Druck aus der Bundespartei? CDU-Mann tritt eilig aus rechtem Verein aus
16.12.2019, 19:27 Uhr
Der umstrittene CDU-Kommunalpolitiker Möritz war 2011 Ordner bei einer Neonazi-Demo.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die erste Kenia-Koalition Deutschlands droht an einem Tattoo und der Vergangenheit eines CDU-Kommunalpolitikers zu zerbrechen. Die Regierung Sachsen-Anhalts ist bemüht, die Wogen zu glätten. Der umstrittene Politiker versucht indes, mit seinen fragwürdigen Verbindungen aufzuräumen.
Der sachsen-anhaltische CDU-Kommunalpolitiker Robert Möritz ist aus dem umstrittenen Verein Uniter ausgetreten. Der Verein bestätigte, dass Möritz seit Sonntag nicht mehr Mitglied ist. Um die Vergangenheit des Politikers dreht sich seit dem Wochenende ein heftiger Streit in der Koalition des Landes. Mit Blick auf sein öffentliches Amt habe das Uniter-Präsidium dem Wunsch auf Aufhebung der Mitgliedschaft unverzüglich stattgegeben, teilte der Verein nun auf Anfrage mit.
Laut Satzung wäre ein Austritt eigentlich nur mit drei Monaten Vorlauf zum Jahresende möglich - Möritz wäre dann bis Ende 2020 Mitglied geblieben. Kritiker sagen dem Verein Uniter Verbindungen ins rechtsextreme Milieu nach. Die Behörden prüfen laut Bundesregierung Hinweise auf extremistische Bestrebungen.
Am Donnerstag will die CDU in Sachsen-Anhalt den Fall bei einer Beratung mit den Kreischefs intern aufarbeiten, wie Landeschef Holger Stahlknecht ankündigte. Im Anschluss werde sich der CDU-Landesvorstand mit dem Geschehen befassen. "In der CDU ist ohne Wenn und Aber kein Platz für rechtsextremistisches Gedankengut", so Stahlknecht. Jedoch habe grundsätzlich jeder Mensch eine zweite Chance verdient. Er verwies darauf, dass der Fall Möritz einer "eingehenden Prüfung" bedürfe.
Zuvor hatte bereits CDU-Generalsekretär Sven Schulze angekündigt, worum es bei dem Treffen gehen soll: Zum einen soll ein Meinungsbild eingeholt werden, wie andere Kreisverbände die Entscheidung aus Anhalt-Bitterfeld bewerten, dem Vorstandsmitglied Robert Möritz trotz eingeräumter Neonazi-Vergangenheit einstimmig den Rücken zu stärken. Zudem solle besprochen werden, wie die Landes-CDU mit der scharfen Kritik des grünen Koalitionspartners umgehen sollte.
Bundes-CDU springt Landesverband bei
Die Bundes-CDU hat sich derweil hinter den Landesverband gestellt. "Nazis haben keinen Platz in der CDU", heißt es in einer Nachricht der CDU-Bundeszentrale an alle Landesverbände, die n-tv vorliegt. "Deshalb sind ALLE in der CDU in der Pflicht sicherzustellen, dass totalitäres Denken in unseren Reihen ausgeschlossen ist." Das habe der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt klar gemacht.
Zugleich betont die Bundes-CDU in ihrem Schreiben, jeder Mensch habe das Recht auf Erkenntnis und Besserung. "Wer politisch radikal war und sich zum Bruch mit dieser Szene entscheidet, den sollten wir bei diesem Weg unterstützen. Das entspricht übrigens den Grundwerten der CDU." Dabei sei jeder Einzelfall genau zu betrachten und zu prüfen. "Das geschieht am besten aus nächster Nähe vor Ort, denn dort kennt man die betroffenen Menschen."
Die CDU sei "davon überzeugt, dass die Demokratie dort ihre Vitalität und Stärke beweist, wo es ihr gelingt, Menschen auf Grundlage demokratischer Werte einzubinden". Der Staat gebe erhebliche Summen aus, um Menschen den Ausstieg aus radikalen Umfeldern zu ermöglichen - egal ob es links-, rechts-, religiös- oder in sonstiger Weise radikalisierte Personen seien. "Wir könnten uns dieses Geld und alle Anstrengungen sparen, wenn wir nicht daran glauben würden, dass Menschen für die Demokratie (zurück) zu gewinnen sind", heißt es in der Nachricht weiter.
SPD-Chefin fordert AKK-Statement
Unterdessen fordert SPD-Parteichefin Saskia Esken, dass sich die CDU-Bundesspitze einschaltet. "Wir sind auf jeden Fall der Auffassung, dass auch die Bundes-CDU und damit auch Frau Kramp-Karrenbauer (...) eingreifen müsste und deutlich machen müsste, dass es so nicht geht", sagte Esken. Wenige Wochen nach dem rechten Terroranschlag von Halle sei es schockierend, wie sich die CDU in Sachsen-Anhalt vor klaren Konsequenzen drücke.
Auch die Landes-SPD forderte vom großen Koalitionspartner erneut eine klare Abgrenzung gegen Rechts. Die gemeinsame Arbeit für Demokratie sowie gegen Rechtsextremismus und Rassismus sei die Geschäftsgrundlage der Kenia-Koalition, heißt es in einem Beschluss. "Wir erwarten, dass die CDU dafür glaubhaft einsteht." Andernfalls gebe es für die Fortführung der Koalition keine Grundlage.
Der Streit um Möritz hatte sich am Samstag zu einer Koalitionskrise ausgewachsen. Zuvor war bekannt geworden, dass dieser unter anderem 2011 als Ordner an einer Neonazi-Demo beteiligt gewesen war. Außerdem bekannte er sich lange zum umstrittenen Verein Uniter. Sein Kreischef Matthias Egert räumte ein, dass Möritz ein Tattoo einer sogenannten Schwarzen Sonne auf dem Arm trägt, ein bei Rechtsradikalen beliebtes Motiv aus übereinanderliegenden Hakenkreuzen.
Möritz hatte sich Ende voriger Woche bei einer Sondersitzung der Kreis-CDU erklärt und sich den Verantwortlichen zufolge von seinen Verbindungen zur Neonazi-Szene distanziert. Der Kreisvorstand beschloss daraufhin ohne Gegenstimme, auf einen Ausschluss aus dem Gremium oder der Partei zu verzichten. Diese Entscheidung sorgte bundesweit für Kritik - auch aus der Union. "Ich verfolge das Geschehen in Sachsen-Anhalt mit einer gewissen Sprachlosigkeit", sagte etwa der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz.
Koalitionspartner glätten Wogen
Unterdessen gingen die Parteien der schwarz-rot-grünen Koalition in Magdeburg ein Stück weit aufeinander zu. Er habe am Wochenende mit den Koalitionspartnern telefoniert, berichtete CDU-Generalsekretär Schulze. Die Grünen bekannten sich zu dem Bündnis mit CDU und SPD. "Wir haben einen Koalitionsvertrag, den wollen wir gerne abarbeiten", sagte Landeschef Sebastian Striegel. "Am Ende muss die CDU die Frage für sich beantworten, ob jemand, der ein dreifaches Hakenkreuz-Emblem auf dem Ellbogen hat, bei ihnen als Funktionär tätig sein kann."
Die Grünen hatten am Wochenende mit Bezug auf das Tattoo in einer Mitteilung gefragt "Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?" Die Konservativen reagierten empört, sahen 6500 Mitglieder unter Generalverdacht gestellt. Landesgeneralsekretär Schulze forderte eine umgehende Entschuldigung und drohte andernfalls mit dem Ende der Koalition. Striegel verwies darauf, dass die Mitteilung keinesfalls alle Christdemokraten unter Generalverdacht stellen sollte.
Quelle: ntv.de, mra/dpa