US-Botschafter einbestellt Ankara gerät mit Washington aneinander
24.05.2022, 11:57 Uhr (aktualisiert)
Eine Massendemonstration der Oppositionspartei CHP in Istanbul macht Erdogan nervös.
(Foto: picture alliance / abaca)
Die Türkei ist gerade kein einfacher Partner für die NATO-Mitglieder. Weil die USA ihre Bürger vor möglicher Polizeigewalt bei einer Demonstration in Istanbul warnen, bestellt Ankara nun den US-Botschafter ein - und revanchiert sich mit einer Gegenwarnung.
Die Türkei hat den US-Botschafter in Ankara, Jeff Flake, wegen einer Warnung vor Polizeigewalt bei einer Demonstration einbestellt. Begründet wurde dies aus dem türkischen Außenministerium mit einer Mitteilung der US-Botschaft, die "haltlose Aussagen" über Maßnahmen der Sicherheitskräfte enthalte. Der Unmut bezieht sich auf eine Sicherheitswarnung von Samstag. Die Botschaft hatte darauf hingewiesen, dass bei einer Demonstration der Opposition in Istanbul Tränengas, Wasserwerfer und nicht-tödliche Geschosse eingesetzt werden könnten. An US-Bürger appellierte sie, sich von Menschenansammlungen fernzuhalten.
Am Sonntag veröffentlichte die Türkei daraufhin eine ähnlich klingende Warnung an ihre Bürger in den USA. Sie sollten sich von Ansammlungen fernhalten. In der Vergangenheit seien bei solchen Gelegenheiten etwa Gas und echte Kugeln eingesetzt worden, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums. Das US-Außenministerium äußerte sich zunächst nicht zu dem Thema. Die Einbestellung eines Botschafters gehört auf diplomatischem Feld zu den härteren Protestmaßnahmen zwischen zwei Staaten.
Spannungen wegen Erdogans Veto-Drohung
In Istanbul hatten sich Tausende versammelt, um gegen ein Urteil gegen die Oppositionspolitikerin Canan Kaftancioglu zu protestieren. Der von der größten Oppositionspartei CHP organisierte Protest endete ohne Zwischenfälle. Sicherheitskräfte waren in der Vergangenheit immer wieder hart gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen.
Kaftancioglu ist Vorsitzende der CHP in der Provinz Istanbul und eine einflussreiche Unterstützerin ihres Parteikollegen Ekrem Imamoglu - dem Bürgermeister von Istanbul. Er wird von einigen als möglicher Herausforderer von Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr gehandelt. Ein türkisches Berufungsgericht hatte vergangene Woche die Verurteilung Kaftancioglus zu rund fünf Jahren Haft unter anderem wegen Präsidentenbeleidigung und öffentlicher Herabwürdigung des türkischen Staates bestätigt. Kaftancioglu darf sich damit nach Angaben ihres Anwalts fünf Jahre lang nicht mehr politisch betätigen.
Die Spannungen zwischen Ankara und den USA fallen zusammen mit der Drohung der Türkei, den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens mit einem Veto zu blockieren. Zuletzt hatte sich Griechenland an die NATO gewandt und sich über ungenehmigte Flüge von türkischen Kampfjets beschwert.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 22. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, mau/dpa