Treffen mit Finnen und Schweden Ankara sendet beim NATO-Veto positive Signale
25.05.2022, 22:10 Uhr
Beim Waffenembargo gegen die Türkei sieht Erdogan-Vertrauter Kalin eine Bereitschaft zum Kompromiss bei Schweden und Finnland.
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Fünf Stunden dauern die Gespräche von Erdogan-Vertrauten mit Vertretern Finnlands und Schwedens. Erstmals seit der Drohung mit einem NATO-Veto kommen freundlichere Töne aus Ankara. Ein Durchbruch ist das aber noch nicht.
In den Streit zwischen der Türkei und den restlichen NATO-Staaten über den Beitritt von Finnland und Schweden zu dem Militärbündnis kommt offenbar Bewegung. Beide Länder hätten eine positive Haltung zur Aufhebung des Waffenembargos eingenommen, sagte Ibrahim Kalin, Sprecher der türkischen Präsidentschaft und enger Vertrauter von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei habe zudem ihre Bedenken über die Aufnahme von Personen geäußert, die aus Sicht der Regierung in Ankara Terroristen sind. Schweden hatte nach türkischen Offensiven in Syrien 2019 die Ausfuhr von Waffen in die Türkei gestoppt.
Finnland und Schweden haben offiziell den Beitritt zur NATO beantragt. Beide Länder zogen damit die Konsequenzen aus der Invasion der Ukraine durch Russland und wollen ihre Jahrzehnte alte Neutralität aufgeben. Erdogan hatte vergangene Woche überraschend die Aufnahme beider Länder in das Militärbündnis abgelehnt. Er warf ihnen vor, Menschen mit Verbindungen zu terroristischen Gruppen zu beherbergen und forderte ihre Auslieferung. Erdogan verwies auf die kurdische Arbeiterpartei PKK und Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, der nach seinen Angaben hinter dem gescheiterten Militärputsch 2016 steckt.
"Wir haben unseren Gesprächspartnern deutlich gemacht, dass der Prozess der NATO-Mitgliedschaft nicht voranschreiten kann, solange die Sicherheitsbedenken der Türkei nicht mit konkreten Maßnahmen und innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens ausgeräumt werden", sagte Erdogans Sprecher weiter. Kalin empfing Delegationen von Diplomaten aus Schweden und Finnland, die sich darum bemühten, Ankaras Sorgen auszuräumen. Das Treffen dauerte fünf Stunden. Die Forderungen der türkischen Seite seien zur Kenntnis genommen worden und würden nun an die Regierungen Schwedens und Finnlands weitergeleitet, sagte Kalin weiter. "Wir werden die Gespräche fortsetzen, sobald wir ihre Antworten auf unsere Forderungen erhalten haben."
EU-Diplomaten gehen davon aus, dass der "Terroristen"-Vorwurf nur vorgeschoben ist und die türkische Regierung tatsächlich die Aufhebung eines Exportstopps von Militärgütern verfolgt. Dabei geht es vor allem um den Kauf von US-Kampfflugzeugen.
Erdogan innenpolitisch unter Druck
Politische Beobachter vermuten hinter dem Veto des türkischen Präsidenten auch eine Wahlkampagne. "Weil Präsident Erdogan innenpolitisch schlecht dasteht, will er unbedingt außenpolitisch punkten", sagte Hüseyin Bagci, Vorsitzender des türkischen Foreign-Policy-Instituts. Die Unterstützung der Bürger für den Präsidenten und seine AKP war zuletzt zurückgegangen. Mit seinen Terrorismus-Vorwürfen versammle Erdogan einen Großteil der türkischen Öffentlichkeit hinter sich, die die PKK und YPG als Sicherheitsbedrohung wahrnehme, sagte Bagci.
Erdogan hatte zudem am Montag eine mögliche neue Offensive in Nordsyrien angekündigt, wo Ankara bereits Gebiete kontrolliert. Der Diskurs über syrische Flüchtlinge in der Türkei hat sich im Zuge der Wirtschaftskrise stark verschärft. Die nächsten regulären Wahlen sollen 2023 stattfinden. Erdogan kann aber auch vorgezogene Neuwahlen per Dekret einleiten.
Quelle: ntv.de, mau/rts/dpa/AFP