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Integration ins europäische Netz Baltische Staaten kappen Stromverbindungen zu Russland

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In unscheinbarer Atmosphäre präsentieren die baltischen Energieminister Ende Januar einen historischen Schritt: Estland, Lettland und Litauen werden ins europäische Stromnetz integriert.

In unscheinbarer Atmosphäre präsentieren die baltischen Energieminister Ende Januar einen historischen Schritt: Estland, Lettland und Litauen werden ins europäische Stromnetz integriert.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Stromnetze der baltischen Staaten sind nicht länger mit Russland verbunden. Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine kappen Estland, Lettland und Litauen ihre Leitungen. Nach 24 Stunden Isolation erfolgt am Sonntag der Anschluss ans europäische Netz.

Estland, Lettland und Litauen haben erfolgreich ihre Stromnetzverbindung mit Russland gekappt. "Alle drei baltischen Staaten haben die Entkopplung vom russischen Stromnetz wie geplant abgeschlossen", teilt das litauische Energieministerium mit. "Wir haben das Ziel erreicht, nach dem wir so lange gestrebt haben. Jetzt haben wir die Kontrolle", erklärte der litauische Energieminister Zygimantas Vaiciunas wenig später auf einer Pressekonferenz.

Litauen hatte als Erstes die Verbindung getrennt, wenig später folgten Estland und Lettland. Am Sonntag werden die drei Staaten über Polen ans europäische Stromnetz angeschlossen, vorbehaltlich letzter Tests: Aktuell operieren sie für rund 24 Stunden in einem sogenannten isolierten Modus. Mit dem Schritt wollen die baltischen Staaten ihre Sicherheit erhöhen. Die Abkopplung von Russland wurde seit Jahren vorbereitet, nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine war der Schritt drängender geworden.

"Das System ist stabil, der Prozess läuft reibungslos, niemand bemerkt, dass sich etwas geändert hat", sagte der lettische Energieminister Kaspars Melnis nach der Entkopplung. Das litauische Energieministerium teilte mit, es habe Notfallpläne ausgearbeitet, wonach einige große Energieverbraucher wie Fabriken im Falle von Stromausfällen vorübergehend vom Netz getrennt werden könnten, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten.

"Werkzeug geopolitischer Erpressung"

Die Stromnetze der drei baltischen Staaten wurden in den 1950er-Jahren in das damals sowjetische Stromnetz integriert. Strom beziehen Estland, Lettland und Litauen bereits seit Längerem nicht mehr aus Russland, die Verbindungen wurden allerdings weiter genutzt. Erste Pläne, sich von dem Netz abzukoppeln, gab es nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014. Technische und finanzielle Probleme verzögerten jedoch die endgültige Abkopplung.

In die Synchronisation und Integration der Stromnetze haben die baltischen Staaten und Polen insgesamt 1,6 Milliarden Euro investiert, vorwiegend EU-Mittel. Die Abkopplung von Russland macht sie aber noch abhängiger von den Untersee-Leitungen. Der polnische Stromnetzbetreiber PSE kündigte an, dass Hubschrauber und Drohnen die Verbindung mit Litauen überwachen werden. Für die EU bedeutet die Umstellung, dass sie eventuelle Störungen abfangen muss.

Die Abkopplung erfolgt allerdings auch zum Schutz der drei Länder vor russischer Einflussnahme. Es werde Russland nicht mehr möglich sein, "das Stromsystem als Werkzeug geopolitischer Erpressung zu nutzen", sagte der litauische Energieminister Zygimantas Vaiciunas.

Für Russland bedeutet die Entkopplung, dass Kaliningrad vom russischen Hauptstromnetz abgeschnitten ist. Russland muss das Stromnetz seiner Exklave, die zwischen Litauen, Polen und der Ostsee liegt, allein aufrechterhalten. Russland hat 100 Milliarden Rubel (etwa eine Milliarde Euro) unter anderem in den Bau mehrerer Gaskraftwerke in Kaliningrad investiert.

Kaliningrad ist abgeschnitten

Die EU-Außenbeauftragte und ehemalige estnische Regierungschefin Kaja Kallas beschrieb die Abkopplung vom russischen Stromnetz auf X als einen "Sieg für die Demokratie". Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte in der vergangenen Woche, sein Land habe "alle Maßnahmen ergriffen, um den zuverlässigen und unterbrechungsfreien Betrieb" seines Energiesystems zu gewährleisten.

Die Abkopplung soll in allen drei Ländern mit offiziellen Veranstaltungen gefeiert werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will am Sonntag in der litauischen Hauptstadt Vilnius an einer Zeremonie teilnehmen.

Quelle: ntv.de, chr/AFP

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