Debatte um Spahn-Vorstoß Ärztechef Gassen fordert Ende der Corona-Notlage
23.10.2021, 06:29 Uhr
Die Verantwortung für die Pandemiebekämpfung sollte laut Gassen wieder in die Hände der Bürger gelegt werden.
(Foto: imago images/Future Image)
Nach eineinhalb Jahren sieht Gesundheitsminister Spahn den Zeitpunkt gekommen, den bundesweiten Pandemie-Ausnahmezustand zu beenden. Nach viel Kritik aus Ländern und Kommunen bekommt Spahn Unterstützung vom Chef der Kassenärtzlichen Vereinigung.
Der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn für eine Beendigung der Corona-Notlage in Deutschland sorgt weiter für Diskussionen. Während unter anderem Landes- und Kommunalpolitiker den Vorschlag kritisieren und vor einem Flickenteppich warnen, unterstützt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, ein baldiges Ende des Ausnahmezustands. Die Ankündigung Spahns sei "letztlich folgerichtig", sagte er der "Rheinischen Post". Dies bedeute auch nicht das sofortige Ende aller Maßnahmen.
"Wir werden aber erleben, dass es regional unterschiedliche Herangehensweisen geben wird, die natürlich auch von regionalen Faktoren wie Impfquote, Infektionszahlen, Altersverteilung und Krankenhausbelegungen abhängig sind", sagte Gassen. "Dass Infektionsraten im Herbst und Winter ansteigen, war zu erwarten und ist nicht nur bei Coronaviren so." Erwachsene sollten sich daher impfen lassen. "Ab einem bestimmten Punkt und einer ausreichenden Vorlaufzeit können wir dann dazu übergehen, die notwendigen Schutz- und Abwehrmaßnahmen in die Hände der Bürger zu legen" so Gassen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dagegen der "Passauer Neuen Presse", die Ankündigung in einer Phase, in der es steigende Infektionszahlen, Impfdurchbrüche, stagnierende Impfquoten und andere Probleme gebe, habe ihn überrascht. Sollte die Feststellung der epidemischen Notlage tatsächlich auslaufen, forderte er eine Ersatzregelung. Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung müssten rechtssicher bleiben, sagte Lauterbach.
Auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer forderten, es müsse weiter eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Corona-Schutzmaßnahmen geben. Spahn hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht über den 25. November hinaus fortzusetzen. Diese Feststellung ist die Grundlage für Verordnungen und zentrale Corona-Maßnahmen in Deutschland. Es gehe darum, nach 19 Monaten einen Ausnahmezustand zu beenden, sagte Spahn im Deutschlandfunk. Befugnisse der Bundesregierung sollten dadurch in einen Normalzustand zurückgeführt werden.
RKI rechnet mit steigenden Zahlen
Spahn betonte, dies bedeute keinen "Freedom Day" oder das Ende aller Maßnahmen. Diese könnten auch ohne den Ausnahmezustand geregelt werden. Dafür müsse entweder die bundesgesetzliche Regelungskompetenz geändert werden, oder die Landtage müssten entsprechende Befugnisse auf Landesebene beschließen, sagte Spahn.
Städtetagspräsident Burkhard Jung warnte vor einem "Flickenteppich" und forderte, die sogenannte epidemische Lage von nationaler Tragweite weiter beizubehalten oder eine Übergangsfrist einzuführen. "Es muss weiter einen bundeseinheitlichen Rahmen im Kampf gegen Corona geben. Die Länder müssen über den Winter Regeln wie 3G oder sogar 2G und das Tragen von Masken in Innenräumen weiter vorgeben können, sagte der Leipziger Oberbürgermeister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Fragen des Infektionsschutzgesetzes und der pandemischen Lage sollten laut SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Bundestag gemeinsam bewertet werden. "In dieser Übergangszeit nach der Wahl werden wir im Parlament nach Mehrheiten suchen, die größer sind als die aktuelle Regierung", sagte Klingbeil.
Das Robert Koch-Institut (RKI) rechnet derweil mit weiter steigenden Corona-Fallzahlen in Deutschland. "Es ist damit zu rechnen, dass sich im weiteren Verlauf des Herbstes und Winters der Anstieg der Fallzahlen noch beschleunigen wird", schrieb das Institut in seinem neuen Wochenbericht zur Pandemie.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa