Politik

Bundeseigener Sanierungsstau Das Kanzleramt ist ein wahrer Energiefresser

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Das Bundeskanzleramt verbraucht 195 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter (m²) im Jahr.

(Foto: imago images/photothek)

Gut ein Drittel der CO2-Emissionen gehen auf den Gebäudesektor zurück. Um die selbst gesteckten Klimaziele zu erfüllen, verschärft die Politik seit Jahren die energetischen Standards fürs Bauen - doch statt mit gutem Beispiel voranzugehen, hinken ausgerechnet Bundesbauten bei der Energieeffizienz hinterher.

Es ist eine wahre Mammutaufgabe: Bis 2045 sollen alle Gebäude in Deutschland klimaneutral sein. Ja, alle. Schon für Privathaushalte ist das eine schier unlösbare Aufgabe. Noch schwieriger wird es sein, die bundesweit knapp zwei Millionen beheizten Nichtwohngebäude klimagerecht zu modernisieren - fast 60 Prozent davon wurden vor 1978 gebaut. Immerhin: Büro-, Verwaltungs- und Amtsgebäude bilden den zweitgrößten Anteil dieser Immobilien, rund 186.000 davon sind in öffentlicher Hand. Doch obwohl deren Energieeffizienz in der Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen liegt, tun sich die Behörden schwer damit, die selbst gesetzten Vorgaben zu erfüllen.

Beispiel Schulen: Laut der Förderbank KfW hätten im vergangenen Jahr rund 45,6 Milliarden Euro investiert werden müssen, um die energetisch oft relativ schlecht isolierten Gebäude zu sanieren. Tatsächlich gaben Landkreise, Städte und Gemeinden dafür aber gerade einmal 9,8 Milliarden Euro aus - nicht einmal ein Viertel der erforderlichen Investitionssumme. Auch etliche Rathäuser, Polizei- oder Gerichtsgebäude schneiden in Sachen Klimabilanz schlecht ab. Unter 533 öffentlichen Gebäuden, deren Primärenergiebedarf die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit der Initiative "Frag den Staat" im Jahr 2020 ermittelt hat, erfüllten nur 16 die Klimavorgaben der Bundesregierung.

Auch die Bundesministerien wurden abgefragt. Von 15 Ministerien - inklusive des Kanzleramts - konnten nur acht überhaupt konkrete Angaben zum technischen Energiebedarf des Gebäudes machen. Davon lagen drei unter dem Grenzwert von 70 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter (m²) im Jahr, die Zielmarke bei der Energieeffizienz von Gebäuden. Alle anderen haben laut DUH mit bis zu 140 kWh/m² im Jahr dringenden Sanierungsbedarf. Deutlich über dem Grenzwert von 140 kWh/m² im Jahr liegt das Bundeskanzleramt - ein echter "Klimakiller", wie die Organisation beklagt. Ein Grund für die schlechte Bilanz sei, dass das Gebäude mit einer Ölheizung ausgestattet sei.

Verbrauch sagt nichts über Gebäudezustand aus

Was ist ein Energieausweis?

Laut Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll der Energieausweis dabei helfen, den energetischen Zustand von Gebäuden zu bewerten. Er enthält allgemeine Angaben zum Gebäude, zu den verwendeten Heizstoffen und die Energiekennwerte. Das soll für Kauf- oder Mietinteressenten den Vergleich zwischen Immobilien erleichtern.

"Wir haben da seit Jahren absoluten Stillstand", beklagt Paula Brandmeyer, Vize-Bereichsleiterin für Energie und Klimaschutz bei der DUH, im Gespräch mit ntv.de. So etwas sei nicht nachvollziehbar, "wenn man gleichzeitig für Industrie und Privathaushalte die energetischen Standards verschärft". Das Versprechen von Bundesbauministerin Klara Geywitz, die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung müssten "auch für die eigenen Gebäude und Bauvorhaben gelten", man verstehe sich da sogar als Vorreiter, hält Brandmeyer für ein Lippenbekenntnis.

Kritisch sieht die DUH vor allem, dass viele Ministerien, aber auch öffentliche Verwaltungsgebäude ihren Energieverbrauch mit einem Verbrauchsausweis angeben. Dieser basiert auf Daten, die stark durch das Nutzungsverhalten - etwa beim Heizen - bestimmt werden. "Ein Gebäude kann in schlechtem energetischem Zustand sein und trotzdem ist der Verbrauch gering, wenn alle im Homeoffice sind", erklärt Brandmeyer. Seit Jahren fordert die DUH deshalb die verpflichtende Einführung des Bedarfsausweises, bei dem der Energiebedarf von Gebäuden auf Grundlage des baulichen Zustands errechnet wird. Nur so lasse sich erkennen, wo Handlungsbedarf besteht.

"Klimakiller"-Gebäude sollen zuerst saniert werden

Auch die Baugewerkschaft IG BAU wirft den Behörden seit Langem vor, die Sanierung eigener klimaschädlicher Gebäude zu verschleppen. Sie fordert deshalb einen "Klima-Check" aller 186.000 öffentlichen Gebäude, auf dessen Grundlage Länder und Kommunen dann einen Sanierungsfahrplan erstellen sollen. Die DUH will, dass sich die Sanierungsreihenfolge zusätzlich nach der Höhe des Energiebedarfs richtet. So sollen die "Klimakiller" ganz oben auf der To-Do-Liste stehen.

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Zwar gibt es bereits ein paar Lichtblicke. Das Bundesjustizministerium rühmt sich mit einer in den Innenhöfen installierten Photovoltaikanlage, die "bei ausreichendem Sonnenschein rund 100 Büroarbeitsplätze mit Strom versorgen kann" und Solakollektoren auf dem Dach, die 16.000 kWh Fernwärme pro Jahr ersetzen. Dennoch bleiben für Brandmeyer an anderer Stelle Fragen. Zum Beispiel, warum die neuesten Gebäude des Bundesinnen- und des Forschungsministeriums bei gleichem Baujahr deutlich voneinander abweichende Verbrauchsdaten haben. "Warum wird wider besseren Wissens noch immer so unterschiedlich gebaut?", fragt sie. "Warum werden keine einheitlichen Regeln für Bundesbauten festgelegt?"

Die Anforderungen des Denkmalschutzes sind nur eine Antwort darauf. Auch wenn ungedämmte Außenwände und ineffiziente Gebäudehüllen großes Einsparpotenzial haben, droht beim Thema Außendämmung von historischen Fassaden oder klimafreundlicher Energieversorgung - etwa über sichtbare Solaranlagen - Ärger mit Denkmalschützern. Trotzdem schließen sich Denkmalschutz und Energieeffizienz nicht aus. Mit einem Primärengiebedarf von lediglich 14,6 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter (m²) im Jahr ist laut der Erhebung von DUH und "Frag den Staat" ausgerechnet die Elbphilharmonie in Hamburg das klimafreundlichste öffentliche Gebäude in Deutschland.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 30. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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