten musste. Das Drei-Sterne-Haus Pabisa Sofia am Ballermann beherbergt jetzt statt Fußballvereinen und Junggesellenabschieden positiv Getestete.

"Laxe Einreiseverordnung des Bundes"

"Das ist die brutalste Welle, die wir je hatten", zitiert die mallorquinische Tageszeitung "Ultima Hora" die Leiterin des Covid-Centers von Mallorca, Llucia Moreno. Bis vor einem Monat sei die Pandemie auf der Insel weitgehend unter Kontrolle gewesen, sagt sie. Doch dann hätten sich die Zahlen von durchschnittlich 70 Neuinfektionen mehr als verzehnfacht.

Während die Bundesregierung Spanien noch nicht zum Hochrisikogebiet erklärt hat, ziehen andere Länder bereits die Notbremse. Der niederländische Ableger des Reisekonzerns Tui stoppte alle Mallorca-Reisen, nachdem das Land die Corona-Warnampel auf Gelb gesetzt hatte. Bei den Briten, die erst seit wenigen Wochen wieder auf die Insel dürfen, steht die Ampel ebenfalls auf Gelb. Das heißt: Quarantäne für nicht vollständig geimpfte Rückkehrer. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Warnstufe demnächst auf Rot springt. Dann müssten alle Rückreisenden nach Großbritannien in Quarantäne - egal, ob geimpft oder nicht.

Auch in Deutschland nimmt die Diskussion um Reiserückkehrer an Fahrt auf. So fordert Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher strengere Einreiseregeln für Urlauber, die weder geimpft noch genesen sind. "Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollten mindestens fünf Tage zu Hause bleiben und die Quarantäne danach erst bei einem negativen PCR-Test verlassen dürfen", sagte Tschentscher der "Bild"-Zeitung. "Durch die laxe Einreiseverordnung des Bundes verlieren wir täglich an Boden." Die nachzuweisenden Antigen-Schnelltests bei Einreisen aus Risikogebieten seien unzuverlässig und würden schlecht kontrolliert.

Quelle: ntv.de

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